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Lufen, Peter Ferdinand [Bearb.]
Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland: Baudenkmale in Niedersachsen (Band 5,3): Landkreis Göttingen, Teil 2: Altkreis Duderstadt mit den Gemeinden Friedland und Gleichen und den Samtgemeinden Gieboldehausen und Radolfshausen — Hameln: Verlag CW Niemeyer, 1997

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https://doi.org/10.11588/diglit.44173#0314
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und Landgericht, frühmittelalterliche Fluchtburg,
spätmittelalterliche Niederungsburg) erhalten.
Curtis und Landgericht
In der Königsurkunde Heinrichs II. von 1013
wird der als Curtis bezeichnete Hof samt allem
Zubehör erstmals urkundlich erwähnt. Die Cur-
tis als Haupthof eines adligen Grundherrn war
gleichwohl politischer, militärischer und juristi-
scher Mittelpunkt der Siedlungslandschaft. Rei-
ches Oberflächenfundmaterial und Grabungen
erbrachten Aufschluß über die Lage des fest
umrissenen Herrenhofes. Besetzt wurde auf ei-
ner Fläche von etwa 200 mal 150 Meter das
äußere Nordostende der Insel, unmittelbar am
Ausflußtrichter der Aue. Nachgewiesen wurden
ebenerdige Pfostenbauten und Grubenhäuser
sowie eine Steinbrunnenanlage des 10. bis
frühen 12.Jh. Ferner deuten Fundmaterialien,
besonders Keramik, auf Handelsbeziehungen
offenbar zum nordhessischen und thüringi-
schen Raum hin.
Nach der Auflösung der Curtis noch vor der
Mitte des 12.Jh. bestand die juristische zentrale
Funktion in Gestalt des regional zuständigen
Landgerichts von Bernshausen bis ins 16.Jh.
fort. Der Flurname „Lindenhof“ sowie schwach
erhaltene Einhegungsreste (Erdwall mit Gra-
ben), die dem Verlauf alter Grundstücksgrenzen
folgen, markieren auch den urkundlich überlie-
ferten Landgerichtsplatz.

Frühmittelalterliche Fluchtburg
Etwa 300 Meter von der immedingischen Curtis
entfernt, am äußeren Südwestende der ehema-
ligen Insel, konnten im Rahmen der 1980 be-
gonnenen Grabungskampagne Reste einer bis
ins frühe Mittelalter zurückreichenden, später
überbauten Befestigungsanlage von kastellarti-
gem Zuschnitt freigelegt werden, die bislang
unbekannt war. Die unmittelbar am ehemaligen
Seeufer gelegene frühmittelalterliche Burganla-
ge ist von erheblicher burgenarchäologischer
und regionalhistorischer Tragweite. Die erste
Burganlage, die mindestens ins 7.Jh. zu datie-
ren ist, bestand aus einer etwa vier Meter brei-
ten Holz-Erde-Mauer mit einem vorgelagerten
Graben. Es handelte sich offenbar um eine
rechteckige Anlage mit abgerundeten Ecken,
erschlossen durch ein mittiges Zangentor auf
der südöstlichen Längsflanke. Im frühen 10.Jh.
wurde die Anlage geschliffen und eingeebnet.
Offenbar in Zusammenhang mit der allgemei-
nen Burgenbauverordnung Heinrichs I. gegen
die Ungarnbedrohung erfolgte der Neubau ei-
ner massiven Mauerburg, die etwa dem Grund-
rißverlauf der Vorgängeranlage folgte. Eine
mächtige, turmartige Bastion sicherte die
Ostecke der rund 110 mal 70 Meter großen
symmetrischen Anlage, die in enger Beziehung
zur nahe gelegenen Curtis stand. Da eine In-
nenbebauung und -besiedlung nicht nachge-
wiesen werden konnte, muß die Anlage wohl

als Fluchtburg angesehen werden, die mit der
Auflösung der Curtis etwa Mitte des 12.Jh. ihre
Funktion verlor.
Spätmittelalterliche Niederungsburg (Motte)
Am Nordrand der ehemaligen Insel, an der Ein-
mündung der Aue in den Seeburger See, befin-
det sich als auffälligstes Geländedenkmal ein
künstlich aufgeschütteter Burghügel. Die ur-
sprünglich unmittelbar am Seeufer gelegene
Niederungsburg (Motte) hat einen Durchmesser
von rund 50 Metern und noch eine Höhe von
etwa vier Metern. Sie war wohl der befestigte
Adelssitz der seit 1230 nachweisbaren Herren
von Bernshausen.
Neben der Kernmotte wurde im 1. Drittel des
13.Jh. ein erster großer Burghügel aufgewor-
fen, auf dessen Kuppenplattform ein turmarti-
ger Fachwerkbau mit achteckigem Grundriß
nachgewiesen werden konnte.
Weitere Aufschüttungen des Hügels um 1300
und Mitte des 14.Jh. schufen Raum für zusätzli-
che Fachwerkbebauung. Der befestigte ländli-
che Adelssitz entwickelte sich zu einer kleinen
Wasserburg. Um etwa 1400 begann die Verlan-
dung des Wassergrabens und auch der flachen
Grabensenke, die bislang die Insel vom Fest-
land trennte. Sie führte zu einer Verlagerung der
Besiedlung auf die Nordseite der Aue, von der

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