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Lufen, Peter Ferdinand [Bearb.]
Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland: Baudenkmale in Niedersachsen (Band 5,3): Landkreis Göttingen, Teil 2: Altkreis Duderstadt mit den Gemeinden Friedland und Gleichen und den Samtgemeinden Gieboldehausen und Radolfshausen — Hameln: Verlag CW Niemeyer, 1997

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https://doi.org/10.11588/diglit.44173#0048
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Der älteste noch erhalten Bildstock des Landkreises Göttingen wurde an der Obertor-
straße in Gieboldehausen aufgestellt. An seiner Vorderseite gibt eine Inschrift über Ent-
stehungsjahr (1622) und den Stifter M. Christofel Hartman Aufschluß. Der etwa 2,30
Meter hohe Bildstock zeigt im Laternenrelief die Kreuzigung Christi mit Assistenzfiguren
und das Christusmonogramm mit Kreuz.
Künstlerisch qualitätvoller ist der 1676 aus weißem Sandstein gefertigte, ursprünglich
auf der Hahlewiese, heute vor dem ehern. Burgmannensitz in Gieboldehausen aufge-
stellte Bildstock, den die Schützenbrüderschaft St. Sebastian in Auftrag gab. Die vier
Reliefdarstellungen innerhalb der Rundbogennische zeigen (mit Ausnahme des von Pfei-
len durchbohrten St. Sebastian) figürliche Darstellungen: ein Vesperbild, den Kirchen-
patron von Gieboldehausen, St. Laurentius sowie die Kreuzigung Christi.
Das 18.Jh. ist mit einer beachtlichen Reihe teilweise qualitätvoller Bildstöcke vertreten,
die veranschaulichen, daß die Maßverhältnisse schlanker und eleganter proportioniert
und der ornamentale Schmuck an plastischer Durchbildung gewinnt. Auch die Relief-
figuren lösen sich stärker von ihrer Rückwand und gewinnen somit mehr Eigenwert.
Deutlich sind diese Veränderungen an dem Bildstock an der Duderstädter Straße in
Seulingen zu sehen. Der aus Rotsandstein gefertigte Bildstock (bez. 1769) zeigt einen
Schaft über quadratischem Grundriß, der von stilisierten Akanthusblättern eingefaßt
wird. Dargestellt sind auf dem Schaft u.a. Erzengel Michael mit Flammenschwert im
Kampf gegen den aus der Hölle emporsteigenden Luzifer. Als nahezu vollplastische Fi-
guren sind an der Laterne der Hl. Johannes d. T., der Kirchenpatron des Dorfes, Chri-
stus am Kreuz, die trauernde Gottesmutter und der Hl. Petrus mit dem Schlüssel darge-
stellt.
Ebenso weit verbreitet wie der Bildstock ist im Untereichsfeld auch das Feld- und We-
gekreuz. Häufig an Straßenabzweigungen, in Feld und Flur aufgestellt erinnern sie an die
Passion Christi und fordern zur Besinnung auf den Tod auf. Hervorzuheben sind auch
die Wetterkreuze, die im bäuerlichen Volksleben seit dem frühen Mittelalter von beson-
derer Bedeutung waren und zum Schutz der Äcker gegen Hagelschlag und andere Wit-
terungsunbilden aufgestellt wurden. Häufig wurde die Bezeichnung „Hagelkreuz“ auch
auf den Flurnamen übertragen (Nesselröden).
Eine hohe Blüte erlebte das Wegekreuz in der Barockzeit, wie einige Beispiele belegen.
Bemerkenswert sind das Wegekreuz „Am Armenhof“ in Gieboldehausen - ein qualität-
volles, aus rotem Sandstein gefertigtes Werk von 1746 und das noch monumentaler
wirkende Sandsteinkruzifix auf dem Friedhof zu Lindau von 1753.
Eine Sonderstellung nehmen im Eichsfeld die Dreifaltigkeits-, Marien- und Pestsäulen
ein, die zu den charakteristischen Werken der Bauplastik in der Renaissance und im Ba-
rock gehören. Sie sind zumeist von beachtlicher Höhe und prachtvoller Gestaltung und
setzen somit städtebaulich wirksame Akzente. In Duderstadt hat sich am oberen Ende
der sich hier platzartig weitenden Marktstraße zwischen Rathaus und der Propsteikirche
St. Cyriakus die hohe Mariensäule von 1711 erhalten. Auf dem Postament, der auf ei-
nem dreistufigen Unterbau ruht, erhebt sich die schlanke, über sechs Meter hohe Säule
aus gelbem Sandstein und schließt mit einem Kompositkapitell ab. Bekrönt wird die
Statue von der Gottesmutter mit dem Kind. Zeittypisch ist der schwungvolle Faltenwurf
mit aufgelockerter Umrißlinie. Die Säule wurde 1711 auf Veranlassung des seit 1666 in
seiner Heimatstadt wirkenden Stadtpfarrers und Kommissarius H. Boning errichtet.
Herauszustellen sind auch die beiden Statuen des Johannes von Nepomuk an der Hah-
lebrücke in Gieboldehausen und in Duderstadt.
Eine Besonderheit stellen die Kreuzwegstationen dar, die bis in die heutige Zeit das Ziel
zahlreicher Pilgerfahrten sind. In Anknüpfung an die 14 Orte des Leidensweges Christi
besteht der Kreuzweg aus 14 Stationen oder „Stillständen“, die vom Gerichtshof des Pi-
latus bis hin zur Kreuzaufrichtung in Golgatha bzw. zur Grablegung reichen und an de-
nen die Gläubigen in stiller Andacht verweilen. Schon seit der Zeit der Kreuzzüge hatte
man im Abendland Nachbildungen der heiligen Stätten Jerusalems hergestellt, um an
den Leidensweg des Erlösers zu erinnern. Später erhielten die Franziskaner als „Hüter
des Hl. Grabes“ von den Päpsten das Privileg, Kreuzwegstationen an Stellen zu errich-
ten, wo man päpstlich bewilligte Ablässe erhalten konnte.
Zu den Kreuzwegstationen, die seit dem Ende des 16.Jh. erstmals in einer Schriftquelle
genannt werden und bis in die heutige Zeit Gültigkeit haben, zählen:
1. Verurteilung durch Pilatus, 2. Kreuzauflegung, 3. Erster Fall, 4. Beweinung mit der
Mutter, 5. Hilfe Simons, 6. Veronika, 7. Zweiter Fall an der Gerichtspforte, 8. Weinende
Frauen, 9. Dritter Fall am Fuße des Berges, 10. Entkleidung, 11. Kreuzannagelung, 12.
Kreuzaufrichtung.

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