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Haymon und Haura.

Blut ab und bringt ihn hinauf aus ein weiches Lager. Mir
aber weist den Zwinger, damit ich den Löwen versorge."

Und so geschah es auch. Das Fräulein führte den getreuen
Arslan schmeichelnd von dem blutenden Renner weg und schloß
ihn in den Burgzwinger; den Falken hieß sie wieder seewärts
fliegen und dann ging sie über den Burghof, wo noch das
Thor offen stand und die Zugbrücke winkte, die der Burgwart
wegen seines Schreckens noch nicht aufgezogen hatte, so daß sie
ins Feld hinaussah und auf die dunkeln Bäume des Hoch-
waldes. Doch gab sie jetzt nichts mehr für ihre Freiheit, son-
dern eilte hinauf in das Gemach, wo Herr Haymon, den Leib
von Blut und Staub gereinigt, im weißen Hemde auf sein
Lager hingebrcitet war, noch immer todtenstill und bleich und
gebrochenen AugeS. Der Kaplan und der Burgvogt waren
bemüht, die Wunden zu verbinden, aber das Mädchen nahm
ihnen geschäftig das Linnen auS den Händen und bat sie, die
Psiege ihr zu lassen; sie fei in aller Arzneikunst wohl erfahren.
Von den verschiedenen Salben, die der Burgpfaff herbeibrachte,
i und mit denen er schon manchen Hieb geheilt zu haben meinte,
wählre sie verständig die besten aus und legte den Verband so
geschickt über des Ritters Schultern und Brust, daß die beiden
Gehilfen über ihre Kunstfertigkeit staunten und nicht wußten,
was sie denken sollten. Endlich hieß sie die würdigen Männer
gehen, da sie den Herrn jetzt selbst behüten werde; sie hoffe, es
sei noch Leben in ihm und wenn dies, so müsse es bald wieder
hervorbrechen. Zugleich trug sie ihnen aus, das Zelt im Walde
bewachen, die grüne Schlange nicht stören und das Buch des
weisen Meisters Averroes so schnell als möglich auf die Burg
bringen zu lassen. Die würdigen Männer gingen und beriethen
sich noch lange mit dem Hausgesinde, aber da war Niemand,
der die Geschichte erklären konnte oder sagen, was der Löwe
bedeute oder das morgenländische Fräulein oder der verwundete
Ritter.

Unterdessen saß das Mädchen oben im stillen Gemache des
Jünglings und pflegte ihn. Zum hohen Fenster sah der Mond
herein und auf dem Tische stand eine Lampe. Während diese
ihr wankendes Licht auf den Ritter warf, schien es dem Mädchen
öfter, als zucke er mit den Augen, als gingen die Lider auf,
alS fielen sie wieder ermattet zu. Sie flüsterte, sie sprach leise
seinen Namen, aber noch hörte er keinen Laut. Sie blies un-
muthig die Lampe aus, so daß der Mond mit vollem Scheine
auf das ruhige Gesicht des Todten schien. Sie wärmte seine
kalten Hände in den ihrigen, sie fühlte freudig, daß er noch
leise athmete, sie meinte, auch aus seinen Wangen weiche all-
mählig die Leichenbläffe zurück und es war ihr, als fingen
wieder, obwohl bleiche Rosen darauf zu blühen an. Wie sie
nun so auf der Spähe lag und ihr Mitleid mit dem armen,
wehrlosen Siechen immer zunahm, kam ihr der Gedanke, ob
sie nicht, weniger auS Rache, als zum Zeichen der Versöhnung,
wenigstens auf dieser Welt, ihm eben so thun sollte, als er ihr
heute in ihrem Schlafe gethan und als sie sich nun wirklich
über Herrn Haymon hinbeugte und ihren warmen Mund auf
den seinigen legte, schlug er plötzlich die Augen auf, lächelte
und sprach mit schwacher Stimme: »Gott sei Dank, liebes Fräu-

lein, daß ich Euch noch ein Mal sehe auf dieser Welt, um
Euch zu bitten, daß Ihr mir meine That verzeihet" — woraus
das Mädchen entgegnete: „Ich Hab' Euch wohl Leid und Weh
gethan, aber Gott ist groß und kann es wieder besser machen."

Sie schauten sich Beide mit sehr milden Augen an und
lächelten einander freundlich zu; doch hatte der Ritter keine
Kraft mehr weiter zu sprechen und verfiel in einen gesunden
Schlaf, welcher so lange fortdauerte, bis am andern Morgen
die Sonne auf sein Lager schien. Auch zur selben Zeit stand
wieder das Fräulein an seinem Bette, welches ihn bat, ruhig
und getrost zu sein, was er ohnedem schon war. Auf seine
Frage aber, wie sie es über das Herz bringen könne, jetzt ihm
ihre Pflege zu leisten, nachdem er sie so schwer beleidigt, sagte
sie, das sei jetzt vergessen und er möge sich mit solchen Gedanken
nicht die Genesung stören. Nach Allem, was geschehen, sei sie
ihm, da er ihre Hilfe bedürfe, doch freundlich gewogen.

So herrlich ward wohl nicht leicht ein Ritter gepflegt, als
Herr Haymon von Nullepart, da er an jenen drei Dolchwunden
darniederlag, welche ihm die Saracenin geschlagen hatte. Auch
kann man kaum behaupten, daß er dessen nicht gewahr ward,
denn als die erste Schwäche und Kraftlosigkeit vorüber war,
so erheiterte sich sein Gemüth wieder zusehends und das Heiden-
mädchen freute sich nicht selten über seine anmulhigen und
schalkhaften Reden. Freilich gab sie nicht immer gerne Ant-
worten , die er wünschte und wenn er sie zum Beispiel fragte,
ob ihre Herzen noch so weit auseinanderlägen, als Nullepart
und Damaskus, so erwiederte sie, vielleicht seien sie sich etwas
näher gekommen, aber noch liege ein tiefes Meer dazwischen.
Wenn Herr Haymon sagte, er meine nicht, daß er sie mehr
lassen könne, entgegnete sie, in dieser Zeit gedenke sie auch nicht,
von ihm zu gehen, aber ehe er wieder in den Steigbügel treten
könne, würde sie sicherlich nach Rouen ziehen, wo Dionys, der
Hausvogt, wohl schon in großer Beängstigung auf sie warte.
Von dort gedenke sie mit ihm nach Hispanien zu fahren, nach
Sevilla, wo die Verwandten ihres Vaters, hochangesehene Häuser,
sie gastlich aufnehmen würden. Sagte hieraus der Ritter: „Laßt
Euch das nicht träumen; Ihr bleibt bet mir" — so erwiederte
sie: „dankt dem lieben Gotte, daß er Euch so weit geholfen
und sinnet nicht auf neue Sünden." — Und in dieser An-
schauung hatte sie vielleicht auch recht, denn Herr Haymon, als
ein frommer, christgläubiger Rittersmann hatte immerhin einen
kleinen heimlichen Schauer vor ihrem Heidenthume und, was
man auch davon denken mag, seine Gedanken gingen dazumal
nicht so fast auf eine eheliche Gemeinschaft mit der ungläubigen
Fürstentochter, als vielmehr auf eine freilich sehr heiße Liebe,
jedoch mit ungewissem Ausgange. Dessen mochte auch das
Fräulein immer gewisser werden und daher kam eS, daß sie
mehr und mehr von ihrer Abreise sprach, je kräftiger Herr
Haymon wurde und je näher der Tag schien, wo er wieder
auf sein Roß steigen und dem Waidwerk oder andern ritter-
lichen Uebungen der damaligen Zeit würde obliegen können.

(Schluß folgt.)

S *
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