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Lufen, Peter Ferdinand [Bearb.]
Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland: Baudenkmale in Niedersachsen (Band 5,3): Landkreis Göttingen, Teil 2: Altkreis Duderstadt mit den Gemeinden Friedland und Gleichen und den Samtgemeinden Gieboldehausen und Radolfshausen — Hameln: Verlag CW Niemeyer, 1997

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https://doi.org/10.11588/diglit.44173#0216
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Friedland, Friedland Im Landt Göttingen, Merian-Stich von 1654


die Göttinger Landwehrlinie eingebundene
Wehranlage hatte die Funktion einer Warte.
Die Gesamtanlage bestand aus einer weiträu-
migen Burg mit rechteckigem Bergfried und
runden Ecktürmen, an die sich die im wesentli-
chen Wirtschaftszwecken dienende Vorburg im
Westen anschloß, die durch Mauer und Graben
befestigt war. Hauptaufgabe der exponiert gele-
genen Burg an der Ostseite des steil zur Leine-
niederung abfallenden Hagen war der Schutz
des Passes bei Friedland.
Erwähnt werden in den Jahren 1526 und 1555
als Teile der Burg die Vorburg mit dem „alten
Steinwerk“ und das niederste Pforthaus. Der
Merian-Stich von 1654 zeigt die Ruine der 1623
erheblich zerstörten Burganlage, ihre topogra-
phische Einbindung und ihren Einfluß auf die
Siedlungsfläche im 17.Jh. Überragt und be-
stimmt wird die Burgruine durch einen hohen
bergfriedartigen Rechteckturm, den Giebel ei-
nes stattlichen Hauses und eine umschließende
wehrhafte Mauer mit Bollwerken. Im Jahre
1743 wurde die Burgruine zum großen Teil ab-
gerissen und das gewonnene Steinmaterial zur
Errichtung des Amtshauses unter dem Burg-
berg und zum Bau der Amtsmühle im Dorf ver-
wendet, die 1749 fertiggestellt war. Von der ein-
stigen Burgstätte wurden am Osthang Gräben
und Reste der Burg freigelegt.
Das Verhältnis Burganlage und Amtshof veran-
schaulicht auch der Lageplan von 1739: Kar-
tiert sind u.a. die Dienstwohnung des Amtman-
nes, Molkenhaus, Pferdestall, Lange Scheune,
Zehntscheune, Schweine- und Schafstall,
Backhaus mit Wohnungen für Deputatisten.
Die Burg bildete wohl die Keimzelle Friedlands,
in deren Einflußbereich Burgmannen siedelten
und die bäuerliche Siedlung entstand. Während
die Burgmannen, die seit dem 14.Jh. in Fried-
land nachweisbar sind, den Schutz der Burg
suchten, dehnte sich der Kern der Siedlung als
Reihe entlang der Weghausstraße von der
Bäckergasse bis zum Kirchplatz aus.
Die Kopfsteuerbeschreibung von 1689 nennt
für Friedland einen Vollmeier und 22 Köther, al-

so 23 Reihestellen (im frühen 18.Jh. wurden 32
genannt). Da die Reihe in den ersten Jahrzehn-
ten des 18.Jh. geschlossen war, konnten die
später errichteten Bauten nur noch Brinksitzer-
bzw. Anbauerstellen werden. Nur die Inhaber
der Reihestellen bildeten die Gemeindever-
sammlung, die einst auf dem von Linden um-
säumten Tie tagten, der 1866 leider dem Eisen-
bahnbau weichen mußte. Als gemeinschaftli-
ches Eigentum (die sogenannten Gemeinheiten)
der Reiheberechtigten dienten die Weideflächen
in der Feldmark.
Noch in der 1. Hälfte des 19.Jh. waren zwei
Wohnhäuser mit Stroh eingedeckt und die Rei-
hehäuser Leinestraße 6 und Witzenhäuser
Straße 2 (von 1869 und 1872) besaßen, wie H.
Schröder in seiner Friedländer Ortsgeschichte
herausstellte, noch offene Feuerstellen. Der Ge-
meindebackofen befand sich einst auf dem
Grundstück des Hirtenhauses neben der
Küche.
Einschneidende, nachhaltige Veränderungen
des Ortsgrundrisses bewirkte der Eisenbahn-
bau, der zur teilweisen Verlegung des Mühlen-
grabens führte. Nachdem bereits 1854 die
Stadt Göttingen ans Bahnnetz angeschlossen
war, erfolgte der Weiterbau über Friedland nach
Arenshausen erst 1866. Jedoch wurde 1883
die eingleisige Strecke Friedland-Arenshausen
wieder stillgelegt, nachdem 1876 die Strecke
Göttingen-Bebra fertiggestellt war.
Um 1870 erfolgte auch die „Erbreiterung und
Erhöhung“ der Chaussee Göttingen-Witzen-
hausen, die heutige B 27, und der Bau der ein-
drucksvollen Sandsteinbogenbrücke am östli-
chen Ortsausgang; einige Jahre später wurde
über den Mühlengraben eine gleichartige
Brücke errichtet. Zur Veränderung des Ortsbil-
des trugen ferner auch die Ziegelei (ab 1900)
und das Sägewerk bei. Wie die Flurverfassung
von 1875 nach der Verkoppelung deutlich zeigt,
nimmt der ältere bäuerliche Siedlungskern im
Verhältnis zur Bebauung nach dem Zweiten
Weltkrieg eine nur verhältnismäßig geringe
Grundfläche ein. In der erweiterten Gemar-
kungskarte sind von H. Schröder die Areale
„Flüchtlingslager“ ab 1945, „Westlager“, „Ge-

dächtnissiedlung“ ab 1951, „Siedlung Schul-
straße“ ab 1948, „Landarbeitersiedlung“
1954/55 und die nur teilweise bebaute Siedlung
„Auf dem Hagen“ kartiert.
Weithin bekannt wurde Friedland seit dem Ende
des Zweiten Weltkrieges durch das Grenz-
durchgangslager. Aufgrund seiner Nähe zum
Grenzübergang in Besenhausen, seiner ver-
kehrsgeographisch günstigen Anbindung und
seines Bahnanschlusses bot sich der Standort
eines Grenzdurchgangslagers in Friedland an.
Zudem konnte man rasch auf die in Bahnhofs-
nähe gelegenen Gebäude und die Flächen ei-
nes Versuchsgutes zurückgreifen. Seit Mitte
1945 überquerten täglich mehrere Tausend
Menschen die Grenze des Übergangs Besen-
hausen. Neben den Ställen des Versuchsgutes
wurden Zelte und später 19 „Nissenhütten“ auf-
gestellt. Die Notunterkünfte reichten indes nicht
aus, so daß man zunächst auf andere Orte aus-
weichen mußte. Seit Oktober 1945 begann
man aufgrund der Überschwemmungsgefahr
mit dem Aufbau des Lagers an seinem heuti-
gen Standort „Auf dem hohen Ufer“. Wieder
wurden Nissenhütten errichtet, die man später
durch Holzbaracken ersetzte. Eine der letzten
Nissenhütten war der sogenannte „Vatikan“, die
Unterkunft des katholischen Lagerpfarrers.
Kirche (Am alten Schulplatz 5)
Am südöstlichen Rand Friedlands, von der
platzartig sich weitenden Straße Am alten
Schulplatz leicht zurückgesetzt, entstand die
schlichte, in Bruchstein errichtete, dreiachsige
Saalkirche des ausgehenden 18.Jh., die, nach
Mithoff, „1781 völlig restauriert wurde und noch
ältere Theile“ birgt. Bekrönt wird ihr Satteldach
von einem verschieferten Giebelreiter. Zur Fas-
sadengliederung tragen die in Werkstein gear-
beiteten Eckverzahnungen sowie Fenster- und
Portalrahmungen bei.
Amtshof (Schloßstraße 11)
Der Merian-Stich von 1654 und der später ge-
fertigte Plan des Landbaumeisters Otto Hein-
rich von Bonn zeigen die als überwiegend

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