Ein sonderbarer Ball.
das mir die Göttin Terpsichore verliehen, nicht vergraben würde,
was einen günstigen Eindruck zu machen durchaus nicht verfehlte.
Der Balltag rückte immer näher heran, und jemehr er
heranrückte, desto lebhafter wurde es in Drusenheim. In dem
Hause meines Freundes ging es wie in den andern großen
Häusern des Städtchens zu. Ein wildes Hin- und Herlaufen,
ein Durcheinanderjagen von Waschweibern, Nähmädchen, Bügel-
mädchen , Frisirmädchen, Frauenschneidern, Putzmacherinnen,
Modehändlern und sonstigen helfenden Schutzgeistern der weib-
lichen Toillete. Daß während dieser Zeit die heiligsten Küchen-
Jnteressen sehr vernachläßigt wurden, werden die vernünftigen
Leser sich leicht denken. Versalzene Suppen, angebranntes Ge-
müse und hartes Fleisch waren die tägliche Speise jener Ball-
vorbereitungszeit; denn meine liebenswürdige Wirthin, die sonst
ein strenges Küchenregiment zu führen pflegte, war jetzt nicht
aufgelegt zu kulinarischen Angelegenheiten. Sie träumte sich
jetzt schon als Ballkönigin, und man muß gestehen, daß sie zu
solchen Träumen vollkommen berechtigt war, denn außer ihren,
bereits oben erwähnten Vergißmeinnichtaugen hatte sie ein sehr
schönes, sehr regelmäßiges und dennoch sehr ausdrucksvolles
Gesicht, einen lilienstengelartigen Wuchs und kleine niedliche
Füßchen, für welche die neuen, sehr engen Ballschuhe bereits
fertig standen. (Beiläufig sei es gesagt, daß Mathilde betheuerte,
diese Schuhe seien ihr viel zu weit.) Sie konnte also Ansprüche
auf die Ballkrone machen.
Was mich betrifft, so sagte ich der liebenswürdigen Prä-
tcndentin, daß ihr Sieg unzweifelhaft und bat mir einen Walzer,
einen Gallopp, eine Polka und einen Schottischen aus. Weniger
durfte ich nicht fordern, ohne mir zu nahe zu treten, und mehr
konnte sie nicht gewähren, ohne der Drusenheimer männlichen
Tanzwelt Stoff zur Unzufriedenheit zu geben.
Der ereignißvolle Balltag war endlich herangenaht. Wäh-
rend dieses ganzen Tages war die reizende Gattin meines :
Freundes unsichtbar für die ganze Welt. Die Ballkönigin war
abgeschlossen in ihrem Boudoir, wo sie mit drei 'weiblichen !
Ministern über die geheimsten Staatsangelegenheiten berieth.
Ich schickte ihr ein sehr schönes Sträußchen zu, suchte mich
selbst so ballfähig wie möglich zu machen, war gegen fünf Uhr
fix und fertig und harrte mit meinem Freunde Engelmann auf
seine Gattin. Endlich ging ihr Toilettenzimmer auf. Voran ■
die Köchin. sodann das Dienstmädchen, hierauf das Frisirmäd-
chen und zuletzt sie selbst. Sie war schön wie ein Engel,
majestätisch wie eine Göttin, luftig wie eine Fee, reizend wie !
eine Zauberin, anmuthig wie eine Houris, lieblich wie eine
Peri und holdselig wie eine Nymphe. Ihr Gatte wollte sie
vor Entzücken umarmen, was sie aber, aus Furcht vor der ;
Empfindlichkeit ihres Anzuges, durchaus nicht zugab ; was mich
betrifft, so wäre ich bei ihrem Anblick ihr sogleich zu Füßen I
gefallen, wenn ich nicht schwarz angezogen gewesen wäre. Daß
ich aber Lust dazu hatte, darf mir der freundliche Leser auf
mein Wort glauben. Den freundlichen Leserinnen aber will
ich nicht verschweigen, daß die Gattin meines Freundes ein
weißes Atläskleid mit kurzen Aermeln trug. (Daß dieses Kleid
etwas sehr stark ausgeschnitten war, sage ich hier den Leserinnen :
im Vertrauen und mit der Bitte, keinen weiteren Gebrauch da-
von zu machen.) Sie war e» neige frisirt und trug einen
großen Rosenkranz auf dem kleinen Köpfchen. Um die schönen
Schultern hing ihr ein von Luft gewebter Spitzenschleier, der
seinen Zweck vollkommen erfüllte; er verricth nämlich Alles, j
was er angeblich verhüllen sollte.
Nachdem wir Mathilden lange Zeit bewundert hatten, .schien
sie sich zu verwundern, daß wir sie nicht noch mehr bewunderten.
Ich suchte also so schnell wie möglich in der Encyclopüdie der
Komplimcntirkunst die artigsten Artigkeiten zusammen und ergoß
mich als Wolkenbruch der Schmeichelei über sie. Mathilde
nahm die Ueberschwemmung huldreich auf und warf ihrem Eben-
bild im Spiegel mehrere wohlgefällige Blicke zu.
Der Beginn des Balles war auf sieben Uhr festgesetzt. Da j
das mir die Göttin Terpsichore verliehen, nicht vergraben würde,
was einen günstigen Eindruck zu machen durchaus nicht verfehlte.
Der Balltag rückte immer näher heran, und jemehr er
heranrückte, desto lebhafter wurde es in Drusenheim. In dem
Hause meines Freundes ging es wie in den andern großen
Häusern des Städtchens zu. Ein wildes Hin- und Herlaufen,
ein Durcheinanderjagen von Waschweibern, Nähmädchen, Bügel-
mädchen , Frisirmädchen, Frauenschneidern, Putzmacherinnen,
Modehändlern und sonstigen helfenden Schutzgeistern der weib-
lichen Toillete. Daß während dieser Zeit die heiligsten Küchen-
Jnteressen sehr vernachläßigt wurden, werden die vernünftigen
Leser sich leicht denken. Versalzene Suppen, angebranntes Ge-
müse und hartes Fleisch waren die tägliche Speise jener Ball-
vorbereitungszeit; denn meine liebenswürdige Wirthin, die sonst
ein strenges Küchenregiment zu führen pflegte, war jetzt nicht
aufgelegt zu kulinarischen Angelegenheiten. Sie träumte sich
jetzt schon als Ballkönigin, und man muß gestehen, daß sie zu
solchen Träumen vollkommen berechtigt war, denn außer ihren,
bereits oben erwähnten Vergißmeinnichtaugen hatte sie ein sehr
schönes, sehr regelmäßiges und dennoch sehr ausdrucksvolles
Gesicht, einen lilienstengelartigen Wuchs und kleine niedliche
Füßchen, für welche die neuen, sehr engen Ballschuhe bereits
fertig standen. (Beiläufig sei es gesagt, daß Mathilde betheuerte,
diese Schuhe seien ihr viel zu weit.) Sie konnte also Ansprüche
auf die Ballkrone machen.
Was mich betrifft, so sagte ich der liebenswürdigen Prä-
tcndentin, daß ihr Sieg unzweifelhaft und bat mir einen Walzer,
einen Gallopp, eine Polka und einen Schottischen aus. Weniger
durfte ich nicht fordern, ohne mir zu nahe zu treten, und mehr
konnte sie nicht gewähren, ohne der Drusenheimer männlichen
Tanzwelt Stoff zur Unzufriedenheit zu geben.
Der ereignißvolle Balltag war endlich herangenaht. Wäh-
rend dieses ganzen Tages war die reizende Gattin meines :
Freundes unsichtbar für die ganze Welt. Die Ballkönigin war
abgeschlossen in ihrem Boudoir, wo sie mit drei 'weiblichen !
Ministern über die geheimsten Staatsangelegenheiten berieth.
Ich schickte ihr ein sehr schönes Sträußchen zu, suchte mich
selbst so ballfähig wie möglich zu machen, war gegen fünf Uhr
fix und fertig und harrte mit meinem Freunde Engelmann auf
seine Gattin. Endlich ging ihr Toilettenzimmer auf. Voran ■
die Köchin. sodann das Dienstmädchen, hierauf das Frisirmäd-
chen und zuletzt sie selbst. Sie war schön wie ein Engel,
majestätisch wie eine Göttin, luftig wie eine Fee, reizend wie !
eine Zauberin, anmuthig wie eine Houris, lieblich wie eine
Peri und holdselig wie eine Nymphe. Ihr Gatte wollte sie
vor Entzücken umarmen, was sie aber, aus Furcht vor der ;
Empfindlichkeit ihres Anzuges, durchaus nicht zugab ; was mich
betrifft, so wäre ich bei ihrem Anblick ihr sogleich zu Füßen I
gefallen, wenn ich nicht schwarz angezogen gewesen wäre. Daß
ich aber Lust dazu hatte, darf mir der freundliche Leser auf
mein Wort glauben. Den freundlichen Leserinnen aber will
ich nicht verschweigen, daß die Gattin meines Freundes ein
weißes Atläskleid mit kurzen Aermeln trug. (Daß dieses Kleid
etwas sehr stark ausgeschnitten war, sage ich hier den Leserinnen :
im Vertrauen und mit der Bitte, keinen weiteren Gebrauch da-
von zu machen.) Sie war e» neige frisirt und trug einen
großen Rosenkranz auf dem kleinen Köpfchen. Um die schönen
Schultern hing ihr ein von Luft gewebter Spitzenschleier, der
seinen Zweck vollkommen erfüllte; er verricth nämlich Alles, j
was er angeblich verhüllen sollte.
Nachdem wir Mathilden lange Zeit bewundert hatten, .schien
sie sich zu verwundern, daß wir sie nicht noch mehr bewunderten.
Ich suchte also so schnell wie möglich in der Encyclopüdie der
Komplimcntirkunst die artigsten Artigkeiten zusammen und ergoß
mich als Wolkenbruch der Schmeichelei über sie. Mathilde
nahm die Ueberschwemmung huldreich auf und warf ihrem Eben-
bild im Spiegel mehrere wohlgefällige Blicke zu.
Der Beginn des Balles war auf sieben Uhr festgesetzt. Da j
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Ein sonderbarer Ball"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 13.1851, Nr. 304, S. 122
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg