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Rüttgerodt-Riechmann, Ilse [Editor]
Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland: Baudenkmale in Niedersachsen (Band 5,1): Landkreis Göttingen: Stadt Göttingen — Braunschweig, 1982

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https://doi.org/10.11588/diglit.44170#0013
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STADT GÖTTINGEN
Geschichtlicher Überblick
In der frühmittelalterlichen Periode der Machtkämpfe zwischen Merowingern und
Sachsen gehörte das südliche, fruchtbare Leinetal um die heutige Stadt Göttingen
zum umstrittenen Grenzbereich zwischen dem sächsischen Leinegau und dem
Frankenreich. Zu dieser Zeit lag das sächsische Gaugericht auf dem Leineberg.
Die Siedlungen Altengrona und Gutingi und die Königshöfe
Während der Grenzstreitigkeiten, die sich vom 6. bis zum 8. Jh. hinzogen, ließen
sich in der gut zu verteidigenden, sumpfigen Senke am Gronebach merowingische
Siedler nieder; es entstand Altengrona, das heutige Grone. Eine zweite, möglicher-
weise ebenfalls merowingische Siedlung, Gutingi, bildete sich im Bereich der
Innenstadt auf der Südseite der heutigen Langen Geismar Straße, geschützt und
mit Wasser versorgt durch den südlich herabfließenden Reinsbach (Reinsrinne).
Um 800 gesellten sich diesen Siedlungen je ein fränkischer „Königshof” zu, in
Grone am Hellweg im Karree östlich der Petrikirche, in Göttingen vermutlich im
Bereich um den Ritterplan. Diese „curtes” dienten den Franken nach derUnterwer-
fung der Sachsen als „Zwingburgen” zur Kontrolle des eroberten Landes; sie
sicherten - häufig als Gegenstück zu sächsischen „Volksburgen” - in einem
Abstand von 10 bis 20 km die „Königsstraßen” (Hellwege) und im Bereich von Göt-
tingen außerdem die Furt über die Leine. Dem Hof in Grone kam zu jener Zeit aller-
dings größere Bedeutung zu, da die Straßenzüge auf dem Ostufer der Leine erst
seit dem 11. Jh. stärker frequentiert wurden. Nach der Befriedung des Gebiets
und der Vermehrung der„curtes” im Laufe des 10. Jh. entwickelten sich diese mehr
und mehr zu Verwaltungs- und Wirtschaftshöfen; von hier aus wurde Ödland
erschlossen und als königliche „Bünde” (Bünne, Bifang, Sundern) aus dem
Gemeindebesitz ausgesondert. In Grone verweist die alte Flurbezeichnung „die
Bünde” (als Straßenname „Bünne” erhalten) auf dieses Königsland; in Göttingen
lag es nördlich und östlich der späteren Burg.
Pfalz Grona
Das sächsische Gegenüber zum Hof in Grone bildete die liudolfingische Burg am
Hagenberg (Kleiner Hagen; nördlich derGemeindeakademie, östlich des Pfarrhau-
ses der Friedensgemeinde), die Widukind in seinen „rerum gestarum Saxonica-
rum” im Zusammenhang mit den Geschehnissen im Jahre 915 erwähnt, als sich
hier der Liudolfinger Heinrich vor König Konrad in Sicherheit gebracht hatte. Hein-
rich I., 919 zum Nachfolger Konrads gekürt, regierte von seinen verschiedenen Pfal-
zen aus. Die Burg zu Grone ließ er ebenfalls zur Pfalz ausbauen. Ihr gliederten sich
die Siedlung Borchgrona am Südwesthang vor den Befestigungen und der Königs-
hof als Versorgungsstation an. Der „Königsstieg” verband die Pfalz mit dem
Gericht, das noch immerauf dem Leineberg lag. Etwa übereinenZeitraum von 100
Jahren hielten sich die Sachsenkönige häufig in ihrer Pfalz Grona auf, die - zwar
weniger wichtig als die Pfalzen Werla und Pöhlde - eine gewisse Bedeutung als Ort
politisch weitgreifender Entscheidungen besaß. Unter den Stauferkaisern verlor
sie dieses Gewicht; Ministeriale nahmen ihre Verwaltung wahr. Während des
Streits zwischen Friedrich Barbarossa und Heinrich dem Löwen soll sie 1180 zum
ersten Male von den Welfen zerstört worden sein. Im 13. Jh. gerieten die Burgherren
durch wiederholte Übergriffe auf Göttinger Gebiet mit der Stadt in Zwist, der mit
der endgültigen Zerstörung der Burg Grona zwischen 1293 und 1296 endete.
Marktsiedlung
Durch die bereits im 10. Jh. begonnene, aber erst im 12. Jh. vor allem durch Heinrich
den Löwen forcierte Ostkolonisation änderte sich die Situation im Göttinger
Gebiet insofern, als sich in Folge des aufblühenden Osthandels die Verkehrswege
verlagerten. Die nun wichtigen West-Ost-Verbindungen über Höxter-Holzminden-
Gandersheim bzw. über Kassel-Witzenhausen-Halberstadt kommunizierten im
Leinetal überdie beiden hierzusammenlaufenden bedeutendenSüd-Nord-Verbin-
dungen (Frankfurt-Hansestädte, Thüringer Becken-Hansestädte); es entstanden
„Verkehrsknotenpunkte”.

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