Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Goetheallee
Diel. Hälfte des 18. Jh. war in Göttingen nicht
nur von der Universitätsgründung - die sich
in derZukunft als wichtigstes Ereignis erwei-
sen sollte -, sondern auch von einem gewis-
sen Aufschwung der Tuchmacherei und des
Handels mit Tuchen bestimmt. Grätzel, ein
1705 aus Dresden zugewanderter Färberge-
selle, hatte sich mit Hilfe von Staatsaufträ-
gen zum erfolgreichsten Fabrikanten und
Arbeitgeber dieser Epoche entwickelt. Er
wohnte zunächst am Johanniskirchhof, ließ
sich 1740/41 auf dem für die Produktion
günstig am Leinekanal gelegenen Grund-
stück Goetheallee 8 Wohnhaus und Fabrik
bauen. Es ist eines der größten und
repräsentativsten Putzgebäude des 18. Jh.
in Göttingen, ausgezeichnet durch Symme-
trie, Kolossalordnung am mittleren Fassa-
denabschnitt, Portal mit reicher Sandstein-
einfassung und durch figürlichen Giebel-
schmuck.
Die Goetheallee lag in dieser Zeit z. T. auf
dem Besitz der Maschgemeinde (s. o.), war
ein unbefestigter, feuchter Weg und nur im
westlichen Abschnitt besiedelt, wo auch das

Ratshirtenhaus und die Ratszehntscheune
standen. Auf der Südseite gegenüber vom
Grätzeischen Neubau befanden sich der
Lederhof und der von der Regierung 1740/41
errichtete Fechtboden. Grätzel betrieb den
Ausbau der „Allee”, die mit ihren neuen Häu-
sern, der Promenade zwischen Baumreihen
und äußeren Fahrwegen zur vornehmsten
Straße des 18. Jh. in Göttingen wurde. Die
Bebauung mit jeweils auch von Professoren
bewohnten Stadthäusern (z. B. Nr. 2, 4),
Fabrik(Nr. 8) und Ackerbürgerhäusern (Nr. 9,
13, 21) war etwa 1800 vollendet.
1829 erfolgte der Walldurch bruch im Westen
und die Verlängerung der Alleestraße bis zur
neu erbauten Anatomie (kriegszerstört,
heute etwa an dieser Stelle der Busbahn-
hof), die städtebaulich den point de vue für
die Straße darstellte. 1854 wurde der Göttin-
ger Bahnhof eröffnet; in der Folge (ca. 1862)
entstand der Hotelneubau am westlichen
Ende der Straße, (Nr. 22/23), der mit den bei-
den Erweiterungen von 1880 und 1891
(Arch.: C. Rathkamp) als einheitlicher Natur-
steinbau diesen Straßenabschnitt be-
herrscht.

Im 20. Jh. wurden viele der Häuser durch
Ladenausbauten, Aufstockung und neue
Putzfassaden verändert; auf der Südseite
verdrängten Neubauten z. T. die ursprüng-
liche Bebauung; man gestaltete in den sieb-
ziger Jahren die Fahrbahn um; so ist heute
von dem noblen Stil dieser Straße aus dem
18. Jh. nicht mehr viel zu spüren.
Geiststraße
Die Geiststraße bildete die historische Ver-
bindung vom Groner Tor nach der Masch-
siedlung (s. o.). Ihren Namen erhielt sie vom
Hospital St. Spiritus (s. o. Neustadt). Die
Besiedlung erfolgte in der 2. Hälfte des 18.
Jh. von Norden als Ausläufer der „Allee-
Bebauung”.
Die drei im Kern ältesten Häuser stehen auf
der Westseite (Nr. 1 - 3). Nr. 1 ist ein verputz-
ter zweistöckiger Fachwerkbau mit Man-
sarddach, dessen symmetrische Fassade
ein ganzleichtvortretender„Mittelrisalit” mit
Dreiecksfrontispiz beherrscht. Hier liegt der
über eine erneuerte, zweiläufige Freitreppe
erreichbare, aufwendig gestaltete Eingang,
dessen gewichtige, giebelförmige Ver-


Goetheallee 8. Portal

Geiststraße 2. Gartenfassade, ca. 1825


Geiststraße 1, 2. Hälfte 18. Jh., verändert Anfang des 19. Jh.

Geiststraße 9, Ernst-August-Klinik,
Architekt Vogell, 1846 - 50, Eingang

59
 
Annotationen