Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
I

Der Friedenshäuptling.

178

! Bleichgesichter, die die Ehre gehabt hätten, von den Ochipoways
gefressen zu werden, etwas Aehnlichcs gesunden habe. Es
wurden nun verschiedene Vorschläge über die zweckmäßigste Ver-
’ Wendung dieser Naturerscheinung gemacht. Der Eine schlug
> vor, man solle es im Wigwam des Häupllingcs als Trophäe
aufhängen; ein Anderer meinte, man könnte cs zu einem Ta-
baksbeutel benützen; ein Dritter wollte abgcwartct haben, bis
i noch ein ähnliches Exemplar aufgefunden würde, worauf man
1 ein Paar Wasserstiefel daraus könnte machen lassen; ein Wei-
! lerer glaubte, man müsse das Monstrum auf die Weltindustrie-
; Ausstellung schicken u. s. f. Man hätte sich in die Paulskirche
■ versetzt glauben können, so Biele und eben so Viele weise
Vorschläge wurden gemacht, als berathendc Häupter da waren.
Owaqwakuhkakuh aber entschied, daß besagte Gurgel von
Haus aus zu einem Trinkgefäßc geschaffen sei, in daß sic ver-
möge ihrer Elastizität wohl eine Maaß Fcuerwaffer nach lan-
desüblichem Fuße halte müsse, sich somit gut zu einer Trink-
flasche auf die Jagd eignen werde, und daß Er, um allem
Streite vorzubcugen, sic zu diesem Bchufe alsbald für sich
behalten wolle. Da es ein Häuptling war, der dies sagte, so
fand man sothanen Ausspruch nicht mehr als billig — die
Gäste gruppirten sich wieder, die Trinkgefäße machten die
Runde, das Mahl begann und mit ihm die Seelenwandcrung
unserer weißen Brüder. —

Nach einer Stunde etwa war das Mahl beendigt und kein
Sterblicher mochte im Stande sein, außer blank abgenagten
Knochen noch etwas zu finden, woran sich nur eine Maus hätte
satt cffcn können. Da die Wilden bekanntlichermaßen sehr einge-
bildete Leute sind, so kennen sie auch den schönen Brauch noch
nicht, die Gäste bei Tische zum Essen zu nöthigen, daß man
blau werden möchte, und einem die Angst zu allen Poren
hcrausbricht; es folgte daraus, daß Jeder nahm, was ihm
schmeckte, und daß es Allen schmeckte, — ja wahrlich so gut,
daß Mancher nach beendigtem Mahle sehr bedenkliche Kenner-
blicke auf seinen Nachbar Nothhaut warf, als wolle er sagen,
„das hat noch nach Mehr geschmeckt." —

Solche Gelüste wurden jedoch durch die neuerdings herum-
gcrcichtcn Trinkschaalen und Pfeifen in der Geburt erstickt,
Owaqwakuhkakuh gebot Stille und erhob seine Stimme,
wie folgt:

„Häuptlinge! Ochipoways!"

„Sechsmal hat der große Geist die Lampe des Himmels er- j
löschen lassen, sechsmal hat er sie wieder gefüllt/ seit ich bei
gleich festlichem Mahle in Eurem Kreise das Calumet herum- ,
gehen ließ. Der Grund meiner langen Abwesenheit ist Euch
bekannt. — Immer mehr lichteten sich die Reihen unseres
edlen Stammes, der einst so zahlreich wie die Bäume des
' Waldes am schimmernden Michigan den Tomahawk schwang,
unter den treulosen Anfällen fremder Eindringlinge, die uns
schmählichen Tod brachten und die kostbaren Leiber unserer
Gefährten verächtlich den Würmern prcisgebcn, statt sie selbst
zu fressen. Weither kamen diese Bleichgesichter über den
großen Teich, wohl nur im Zorne und zu unserem Jammer
' erschaffen und trotz dem, daß ihre Farbe die der Feigheit ist,
mit großer Gewalt ausgerüstet, da sie den weitreichenden Don-
ner des Himmels mit sich trugen. — Sie waren nahe daran,
uns auch aus diesem letzten Zufluchtsorte zu verdrängen, aus
der geheiligten Stätte, wo die Gebeine unserer .Väter ruhen.
Da frugcn wir uns: — Was wollen diese Bleichgesichter?
Warum führen sie den Krieg der Vertilgung gegen uns, die
wir ja Nichts von ihren Waidplätzen, von ihren Jagden
wollten, die wir von den vielen schönen und neuen Sachen,
die sie in Hülle und Fülle haben, nicht einmal Etwas wußten?
Sie bringen uns Donncrröhren mit, zur Erlegung des Wildes
und des Feindes, während uns Bogen und Tomahawk früher
vollkommen nährten und schützten; sie bringen uns Feuerwasser,
das die besten Krieger zu Narren macht; sie bringen uns Koral-
len, Tabaksbüchsen, Glasperlen rc., Dinge, die schon manche
Rothhaut zu Verräthern gemacht haben, und so bringen sie
uns noch viele, viele andere Dinge, deren Namen wir früher
kaum kannten. Und wahrlich, so wie wir diese Bleichgesichter
kennen gelernt haben, ist cs gewiß nicht ihr Bestes, das sie
uns bringen. Was wollen sie dagegen von uns ? Sie wollen,
so sagen sie. die Felle der von uns erlegten Thiere und das
Gold unserer Berge — die sollen sie haben. Sie wollen aber
auch Platz in unseren Wäldern, um dieselben zu bebauen,
während sie zu Hause die prächtigsten Wigwams haben, hoch
und fest wie das Felsgebirge; während ihre Kanoös selbst
größer und prachtvoller wie ein ganzes Indianer-Dorf sind. Sie
suchen bei uns ein Glück, das sie zu Hause bequemer und
schöner haben können, und sie suchen dieses Glück, indem sie
dem armen Indianer mit Gewalt, mit Mord nehmen, was er
von Alters her besessen — ja sie sagen, sie thäten dies auf
das Geheiß ihres großen Geistes, dessen Gebot Milde und
Nächstenliebe sind. Und wir, die wir ihre Feuerröhren gerne
benützen, die wir ihr Feucrwasser nur zu gerne trinken, die
wir uns so freudig mit den schönen Sachen schmücken, die sie
uns geben: wir haben noch keinen Fuß erhoben, um diese
Dinge in Läpdern mit Gewalt zu holen, wo sie in Hülle und
Fülle sein müssen; cö ist uns noch nie eingefallen, Entdeckungs-
reisen nach den Ländern der Bleichgesichter zu machen, und zu
sagen — „Eure Länder gehören Uns, denn wir haben sie
entdeckt!"
Image description

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Der Friedenshäuptling"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Reinhardt, Carl
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Körperschmuck
Indigenes Volk <Motiv>
Gespräch <Motiv>
Karikatur
Satirische Zeitschrift
Amerika

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 13.1851, Nr. 311, S. 178
 
Annotationen