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Der Schlofserbub'.

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Wenn einer Unglück haben soll, so bricht er den Daumen
' im Reisbrei ab. Dem Schlosser - Lippel ist's ungefähr so er-
gangen, wie er am allerwenigsten daran dachte; im Gegentheil,
pudelwohl war ihm in seiner kohlenrußigen Haut. Und wes-
halb denn auch nicht? Ehre und Vortheil hatte er eben erlebt,
und jung und gesund war er von selber. Achtzehn Jahre alt,
sollte er nächstens freigesprochen werden und als Schloffergesell
auf die Wanderschaft ziehen, hinaus in die weite Gotteswelt,
das Ränzel vollgepackt, im Lederbeutel einen artigen Spar-
pfennig. Die Ehre, welche ihm widerfahren, bestand in einer
Sendung; der Meister hatte ihm das Sperrzeug mitgegeben,
um verschiedene Schlösser von verwickelter Einrichtung zu öffnen.
Die schwierige Aufgabe war glücklich gelöst. Der Kunde hatte
den gesandten und geschickten Lehrling mit einem stattlichen
’ Trinkgeld bedacht, und dazu den gnädigen Scherz in den Kauf
gegeben: Gut, daß du ehrlicher Leute Kind bist, und nicht mit
linken Dietrichen umgehst, denn dir widersteht nicht Schloß noch
Riegel! Das Lächeln über des Herrn närrischen Einfall noch
auf den Lippen, dachte Philipp des gewaltigen Ulmerkopfes,
womit gerüstet er von dannen ziehen wollte, und des schönen
Mädchenkopfes, mit welchem er eines Sonntags zum Tanze
gehen würde nach irgend einem unbekannten Dorf aus dem
unbekannten Haus seines künftigen Meisters in der ftemden
Stadt. Natürlich war die Schöne eine Meisterstochter, und
Lippel empfand herbe Zweifel, ob er sie nicht lieber gleich hei-
rathen sollte? Gescheiter wär's, erst die Wanderschaft zu vollen-
den, sprach er in seinen Gedanken: aber die Toni oder Pepi
oder wie sie heißt, ist gar so sauber, dazu das einzige Kind,
und der Schlosser ist gar ein altes Mannerl, das sich schon
auf den Auszug setzen möchte! — Zur Entscheidung konnte er
nicht gelangen. Ein Herr redete ihn an: „Sie kommen mir
eben recht mit ihrem Sperrzeug. Ich habe meine Schlüssel bei
meiner Schwester in der Vorstadt liegen lassen und bin in der
bittersten Verlegenheit um Geld. Hätten Sie vielleicht einen
Augenblick übrig?* — „Aus alle Weist, gnädiger Herr!" ant-
wortete Lippel, um so dienstfertiger, als er durch die Höflichkeit
des vornehmen Herrn sich geschmeichelt fühlte. „Sie" war er
noch nicht oft geheißen worden. Der Herr ging stracks voran
in ein großes Haus, drei Stiegen hinauf, und wies auf eine
Thür. FlugS war sie ausgemacht. Ebenso eine zweite und
dritte. Dann ging's an einen Schreibtisch. Lippel mußte lange
am Schloß probirm. „Voran, mach voran," mahnte der Herr:
„ich hab's eilig!“ — „Schon recht," antwortete der Bub' : „ich
fürchte nur, das Schloß zu verderben." — „Thut nichts, nur
zu!" rief der andre mit solcher Hast, daß Lippel Verdacht
schöpfend schier Lust fühlte, zu sagen, er müsse von daheim erst
feinere Werkzeuge holen. Doch ein Blick aus das „noble" Aus-
schn des Herrn beschwichtigte alsbald den Argwohn. — „Nehmen
Sie den deutschen Hinterschteber," hob der Herr wieder an.
Neuer Argwohn, denn solche Ausdrücke kennen gewöhnlich nur
Schlosser oder Diebe und nach einem Schlosser sah der Kunde
eben nicht aus. Der Herr merkte selber, wie verdächtig seine
Rede klang, und fügte rasch hinzu: „Ich bin beim Criminal-
amt angestellt und habe viel mit Nachschlüffeldieben zu schaffen,

darum versteh ich mich drauf." — Der Lehrling lachte und
ruck! ging das Schloß auf. Der Herr fuhr wie ein hungriger
Löw' auf die Schubladen zu, doch plötzlich stutzte er und sagte:
„Auch den Kasten dort, wenn Sie so gut sein möchten!" —
Lippel folgte und schlug sich während der neuen Arbeit den
Verdacht aus dem Kopf. Ein solcher Herr, und dazu am
hellen Mittag, was sollte dabei wohl verfängliches sein? —
„Gut ist's," rief der Kunde: „jetzt sperren Sie die Zimmerthüren
wieder ordentlich zu. Man muß vorsichtig sein in der hung-
rigen Zeit bet den vielen schlechten Leuten, die's jetzt gibt.
Die rechten Schlüssel hol' ich den Abend bei meiner Schwester,
der Gräfin Pamfy. Da, Ihr Trinkgeld." — Langsam spazierte
der Herr voran. Lippel machte, wie ihm befohlen, erst die
dritte Thüre zu, dann die zweite, ohne darauf zu achten, daß
der andre nicht bei ihm blieb. An der äußersten Pforte fand
sich der Lehrling nicht mehr allein, doch warS ein ganz andrer
Herr, der ihn anrief: „Heda, was ist denn da los?" — „Die
Thür," entgegnete Lippel: „aber grad will ich sie zusperren." —
„Ja, was war' mir denn das?" hob der frische Herr an: „was
thust du da?" — „Das wird Sie wohl wenig angehen." —
„Mich nichts angehen, du Lump?" — „Selber Lump!" —
Jetzt war die Unterhaltung aus dem Schimpfton, mithin an
eine rasche Verständigung nicht zu denken. Großes Geschrei
gab's, höllischen Lärm, Zulauf der Nachbarn, Einmischung
der Polizei, und sehr lange dauerte es, bis der arme Lippel
begriff, daß er richtig für einen Dieb die Schlösser geöffnet
hatte. Noch schwerer begriff der ehrliche Bub', daß er, vom
rechten Bewohner auf Handhafter Thal ergriffen, der Mitschuld
dringend verdächtig sein sollte. Doch auch davon drängte sich
ihm die Ueberzeugung auf. Er ward in den Thurm gelegt.

Der gnädigen Frau Gräfin Bruder war nirgends zu finden, noch
weniger das viele viele Geld, welches er aus dem Schreibtisch
geholt. Zur Vollendung des Unglückes wußte die deutsche Ge-
rechtigkeit damals noch nichts vom öffentlichen Verfahren. Ein
paar Schreiber wandelten die Untersuchung mehr mit der Feder
ab, als mit Aug' und Ohr. Die Richter, welche das Urtheil
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Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Der Schlosserbub' "
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Muttenthaler, Anton
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Schlosser
Festnahme
Polizeibeamter
Schlosserhandwerk
Naivität <Motiv>
Geselle
Karikatur
Gesellenwandern
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 13.1851, Nr. 293, S. 38
 
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