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Göttingen erhielt 1854 seinen Bahnanschluß, die Industrialisierung begann.
In den Jahren zwischen 1880 und 1885 änderte die preußische Regierung das Ver-
waltungssystem in der Provinz Hannover durch Umwandlung der Landdrosteien in
sechs Regierungsbezirke und die Einführung der preußischen Kreisordnung und
der Provinzialverfassung. Göttingen gehörte zum Regierungsbezirk Hildesheim.
Die alten Ämter Reinhausen und Göttingen bildeten mit Wirkung vom 1.4.1885 den
Landkreis Göttingen, die Stadt Göttingen war ein Stadtkreis.
Bereits um die Jahrhundertwende gehörte Göttingen zu den am dichtesten besie-
delten Städten des Deutschen Reiches (Bevölkerungszunahme: 1822 -11 035 Ein-
wohner, 1910 - 37 598 Einwohner), und es gab schon damals Bestrebungen, wenig-
stens Weende einzugemeinden. Doch erst 1960 und 1962 vergrößerte man das
Stadtgebiet durch Grenzänderungsverträge mit den Gemeinden Grone und Her-
berhausen um fast 100 ha. 1964 gelang es durch das „Göttingen Gesetz”, die
Gemeinden Geismar, Grone, Nikolausberg und Weende in die Stadt einzugliedern,
wobei die bis dahin kreisfreie Stadt einen Sonderstatus erhielt. Im Zuge der
Gebiets- und Verwaltungsreform wurden 1973 die Dörfer Deppoldshausen, Ellie-
hausen, Esebeck, Groß-Ellershausen, Hetjershausen, Holtensen, Knutbühren und
Roringen eingemeindet. Seitdem beträgt die Fläche des Stadtgebiets mit dem
Göttinger Wald 11 677 ha, und die Einwohnerzahl ist auf etwa 124 000 angewach-
sen.
Kirchengeschichte
Bis zur Reformation gehörte das südliche Leinetal unmittelbarzur Diözese des Erz-
bischofs von Mainz und hatte damit im sächsischen Gebiet eine Sonderstellung im
Rahmen der mittelalterlichen Jurisdiktion. Groß war mainzerischer Besitz an Län-
dereien und Zehnten.
Diese mainzerische Machtstellung scheint auf die im Vergleich zum übrigen Sach-
sen frühe Christianisierung des Gebietes um Göttingen zurückzugehen. Schon vor
dem Friedensschluß der Franken und Sachsen und der Einrichtung der sächsi-
schen Bistümer wurde seit spätestens 777/780 die Missionierung dieses Bereichs
von Mainz aus betrieben und durch die Liudolfinger unterstützt. Später änderte
sich das allerdings: Im 10. Jh. wurden aus dem großen liudolfingischen Besitz im
Leinegau insbesondere von den Ottonen gegründete Klöster und Stiftungen aus-
gestattet (z. B. in Poehlde, Quedlinburg, Magdeburg, Nordhausen - in einer sol-
chen Schenkungsurkunde wird 953 das Dorf „Gutingi” zum ersten Male erwähnt).
Offenbar gab es Bestrebungen der sächsischen Könige, den Einfluß des Erzbi-
stums Mainz einzudämmen, während gleichzeitig Mainz um die Festigung seines
Besitzes bemüht war. Im 11. Jh. sicherte es seinen Einfluß im südlichen Leinegau,
indem es 12 Mutter- und Taufkirchen - alle mit einem Martinspatrozinium - mit
besonderen Rechten und Sitzen für Archipresbyter ausstattete und dem Archidia-
konat Nörten unterstellte. Im Stadtgebiet gehörten die Kirchen in Esebeck,
Weende, Nikolausberg und Holtensen zursedes Nörten, die Kirchen in Geismar,
Göttingen, Herberhausen, Roringen, Elliehausen, Grone, Groß-Ellershausen, Het-
jershausen, Borchgrona und die Kapelle in der Burg Grona zur sedes Geismar.
Im 12., 13. und 14. Jh. wurden im heutigen Stadtgebiet mehrere Klöster gegründet:
Nikolausberg ca. 1120 bzw. Weende 1180-84; der Dominikanerorden etablierte
1294 das Paulinerkloster an der Paulinerstraße im Bereich der heutigen Universi-
tätsbibliothek; der Franziskanerorden baute in der 2. Hälfte des 13. Jh. das Barfü-
ßerklosterzwischen Barfüßer-/Burg-/Rote Straße und Markt; derGöttingerSitzdes
Deutschen Ordens bestand seit1318an derGronerTorStraße; und als letzte ließen
sich Franziskanerinnen ca. 1508 im Annenkloster an der Ecke Barfüßer-/Burg-
straße nieder. Außerdem kauften sich auswärtige Klöster Höfe in der Stadt, z. B. die
Zisterzienseraus Walkenried, die im 15. Jh. fünf Höfe in Göttingen erworben hatten.
Die geistlichen Orden erwarben Grund und Boden in Göttingen mit fördernder Billi-
gung des Herzogs; außerdem erhielten sie durch Schenkungen viel Land außer-
halb der Stadt. Der Rat wiederum konnte diese Entwicklung nicht akzeptieren,
denn die Klöster waren frei von Abgaben, so daß er Einkünfte, aber auch wertvolles
Acker-, Weide- und Bauland verlor. Zudem schmälerten die sogenannten „Freihei-
ten” die Gerichtsherrschaft der Stadt, was der Machtpolitik des Herzogs entgegen-
kam. Als Gegenmaßnahme machte der Rat Schenkungen an die Kirche von seiner
Zustimmung abhängig und versuchte, die Vormundschaft über die Stiftungen zu
bekommen, was im Laufe des 15. Jh. auch gelang. Bei den Stiftungen handelte es
sich um die Hospitäler und Armenhäuser, die zu ihrer Unterhaltung Land bzw. Höfe
in der Göttinger Gemarkung und in den benachbarten Dörfern besaßen, z. B. in
Grone und Geismar.

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