Zwei M a k a m e n.
I. Hippokrates.
Hippokrates, der berühmte Mann, — war in Athen gekommen an. —
Da liefen ihm zu alle Tintenklcxler, — Salben - Erfinder und Pillen-
drechsler — weil er hielt Vorlesungen — für die Alten und Jungen. —
Und auch modische Herrchen, geschniegelt und fein, — fanden sich als
Zuhörer ein, — langweilten sich fast zu Tode zwar — doch gingen sie
hin weil's Mode war, — liefen aber stets aus dem Saal — sobald sich
neigte der Sonne Strahl — und warteten nicht ab den wichtigen Schluß
— der doch jede Abhandlung krönen muß. —
Hippokrates ließ nachspioniren — was ihm diese Schüler so früh
thät' entführen, — woher es kam' daß alle Vornehmen — so bald den
Rückmarsch durch's Thor nähmen; — da hörte er: Ein Mädchen schön —
sei, kurz vor ihm, kommen nach Athen — das lasse sich jeden Abend
seh'n — thät' auf der Promenade spazieren geh'n; — dem liefen alle
jungen Stutzer, — seine bösen die Platte-Putzer, — nach' verliebt ohne
Maßen, — über die Plätze, über die Straßen — und schlüpften deßhalb
ihm aus der Vorlesung vor der Nasen! —
Das merkte sich der gelahrte Herr — und wühlte im langen Barte
sehr — als er wieder das nächste Mal — vor dem Auditorium im
Saal — aus seinen dicken Heften las, — sprach da, nach besten Kräften,
was — es für eine große Dummheit sei, — so gleichsam eine Eselei, —
zu vernachlässigen die göttliche Arznei- — Kunde um fade Liebelei! —
„Was ist eine Schönheit?" er zürnend schrie, — ein Knochengestell, eine
Muskclnparthie — mit Fett, Haar und Blut, draus bestehet sie! —
Dadrüber ein Röllchen, ein Tuch und ein Band, — so wird's ein schö-
nes Mädchen genannt! — So ’n Ding blüht, gleich der Blume, kurze
Zeit, — aber meine Lehr' ist für die Ewigkeit, — für die Ewigkeit ist
meine Lehr' — d'rum lauf' man aus meiner Vorlesung nicht mehr!" —
Dieser Ermahnung Folge war — daß die Stutzer sich gar nicht mehr
stellten dar. — 'Kratel war voll Verdrießlichkeit — über seiner schönen
Red' Unersprießlichkeit — und dachte: Wegen der Seltsamkeit — will
ich doch das Mädchen sehen noch heut, — denn ich weiß mir gar nicht
zu denken — wie man ihr mehr Aufmerksamkeit als mir kann schenken!
Die Schöne lebte in einem Haus, dicht — am melittischen Thor
und wegen der Aussicht — wohnte sie hoch im thurmartigen Anbau,—
der von der Zeiten Zahn grau. — Ihr Stübchen lag dem Dach von
Ziegeln nah, — das auf des Meeres Spiegeln sah — und, über der 1
Erde sechzig Schuh — dem blauen Himmel strebte zu. —
Unten steht nun der Doctor Schildwacht — als Abendröthe mild
lacht', — brummt: „Bald muß sie erscheinen, —• die mir entführt die
Meinen!" — Ich werd', mit dürren Worten, — sie vor den Jünglings-
horden, — die lüstern sie umgarnen, — als Welterfahr'ner warnen!" —
Da plötzlich naht das holde Kind, — erkennt das Doctorlein ge-
schwind — und denkt seines herrlichen Lobes der Schönheit— von dem
ihm erzählten Sechs, Acht oder Zehn heut. — „Ei", lacht sie, „da ist
ja Staffage in der Landschaft! — Der Pedant wünscht sich ehrlich meine >
Bekanntschaft; — nun, warte, Alter von Aeskulap's Verwandtschaft! —
das Knochengestelle, die Muskelnparthie — denkt schon Dich zu strafen
auf's Wo, Wann und Wie!" —
I. Hippokrates.
Hippokrates, der berühmte Mann, — war in Athen gekommen an. —
Da liefen ihm zu alle Tintenklcxler, — Salben - Erfinder und Pillen-
drechsler — weil er hielt Vorlesungen — für die Alten und Jungen. —
Und auch modische Herrchen, geschniegelt und fein, — fanden sich als
Zuhörer ein, — langweilten sich fast zu Tode zwar — doch gingen sie
hin weil's Mode war, — liefen aber stets aus dem Saal — sobald sich
neigte der Sonne Strahl — und warteten nicht ab den wichtigen Schluß
— der doch jede Abhandlung krönen muß. —
Hippokrates ließ nachspioniren — was ihm diese Schüler so früh
thät' entführen, — woher es kam' daß alle Vornehmen — so bald den
Rückmarsch durch's Thor nähmen; — da hörte er: Ein Mädchen schön —
sei, kurz vor ihm, kommen nach Athen — das lasse sich jeden Abend
seh'n — thät' auf der Promenade spazieren geh'n; — dem liefen alle
jungen Stutzer, — seine bösen die Platte-Putzer, — nach' verliebt ohne
Maßen, — über die Plätze, über die Straßen — und schlüpften deßhalb
ihm aus der Vorlesung vor der Nasen! —
Das merkte sich der gelahrte Herr — und wühlte im langen Barte
sehr — als er wieder das nächste Mal — vor dem Auditorium im
Saal — aus seinen dicken Heften las, — sprach da, nach besten Kräften,
was — es für eine große Dummheit sei, — so gleichsam eine Eselei, —
zu vernachlässigen die göttliche Arznei- — Kunde um fade Liebelei! —
„Was ist eine Schönheit?" er zürnend schrie, — ein Knochengestell, eine
Muskclnparthie — mit Fett, Haar und Blut, draus bestehet sie! —
Dadrüber ein Röllchen, ein Tuch und ein Band, — so wird's ein schö-
nes Mädchen genannt! — So ’n Ding blüht, gleich der Blume, kurze
Zeit, — aber meine Lehr' ist für die Ewigkeit, — für die Ewigkeit ist
meine Lehr' — d'rum lauf' man aus meiner Vorlesung nicht mehr!" —
Dieser Ermahnung Folge war — daß die Stutzer sich gar nicht mehr
stellten dar. — 'Kratel war voll Verdrießlichkeit — über seiner schönen
Red' Unersprießlichkeit — und dachte: Wegen der Seltsamkeit — will
ich doch das Mädchen sehen noch heut, — denn ich weiß mir gar nicht
zu denken — wie man ihr mehr Aufmerksamkeit als mir kann schenken!
Die Schöne lebte in einem Haus, dicht — am melittischen Thor
und wegen der Aussicht — wohnte sie hoch im thurmartigen Anbau,—
der von der Zeiten Zahn grau. — Ihr Stübchen lag dem Dach von
Ziegeln nah, — das auf des Meeres Spiegeln sah — und, über der 1
Erde sechzig Schuh — dem blauen Himmel strebte zu. —
Unten steht nun der Doctor Schildwacht — als Abendröthe mild
lacht', — brummt: „Bald muß sie erscheinen, —• die mir entführt die
Meinen!" — Ich werd', mit dürren Worten, — sie vor den Jünglings-
horden, — die lüstern sie umgarnen, — als Welterfahr'ner warnen!" —
Da plötzlich naht das holde Kind, — erkennt das Doctorlein ge-
schwind — und denkt seines herrlichen Lobes der Schönheit— von dem
ihm erzählten Sechs, Acht oder Zehn heut. — „Ei", lacht sie, „da ist
ja Staffage in der Landschaft! — Der Pedant wünscht sich ehrlich meine >
Bekanntschaft; — nun, warte, Alter von Aeskulap's Verwandtschaft! —
das Knochengestelle, die Muskelnparthie — denkt schon Dich zu strafen
auf's Wo, Wann und Wie!" —
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Zwei Makamen"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Thema/Bildinhalt (normiert)
Sonnenaufgang <Motiv>