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Der ewige

Hans-Paul staunte und staunte mehr noch und forschte:
„Ja, was will er mit dem Rädle?" Käthcr aber fuhr fort:
„Das hat der Bruder ausgedüftelt, uns und die Mutter zu
trätzen und weil der Prozeß kein Ende nimmt und ihm selber
wchthut, so will er's Euch doppelt und dreifach eintränkcn und
für alle Weltstage eine Feindschaft machen zwischen Ober- und
Untcrhof. Das Hexenwerk wird er hinstellen an's Brünnle
oben und da wird es Tag und Nacht sich umdrehen und das
Waffer treiben und leiten, aber nicht weiter als bis zu unserm
Hof und dann wieder zurück, und zu Euch wird kein Schlückle
mehr herabkomme, lueg, nicht ein Spritzerle, nicht ein goziges *)
Tröpflc!«

„Da müßten wir ja verdursten, 's Vieh und die Mutter
und ich?" —

„Und denk nur, wie würv' das deine Mutter verzürnen und
verdrießen, und wie fing's Streiten erst recht von vorne an
und wie werden uns die Leut ausrichten!"

Die Zipfelmütze nahm der Jüngling vom Kopf, wischte sich
den Schweiß von der Stirne und nebenzu ein wenig die nastcn
Augen und seufzte:

„Jst's aber auch wahr — Käther, kann denn dies sein?
Kann man denn so,ein Gotts unbarmherzig grausig verhölltes
Teufelsinstrument zusammcnbästlen?"

Und sein Mädchen versicherte: „Gewiß und wahr, Hans-
Paule!— Der ewige Umgang steht schon fertig in des Bruders
Kammer und morgen früh wird er probirt und Joscph-Antoni
sagt, 's fehl' nicht ein Düpstc am I — es geh' alles wie ge-
schmiert, wenn's einmal aufgezogen ist und hört nimmer auf
zu gehen, bis die Welt zusammenfallt."

Da ward Hans-Paul verzagt und kleinlaut und meinte:
„dann wär's zum Heirathen wohl auch schon zu spät, und wenn
der liebe Himmel nicht Rath schaffe, er wisse keinen, als zu
warten, ob der ewige Umgang nicht doch ftüher müde werde."

Käther schien wenig davon zu hoffen. Sie kannte des Bru-
ders unfehlbare Geschicklichkeit. So verlegte sie sich denn ein-
fach auf's Weinen und halste und herzte dabei ihren trostbe-
dürstigten Schatz, die Schafe und Hammel aber blockten thcil-
nehmcnv bei diesem bittern Abschied für's Leben.

In beiden Höfen wurde in dieser Nacht wenig geschlafen.
Oben umstöbertc und umspähte der Wundermann noch mit
dem Lämplein in der Hand sein unvergleichliches Werk, das
endlich von ihm erfundene Perpetuum mobile, in scharfsinni-
gem Deutsch „ewiger Umgang" getauft. Die morgige Probe die-
ser Maschine erregte die Gemüther. Sie sollte zwei treue Herzen
zermalmen und einen unaufhörlichen Krieg zwischen guten Nach-
barn unterhalten.

Mit Sonnenaufgang lauerten hüben und drüben stille Be-
obachter der kommenden Dinge. Die Geschwisterte oben um das
Meisterstück Joscph-Antoni's anznstauncn, Käther, gleichsam um

*) Gozig — einzig.

Umgang.

damit gerädert zu werden,' — unten die Nachbarin vor der
unerhörten Bosheit beständig sich bekreuzend, ihr Sohn voll
unklarer Erwartungen. Der Künstler erschien vor dem Hause
und ersah sich den Platz das Werk aufzustellen, — die hübsche
Wiese, wo er ganz frei dem Getriebe von allen Seiten Zusehen
konnte. Endlich schleppte er allerlei Gestelle, Walzen, Hebel,
Räder über Räder, Rädchen über Rädchen heran und fügte
alles in ein Ganzes, so, daß es zuletzt auf vier Pfählen wie
auf Füßen dastund, ein borstiges, zähnefletschendes, schwarzes
Ungethüm, halb Holz, halb Eisen, ohne alle bekannte Gestalt,

— jedenfalls sehr wunderlicher Natur. Joseph-Antoni ging ein
Dutzcndmal im Kreise um sein Zauberstück, rieb sich die Hände,
rückte die Brillen hinauf und hinab an seiner Sperbcrnasc,
und nachdem er ihr eine doppelte Prise gewidmet hatte, schien
er entschlossen an's Werk zu gehen.

Ein Lächeln, halb stolz, halb schadenfroh, tagte langsam
auf seinem Gesichte, als er eine Art Uhrschlüssel aus der Tasche
nahm, an die Maschine steckte und endlich bedachtsam umdrehte.

— Ein paar Minuten knarrte und schnarrte es ziemlich unsicher
und zaghaft an mehreren Ecken, dünn rührten sich neue Räder,
klappten einige Hebel, — allmählig griff das Drehen und Trci«
den taktfest in einander, alle Rädlein flogen, alle Walzen rollten,
das krause und seltsame Ding rührte sich in immer zunehmen-
der Schnelligkeit. Jetzt schob es sich einige Augenblicke lang
hin und her, — das Gestelle schien nicht fest genug zu stehen
für die wachsende Kraft des Triebwerks, die Blöcke zitterten,—
Joseph-Antoni's Beine nicht minder. Mit verglasten Augen,
stauchenweis im Gesichte, hing er an seinen! Meisterstücke.

Plötzlich ein Krach, — die vordem Pfosten knickten zusam-
men, zwei große Seitenräder erreichten nun den Boden. Jetzt
packte „der cwigeUmgang" auf und zusammen! — Schneller
als ein Dampfwagen stob er dahin, — die Hinterbeine des
Schragcns nachschleifend, — bald fielen sie ab. — Und nun
erst recht auf und davon, — wie Wind und Sturm, die Wiese
hinan, immer rascher, immer unaufhaltsamer, — fort, fort,
gerade aus ohne Aufenthalt, alles brechend und nieverstürmend,
den Zaun, die Hecken und wieder weiter geradenwegs in eine
Walblücke aufwärts gegen den hohen Bcrghang, den das ras-
selnde Ungethüm hinanstürmte wie ein gehetztes Wild, — nein,
schnell wie die Kugel fliegt aus des Jägers Rohr.

Was sich da in Gedankeneile begab, betrachtete ohne eines
Gedankens fähig zu sein, der Schöpfer des entfliehenden Werkes.
Das Schreien der entsetzten Zuschauer störte ihn auf aus seiner
fast willkommenen Erstarrung. Jählings stürzte er der rollenden
Maschine nach schnellsten Laufes. Er erreicht sie nicht, — aber
immer zu läuft er durch die Waldlichtung, über die Berghalbe.
Noch sehen die Andern die beiden sich fliehenden und verfol-
genden Gestalten, — voran der ewige Umgang, hinter ihm, —
weit, immer weiter zurückbleibeud, Joseph-Antoni. Es geht
die Jagd hinan auf einen Alpcnsteig, immerzu, imnler heftiger.
Jetzt sind sie hoch, hoch oben, — kleine Punkte, — kaum mehr
erkenntlich — jetzt abwärts den Tobel, jetzt wieder zur Höhe —
eine höllische Hatze! Der Grat des Berges ist erreicht — sie
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