Der Einsiedl an der Brettfall.
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Hute verloren hatte, — aber dennoch hing er dies Siegeszei-
chen demüthig am Altargitter auf und in ernsthaftem Tone
sagte er laut zu sich selbst:
„Sebastian, — laß dich nicht irre machen. Dies Zwischen-
spiel ist kein Wink des Himmels. Du wirst doch kein Hag-
mair und Nobler werden wollen? Da bleibst du noch viel
g'scheidter der Einsiedl an der Brettfall."
Eine zweite Prüfung, viel ernsteren Gesichtes, ließ nicht
lange auf sich warten. An die bayerische Aufklärung hatte
kein Mensch mehr gedacht, da sie schon vor ein paar Jahren
im Lande anbefohlen worden, und dennoch nicht recht bemerk-
lich werden wollte. Unfern Waldbruder oben ließ sie auch
ganz unbelästiget in seiner Finsterniß, bis mit einemmale ein
neues Licht in der Gcrichtskanzlet aufgtng und einen scharfen
Strahl auch zu ihm hinaufschoß. Sebastian ward amtlich be-
deutet, daß er seine halbgeistliche Natur abzustreifen und als
gewöhnlicher Mensch zu den andern zurückzukehren habe. Weil er
die Mahnung des GcrichtSboten nach Vorschrift seines Lehr-
herrn, gleichmüthig überhörte, führte man ihn zum Amte und
überließ ihn den Freuden der Einsamkeit bei Wasser und Brod
im Vagantcnloche. Wastl dachte an die lohnenden Früchte des
Martyriums und blieb standhaft, Kaum entlassen, lief er stracks
nach seiner Klause und einsiedelte desto eifriger; hinter ihm her
kam die gereizte Aufklärung und holte ihn wieder herab in'S
Wafferloch. Schon ging die Rede von frischen Haselnußstäben,
womit seine Kutte gestäubt werden sollte, ehe er sie auszuziehen
Zeit fand, jedenfalls sollte er seine Bußkammer nur verlassen
als Weltkind in sündhaften Beinkleidern; da bewahrte ihn
jener Zufall vor solcher Schmach, den ebenfalls Bruder Feli-
zian vorhergesagt hatte.
„Der Stiel war umgekehri worden," wie er sich auSgedrückt
hatte, — die ganze neue Herren-Welt wurde von den Bauern
umgestülpt und zum Land hinausgeblasen, bei welcher Gelegen-
heit auch daS Meteor im Fügener - Amtshaus erlosch und die
Riegel an des Einsiedels Keuchenthüre wichen. Seine Befreier
aber gehörten jenen Gesellen an, die einst Verse aus ihn ge-
dichtet und seine hosenlose Weltfeindlichkett nie begriffen hatten.
„Mensch," — sagten sie zu ihm," — in jetziger Zeit kann man
solche Staudenhocker nicht brauchen." Zieh du dir ein ordent-
liches Plödergsaß*) an und eine Juppe, nimm' eine Büchs in
die Hand und hilf uns den Feind verjagen, — du hast gerade
die rechte Größe dazu!"
Eine zweite Zumuthung der Kutte Lebewohl zu sagen, —
und viel schwieriger abzulchnen als jene des Herrn Landrichters,
— denn der Antrag wurde von vier und zwanzig Fäusten un-
terstützt ! Er besann sich eine Weile. „Beim Sikra — dachte
er — sic glauben zuletzt, du hast keine Schneid' ?" Und „Bu-
ben" — jauchzte er — „ich zieh mit auS, — ich will nur onnerst
meine Kutten zu g'halten geben!" — Wo aber war dies theure
Kleinod besser verwahrt, als bei der gottseligen Wittib am
Birnbaumerhof und bei ihrem englischen Burgal?
Etliche Monate lang war der Einsiegl mit den Schützen
*) Pluderhose — ein Stück der alten Zillcrthalertracht.
fort und soll seine Sache nicht schlecht gemacht haben. Jetzt aber
war wieder goldner Frieden im Land und der Sandwirth regierte
in Innsbruck nach altem Ttrolerbrauch, — jetzt ließ sich's auch
wieder als Klausner leben mit aller Aussicht auf bessere Zeiten.
Im Schützenrock trat er eines Tages ein bei seiner Gön-
nerin und verlangte nach seiner Kutte. Mutter und Tochter
betrachteten ihn lange sehr aufmerksam, — eS mußte ihnen
etwas auffallen oder — vielleicht gar gefallen an ihm. Das
Kitzbüchlerhütl mit den bunten Flaumen draus stund ihm nicht
schlecht zu seinem krausen, kästbraunem Haar — das hatten
ihm schon andere Weibsleute gesagt, — und der Schnauzbart
machte ihn völlig zu einem kecken ZillerthalerS - Buben. Die
Birnbaumer-Multer und etwa auch die Tochter dachten am Ende,
cs sei schade, wenn er in die Kutte zurückschlüpfe? Er aber hielt
fest an Felizians Lehre: „Laß dich nicht irren in deinem Berufe,"
und das war gewiß : „'S Soldaten d'rschteßen ist döcht kein ande-
rer Stand, den mir der Herrgott schickt statt des Einstedellebens."
So holte denn Burgal die rauhe Kutte herbei, die bei
ihrem Festgewand hatte hängen dürfen, und gab sie dem sera-
phischen Schützen, der alsbald als Waldbruder wieder oben
saß und keinen andern Kummer mehr hatte, als daß nicht alle
Tage Samstag sei, — an welchem Samstag die Frauen vom Btrn-
baumhof bei der Brettfall-Muttergottes ihre Andacht verrichteten.
Aber noch waren ihm die Heimsuchungen und Proben nicht
erlassen. Die schöne Alttirolerzeit war jählings um, — von
Neuem Krieg und darnach das fremde Regiment wie vorher.
Die Herrn brauchten Soldaten, — alle Buben mußten loosen,
der Einsiedl gehörte auch zu diesen Lösl-Buben. Ehe der Be-
fehl zur Ausführung kam, — kaum zwei Wochen früher wußte
man davon. Noch amtirte ein gutmüthiger Tiroler-Schreiber,
— der bayerische mit Soldatenbegleitung wurde erwartet. Doch
die Angst und Noth war jetzt schon groß genug.
Sebastian lies mit seinem Theil herab nach Straß zum
Birnbaumer.
„Soldat soll ich werden!" — rief er den Frauen zu, ehe
er noch ganz in der Stube war.
„Wir wiffen's — und es ist erschrecklich!"
„Freilich erschrecklich, — aber es ist kein Gnad' und Par-
don, — wcnn's mich trifft, muß ich daran glauben und eS
trifft so viel als sie wollen."
„Jesus — so ein christlicher Jüngling unter daS heidnische
Krtegsvolk!" seufzte die Wittwe.
„Und zum Krüppel geschossen werden und so ein saubrer"
— sie sprach es nicht aus, die gute Nothburg, denn schon
schossen ihr die Thränen in die Augen.
Nachdenklich saß der Schwerbedrängte, wußte keinen Rath,
sah sich das weinende Burgal an und hatte nicht übel Lust,
ihr dabet zu helfen.
„Also nicht einmal die Einsiegl sind frei vom Spielen?"
fragte die Mutter.
„Die gerade am wenigsten, weil man sie ausrotten will
Vom Erdboden," antwortete Wastel.
„Ausrotten? — Du meine liebe Frau! — So könntest du
aus keinen Fall Einsiedel bleiben?" forschte die Tochter.
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Hute verloren hatte, — aber dennoch hing er dies Siegeszei-
chen demüthig am Altargitter auf und in ernsthaftem Tone
sagte er laut zu sich selbst:
„Sebastian, — laß dich nicht irre machen. Dies Zwischen-
spiel ist kein Wink des Himmels. Du wirst doch kein Hag-
mair und Nobler werden wollen? Da bleibst du noch viel
g'scheidter der Einsiedl an der Brettfall."
Eine zweite Prüfung, viel ernsteren Gesichtes, ließ nicht
lange auf sich warten. An die bayerische Aufklärung hatte
kein Mensch mehr gedacht, da sie schon vor ein paar Jahren
im Lande anbefohlen worden, und dennoch nicht recht bemerk-
lich werden wollte. Unfern Waldbruder oben ließ sie auch
ganz unbelästiget in seiner Finsterniß, bis mit einemmale ein
neues Licht in der Gcrichtskanzlet aufgtng und einen scharfen
Strahl auch zu ihm hinaufschoß. Sebastian ward amtlich be-
deutet, daß er seine halbgeistliche Natur abzustreifen und als
gewöhnlicher Mensch zu den andern zurückzukehren habe. Weil er
die Mahnung des GcrichtSboten nach Vorschrift seines Lehr-
herrn, gleichmüthig überhörte, führte man ihn zum Amte und
überließ ihn den Freuden der Einsamkeit bei Wasser und Brod
im Vagantcnloche. Wastl dachte an die lohnenden Früchte des
Martyriums und blieb standhaft, Kaum entlassen, lief er stracks
nach seiner Klause und einsiedelte desto eifriger; hinter ihm her
kam die gereizte Aufklärung und holte ihn wieder herab in'S
Wafferloch. Schon ging die Rede von frischen Haselnußstäben,
womit seine Kutte gestäubt werden sollte, ehe er sie auszuziehen
Zeit fand, jedenfalls sollte er seine Bußkammer nur verlassen
als Weltkind in sündhaften Beinkleidern; da bewahrte ihn
jener Zufall vor solcher Schmach, den ebenfalls Bruder Feli-
zian vorhergesagt hatte.
„Der Stiel war umgekehri worden," wie er sich auSgedrückt
hatte, — die ganze neue Herren-Welt wurde von den Bauern
umgestülpt und zum Land hinausgeblasen, bei welcher Gelegen-
heit auch daS Meteor im Fügener - Amtshaus erlosch und die
Riegel an des Einsiedels Keuchenthüre wichen. Seine Befreier
aber gehörten jenen Gesellen an, die einst Verse aus ihn ge-
dichtet und seine hosenlose Weltfeindlichkett nie begriffen hatten.
„Mensch," — sagten sie zu ihm," — in jetziger Zeit kann man
solche Staudenhocker nicht brauchen." Zieh du dir ein ordent-
liches Plödergsaß*) an und eine Juppe, nimm' eine Büchs in
die Hand und hilf uns den Feind verjagen, — du hast gerade
die rechte Größe dazu!"
Eine zweite Zumuthung der Kutte Lebewohl zu sagen, —
und viel schwieriger abzulchnen als jene des Herrn Landrichters,
— denn der Antrag wurde von vier und zwanzig Fäusten un-
terstützt ! Er besann sich eine Weile. „Beim Sikra — dachte
er — sic glauben zuletzt, du hast keine Schneid' ?" Und „Bu-
ben" — jauchzte er — „ich zieh mit auS, — ich will nur onnerst
meine Kutten zu g'halten geben!" — Wo aber war dies theure
Kleinod besser verwahrt, als bei der gottseligen Wittib am
Birnbaumerhof und bei ihrem englischen Burgal?
Etliche Monate lang war der Einsiegl mit den Schützen
*) Pluderhose — ein Stück der alten Zillcrthalertracht.
fort und soll seine Sache nicht schlecht gemacht haben. Jetzt aber
war wieder goldner Frieden im Land und der Sandwirth regierte
in Innsbruck nach altem Ttrolerbrauch, — jetzt ließ sich's auch
wieder als Klausner leben mit aller Aussicht auf bessere Zeiten.
Im Schützenrock trat er eines Tages ein bei seiner Gön-
nerin und verlangte nach seiner Kutte. Mutter und Tochter
betrachteten ihn lange sehr aufmerksam, — eS mußte ihnen
etwas auffallen oder — vielleicht gar gefallen an ihm. Das
Kitzbüchlerhütl mit den bunten Flaumen draus stund ihm nicht
schlecht zu seinem krausen, kästbraunem Haar — das hatten
ihm schon andere Weibsleute gesagt, — und der Schnauzbart
machte ihn völlig zu einem kecken ZillerthalerS - Buben. Die
Birnbaumer-Multer und etwa auch die Tochter dachten am Ende,
cs sei schade, wenn er in die Kutte zurückschlüpfe? Er aber hielt
fest an Felizians Lehre: „Laß dich nicht irren in deinem Berufe,"
und das war gewiß : „'S Soldaten d'rschteßen ist döcht kein ande-
rer Stand, den mir der Herrgott schickt statt des Einstedellebens."
So holte denn Burgal die rauhe Kutte herbei, die bei
ihrem Festgewand hatte hängen dürfen, und gab sie dem sera-
phischen Schützen, der alsbald als Waldbruder wieder oben
saß und keinen andern Kummer mehr hatte, als daß nicht alle
Tage Samstag sei, — an welchem Samstag die Frauen vom Btrn-
baumhof bei der Brettfall-Muttergottes ihre Andacht verrichteten.
Aber noch waren ihm die Heimsuchungen und Proben nicht
erlassen. Die schöne Alttirolerzeit war jählings um, — von
Neuem Krieg und darnach das fremde Regiment wie vorher.
Die Herrn brauchten Soldaten, — alle Buben mußten loosen,
der Einsiedl gehörte auch zu diesen Lösl-Buben. Ehe der Be-
fehl zur Ausführung kam, — kaum zwei Wochen früher wußte
man davon. Noch amtirte ein gutmüthiger Tiroler-Schreiber,
— der bayerische mit Soldatenbegleitung wurde erwartet. Doch
die Angst und Noth war jetzt schon groß genug.
Sebastian lies mit seinem Theil herab nach Straß zum
Birnbaumer.
„Soldat soll ich werden!" — rief er den Frauen zu, ehe
er noch ganz in der Stube war.
„Wir wiffen's — und es ist erschrecklich!"
„Freilich erschrecklich, — aber es ist kein Gnad' und Par-
don, — wcnn's mich trifft, muß ich daran glauben und eS
trifft so viel als sie wollen."
„Jesus — so ein christlicher Jüngling unter daS heidnische
Krtegsvolk!" seufzte die Wittwe.
„Und zum Krüppel geschossen werden und so ein saubrer"
— sie sprach es nicht aus, die gute Nothburg, denn schon
schossen ihr die Thränen in die Augen.
Nachdenklich saß der Schwerbedrängte, wußte keinen Rath,
sah sich das weinende Burgal an und hatte nicht übel Lust,
ihr dabet zu helfen.
„Also nicht einmal die Einsiegl sind frei vom Spielen?"
fragte die Mutter.
„Die gerade am wenigsten, weil man sie ausrotten will
Vom Erdboden," antwortete Wastel.
„Ausrotten? — Du meine liebe Frau! — So könntest du
aus keinen Fall Einsiedel bleiben?" forschte die Tochter.