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Lufen, Peter Ferdinand [Bearb.]
Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland: Baudenkmale in Niedersachsen (Band 5,3): Landkreis Göttingen, Teil 2: Altkreis Duderstadt mit den Gemeinden Friedland und Gleichen und den Samtgemeinden Gieboldehausen und Radolfshausen — Hameln: Verlag CW Niemeyer, 1997

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https://doi.org/10.11588/diglit.44173#0093
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Ansicht von Duderstadt, um 1640, Stich nach Merian (Ausschnitt), Blick von Südwesten

DUDERSTADT

Geschichtliche Entwicklung
Am Ostrand des Landkreises Göttingen, nahe
des zur ehemaligen DDR gehörenden Kreises
Worbis, liegt eingebettet in einer malerischen
beckenförmigen Talerweiterung die Stadt Du-
derstadt, der Mittelpunkt des nordwestlichen
Eichsfeldes, des Untereichsfeldes. Das Stadt-
gebiet umfaßt heute etwa 95,5 Quadratkilome-
ter; die Zahl der Einwohner beträgt etwa
24.000 (mit Stadtteilen).
Nahezu ringförmig umgeben wird die städtische
Siedlungsfläche durch den Sulberg im Norden,
den Stadtberg im Osten, den Siebigberg im
Südosten, den Pferdeberg im Süden und den
Euzenberg im Südwesten, die allmählich zur
Talaue abfallen.
Mit seiner unverwechselbaren geschlossenen
Wallanlage, seinem breiten, nur durch die „Vor-
städte“ durchteilten Grüngürtel, seinen auch
baugeschichtlich bemerkenswerten Soiitärbau-
ten und seiner seit fünf Jahrhunderten gewach-
senen kleinteiligen Bürgerhausarchitektur hat
sich das einheitliche Bild des Altstadtkerns trotz
zahlreicher Eingriffe im wesentlichen bis heute
bewahrt und zählt mit Recht zu den eindrucks-
vollsten historischen Stadtanlagen Niedersach-
sens.
Ins Licht der Geschichte tritt „tutersteti“ erstmals
in einer Schenkungsurkunde des Jahres 927, in
der König Heinrich I. seiner Gemahlin Mathilde
sein Eigengut zu Quedlinburg, Pöhlde, Nord-
hausen, Duderstadt und die Pfalz Grone zur
späteren Witwenversorgung zuwies. 929 wurde
diese nur kopial erhaltene Urkunde noch einmal
bestätigt. In der Schriftquelle wird Duderstadt
als „curtis“ bezeichnet. Offenbar entstand die-
ser königliche Hof im westlichen Teil der heuti-
gen Stadt in unmittelbarer Nähe der heutigen
Unterkirche St. Servatius auf einem flach abfal-
lenden Geländerücken. Darauf deutet die Exi-
stenz des späteren Herzogshofs in diesem Be-
reich und das Patrozinium der Servatiuskirche
hin.

Nach dem Tod Heinrichs I. gelangte die Witwe
in den Besitz, der nach ihrem Tod an ihren
Sohn Otto zurückfiel. Im Jahre 974 beschenkte
dessen Sohn Otto II. seine Schwester Mathilde,
die Äbtissin des St. Servatiusstiftes Quedlin-
burg, mit Duderstadt und allem Zubehör. Aus
der Wahl des Kirchenpatroziniums Servatius für
die Kapelle des einstigen Königshofes, dem
Vorgängerbau der heutigen Unterkirche, ist ge-
schlossen worden, daß hier der alte Sitz des
Königshofes lag. In der Folgezeit, bis ins Jahr
1236, blieb Duderstadt in quedlinburgischem
Besitz, den die Grafen von Regenstein als
Quedlinburger Vögte durch Untervögte aus
dem lokalen Adel verwalteten.
Wie archäologische Untersuchungen im Pfarr-
garten an der Stadtmauer ergeben haben, ent-
stand im 9./10.Jh. neben diesem herrschaftli-
chen Zentrum im östlichen Teil des heutigen
Altstadtkerns im Bereich der Oberkirche St. Cy-
riakus eine Siedlung der Kaufleute und Hand-
werker. Aus diesen beiden eigenständigen
Siedlungskernen entwickelte sich in der Folge-
zeit die Stadt Duderstadt. Urkundlich gesichert
ist seit 1241 die Herausbildung städtischer Or-
gane wie Schultheiß und Ratsmannen. Noch
1236 in den Schriftquellen als „villa“ bezeichnet,
dürfte im Jahre 1247 das Gefüge der beiden
Siedlungskerne so eng gewesen sein, „daß wir
von einer städtischen Gemeinde wohl sprechen
können“, denn im gleichen Jahr wurde der
Siedlung Duderstadt in einem Privileg Herzog
Ottos des Kindes u.a. zugestanden, sich das
Recht „de una civitatum“ der Lande Braun-
schweig zu wählen (H. Sauerteig). Urkundlich
gesichert ist die civitas Duderstadt erstmals
1257. Einhergehend mit der Erteilung der
Stadtrechte setzte gegen Mitte des 13.Jh. der
Bau der Stadtmauer mit Toranlagen und Tür-
men ein. Folgenreich für die weitere Entwick-
lung Duderstadts war die verkehrsgeogra-
phisch bevorzugte Lage. So stellte die Stadt ei-
nen wichtigen Verkehrsknotenpunkt dar, von
dem aus in verschiedenen Richtungen Fernver-
bindungen verliefen. Dieses Netz an Altstadt-
straßen hat sich im Laufe des 13./14.Jh. her-
ausgebildet und büßte seit dem ausgehenden
18.Jh. durch die Verlagerung des Nord-Süd-
Fernhandelsweges ins Leinetal seine ursprüngli-
che Bedeutung ein.

Bereits 1236 verkaufte die Äbtissin von Qued-
linburg ihren Duderstädter Besitz an die Land-
grafen von Thüringen. Mit dem Aussterben der
ludowingischen Linie fiel das Pfandobjekt 1247
an das Stift Quedlinburg zurück, das es erneut
an den Herzog Otto von Braunschweig und Lü-
neburg („das Kind“) verlehnte. Durch Erbteilun-
gen im welfingischen Haus kam Duderstadt an
die grubenhagensche Linie.
Obgleich die welfischen Herzöge die Entwick-
lung der Stadt in erheblichem Maße förderten,
verpfändeten sie ihren Besitz (dazu auch Gie-
boldehausen) zwischen 1334 und 1366 schritt-
weise an den Erzbischof von Mainz, der sein
Territorium um Heiligenstadt planvoll ausbaute
und nach Norden ausdehnte. Damit begann für
Duderstadt die kurmainzische Zeit, die 1802
enden sollte.
Wie die Schoßlisten des Jahres 1397 belegen,
war die städtische Siedlungsfläche intra muros
in Viertel aufgegliedert: Pfarrviertel, Sackviertel,
Stubenviertel und Kleines Viertel - zugleich war
die Entwicklung der vor den Toren der Stadt -
ante civitatem - gelegenen „Vorstädte“ Wester-
tor, Steintor und Obertor zum ausgehenden
14.Jh. abgeschlossen. Die Bewohner der drei
„Vorstädte“, die nach den Stadttoren Obertor
(im Osten), Steintor (im Süden) und Westertor
benannt wurden, besaßen nicht das volle Bür-
gerrecht. Sie hießen „medewoner“ und taten im
bewaffneten Aufgebot als „blote lüde“ ohne
Harnisch Dienst und wurden von den Vollbür-
gern in die Mitte genommen.
Die verheerende Feuersbrunst im Jahre 1424,
die fast den gesamten nördlichen Teil der Stadt
- zwischen Obertor und Westertor - zerstörte,
ist offenbar zum Anlaß genommen worden, eine
Erweiterung des Siedlungsraumes nach Norden
durchzuführen. Hier sollte die „Nuwestat“ (Be-
nebenstadt), auch Nygenstad genannt, entste-
hen. Einhergehend mit der nördlichen Stadter-
weiterung erfolgten der Bau des inneren Neu-
tors und der Brücke vor der Jüdenstraße, die
einen direkten Zugang zum Altstadtkern ermög-
lichten. Im Gegensatz zu den drei anderen „Vor-
städten“ gewährte man den Bewohnern der
Benebenstadt von Anfang an das volle Bürger-

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