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Kämmerer, Christian [Hrsg.]; Lufen, Peter Ferdinand [Hrsg.]
Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland: Baudenkmale in Niedersachsen (Band 7,1): Landkreis Northeim: Südlicher Teil mit den Städten Hardegsen, Moringen, Northeim und Uslar, den Flecken Bodenfelde und Nörten-Hardenberg, der Gemeinde Katlenburg-Lindau und dem Gemeindefreien Gebiet Solling — Braunschweig, 2002

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https://doi.org/10.11588/diglit.44420#0048
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Vor allem der deutlich vom Wohnteil getrennte, durch Ausdehnung, Aufgliederung und
Funktion einem steten Wandel unterworfene Wirtschaftsteil zeigt in seiner Entwicklung
höchst unterschiedliche Raumfigurationen. Insbesondere bei größeren Hofanlagen
wurde, um mehr Wohnraum zu schaffen, der Wirtschaftsteil häufig in Kammern umge-
wandelt. Gleichwohl führte die Schaffung von mehr Wohn- und Wirtschaftsraum auch
zur Trennung in einzelne, eigenständige Gebäude. Dieser Prozess vollzog sich, wie der
Althausbestand zeigt, nicht immer stringent.
Gemeinsames charakteristisches Merkmal des doppelstöckigen, stockwerkweise
abgezimmerten, häufig giebelständig zur Straße ausgerichteten zweiraumtiefen Hauses
ist neben der räumlichen Querteilung die Erschließung des Baukörpers auf der zum Hof
hin ausgerichteten Traufenseite. Im Allgemeinen durchzieht eine in Firstrichtung ver-
laufende Längswand Wohn- und Stallteil. Zwischenwände quer zur Traufen- und
Firstlinie lassen kleinteilige Raumzellen entstehen, die nach Bedarf zwei bis vier Fache
umfassen. Die ganze Breite der zur Straße ausgerichteten Giebelseite des häufig teilun-
terkellerten Hauses wird von Kammer und Stube eingenommen, von jeweils zumeist
zwei bis drei Fach. Der Wohnteil ist möglichst zur Straße und/oder Hofseite ausgerichtet,
um von der Stube, dem wichtigsten Wohn- und Aufenthaltsort im Hause, Straße und
Hofplatz überblicken zu können.
Die Schmuckformen der Bauten konzentrieren sich nahezu ausschließlich auf die
exponierten Straßen- und/oder Hofseiten des Wohnteils und beschränken sich im
Wesentlichen auf die Gebälk- und Brüstungszone des Oberstocks; nur vereinzelt sind
Eckständer und Portaleinfassungen einbezogen worden. Fassadenprägend, insbeson-
dere am älteren Baubestand, ist die stark ausladende schattenbildende Gebälkzone, die
in der Folgezeit jedoch mehr und mehr reduziert wird, bis sie um 1800 häufig nur noch
als zusammengefasste dezente Profilfolge am Außenbau erscheint, in der auch die
Balkenköpfe nicht mehr aus der Ebene der Füllhölzer hervortreten.
Mitte des 17.Jh. tritt der markante Zahnschnittfries auf der Gebälkzone auf (Nörten-
Hardenberg), eingefasst von schlichter geometrischer Linienverzierung, die als fort-
laufende Bänder auf der Oberstockschwelle die gesamte Hauslänge überspannt. Im
Vergleich zu den städtischen Bürgerhäusern jener Zeit erfuhr diese Gebälkverzierung bei
den ländlichen Bauten eine reduzierte Ausprägung. Singulär sind im südlichen Landkreis
auch die Winkelhölzer in der Brüstungszone des Oberstocks (Edesheim, Katzenstraße
5), eine hier gewählte, nicht profilierte, schlichte Zierform, die als friesartiges Band die
Brüstungszone des Oberstocks akzentuiert.
Insgesamt gesehen sind die ländlichen Bauten des südlichen Northeimer Kreisgebiets
durch einen strengen, ja nüchternen Aufbau geprägt, unter Einbeziehung sparsam ver-
wendeter konstruktiv-gestalterischer Zierform. Auffallend ist der Mangel an
Bauinschriften und inschriftlichen Datierungen. Häufig wird die strenge Tektonik der
Bauten aufgelockert durch kurze Fußstreben, Kopfbänder und Andreaskreuze oberhalb
der Gebälkzone, die sich in die Fachwerkrasterung einbinden. Neben den langen, später
nahezu wandhohen Eckverstrebungen erscheinen im Bearbeitungsgebiet vermehrt K-
Streben an den Eck- und Bundständern, die in mannigfaltigen Abwandlungen vorkom-
men. Steil stehend oder breit gelagert, mit geraden oder gekrümmten Hölzern, sachlich
schlicht oder durch eckausfüllende kurze Kopfbänder bereichert wird diese markante
Fachwerkfigur als konstruktiv-gestalterische Fassadengliederung genutzt.
Wenden wir uns nun dem westlichen Bereich des Altkreises zu, wo bis etwa zur Mitte
des 18.Jh. das ältere Bauernhaus ein zweigeschossiges Längs- oder Querdielenhaus
war, das im gesamten Uslarer Becken und in der Wesergemeinde Bodenfelde verbrei-
tet war und in einzelnen Fällen auch noch bis in den Anfang des 19.Jh. vorkam. Noch
heute findet sich hier, namentlich in den beiden Weserorten Bodenfelde und Wahmbeck,
aber auch in den westlich gelegenen Dörfern des Uslarer Beckens vor allem im oberen
Ahletal eine nicht geringe Zahl von Beispielen für diese Hausformen, wenn auch häufig
unter den Umbauten und Veränderungen jüngerer Zeit ihre ursprüngliche charakteristi-
sche Gestalt und Raumorganisation nicht mehr oder kaum noch zu erkennen ist. Das
Längsdielenhaus, wie es hier anzutreffen ist, ist das des Oberwesertyps bzw. von
diesem abgeleitet: ein zweigeschossiges Vierständer-Hallenhaus, dessen Durchgangs-
diele ursprünglich auf der einen Seite die Wohnräume mit Stube, Küche und Kammer,
im gegenüberliegenden Schiff die Wirtschaftsräume begleiteten. Geschossweise und
stockwerkweise abgezimmerte Häuser kommen nebeneinander vor, doch ist das ältere
Haus in der Regel ein Geschossbau (Wahmbeck, Weserstraße 3 von 1635;
Schönhagen, Amelither Straße 33 von 1688; Amelither Straße 41 von 1608. Dagegen

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