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Fliegende Blätter — 13.1851 (Nr. 289-312)

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Nr. 312
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https://doi.org/10.11588/diglit.2115#0190
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186 Zwei Makamen.

Kamen kritische Vorfallenheiten — sah man nun durch die |
Hallen schreiten — zum Alter — ego seinem Lehrer — den
i großen Wissensmehrer — Systembescheerer und Tummheitbe- !
j kehrer — Aristotelem von Stagyra — der ihni einst Unterricht
! gab auf der Lyra — im Reiten und in der Dichtkunst — und
j was seine Regenten-Pflicht sunst.

Drum ging der Stagiritte immer mit ernstem Schritte
; — und einem langen Barte, — der seine Würde wahrte. —

| Bei Hofmann und Statthalter — gar viel galt er — und
hatten sie was zu fragen — oder zu klagen — thäten sie 's
dem Philosophen sagen, — der brachte es vor Alexandrum —
und machte oft g'rad was vorher krumm — oder krumm was
vorher g'rad ~ wie's just für ihn paßte oder für den Staat.

Alexandro bald arrivirte — daß, ihres Geschlechtes Zierde,

— eine Jungfrau ihn charmirte; — d'rob thät er das Regie-
i ren — vernegligiren — und nur der Geliebten hofiren. —

Was gab's da für ein Gelärme — und Geschwärme! — Die
Hofleut' sprachen mit Wortbläh'n: — So darf 's nicht länger
fortgeh'n! — Ja, iväre sein Schatz noch ans den Geschlechtern,

— so allenfalls eine von unfern Töchtern — dann könnte
man noch zuschau'n — und Hoffnungen in Ruh' bau'n; —
aber bei ihr, hier ohne Familie und Stammbaum — ist zu
nützen seine Flamm' kaum. —

Aristoteles eilte zum Regenten, — sprechend: „Man klagt
an Ecken und Enden — daß du, verliebt bis über die Ohren,

— den Sinn für's Regieren verloren. — Landerl, nimm Dich
zusammen! — Bändige der Sinne Flammen — laß' ernste
Ucberlegung — bewältigen die Regung — und >veih' nur
Deinem Volke — Deines Trachtens Segenswolke!"

„Tu weißt ja aus der Philosophie — und aus der Psy-
chologie — ebenfalls aus der Anthropologie — und schließlich
aus der Anatomie — durch mich, Deinen treuen Alten —
was von der Liebe zu halten; — d'rum treib' nicht mit Land,
Stadt und Städtchen Scherz — und vergiß ihrer nicht um
' ein Mädchenherz; — nein, sprenge rasch diese Kette — und
trenne Dich von der Grisette!" —

. Alexander's stolzem Herzen — inachte die Ermahnung
; Schmerzen: — ,,'Totel, ich seh' daß Du recht hast — und
daß Liebelei für mich schlecht paßt! — Wart', meine Bess'rung
beflügl' ich — scheid von der Maid unverzüglich!"

Alexander, in Mitt' seines Rathes, — lenkte wieder das Ruder
j des Staates — und überließ die Schöne — verschmäh'ter Lieb'
Gestöhne — dem Aerger und der Thräne — und der Migräne.

,Ein Tag ging hin, am andern — ward's trüb in Alexan-
dern — ain dritten ward's noch trüber — der vierte ging
j vorüber — in Sehnsucht und in Krankheit — er fiel in
: mag're Schlankheit — am fünften Tag verlangte — sein
Liebchen der Erkrankte — und wie das zu ihm schwankte —

| getrübt den Blick, den reinen, — durch tageslanges Weinen,

! — erblaßt die Wangen, die vollen, — durch Sorgen und
durch Grollen — da warfen sich Herz an Herze — die Lie-
benden in ihrem Schmerze — da gab sich Kuß aus Kuß das
i Paar — die Medicin hals wunderbar — und Beide wurden
in einer Stund' — wieder gesund.

Durch freundliche Gespräche — auf herbe Schicksalsschläge

— merkt sie, daß ihr grain Alexander's Hof war — und als
Hauptfeind stellt' sich der Philosoph dar. — Zornig rief sie:
„meinen Süßen halt' er — mir entzogen! Dafür sollst Du
büßen, Natter!" — Und sie dachte noch ein ganz klein wenig,

— lacht' dann: „Morgen kömmt ein Tanz, mein König! —
Bei'm ersten Frühroth-Strahle — spaziert der Philosoph stets
hier im Saale — mit seiner Miene, der säuern; — Morgen
will ich hier auf ihn lauern; — hörst Du dann mich in die
Hände klatschen — und laut patschen, — dann tritt leise, leise
in den Saal ein — und gerächt wird Deine und meine Qual
sein!" —

Aristoteles, am andern Morgen, — kam geschritten, ernst,
in tiefen Sorgen. — Stand und ging, und stand und ging
dann wieder — stieg int Saal pathetisch auf und nieder. —
Eintrat das Mädchen da, das verschlag'ne, — von netten Füß-
chen getrag'ne, — vom leichten Regligtz umschlungen. •— Und
sie sprach mit zagender Zungen: — „Ich komm' wohl unge-
legen, — stör' Euch im Ucberlegen, — Doch wandt' ich gern
für mein Leben — auf den Dielen hier so glatt und eben. —
Der Fußboden schafft mir im Innern — stets ein gar liebes
Erinnern, — denn an mein Betterchen denk' ich — so oft die
Schritte her lenk' ich!" —

Nun, sprach Aristoteles, Kleine, — ich muß just nicht sein
ganz alleine; — willst Du mir etwas erzählen, — so soll mich
das nicht quälen! — Sprich nur von Deinem Vetter — war
das vielleicht ein Saaldielglätter? ■—

„Pfui," lachte sie, „das Kerlchen — war reich an Gold
und Perlchen, — an Gütern und Palästen — und in dem
Schloß dem Besten — war ein Saal mit glänzenden Dielen

— wie sie hier in der Sonne spielen — auf die meine Er-
innerungen zielen. — Und als ich war ein kleines Dingelchen

— und mein Vetter ein kleines Schlingelchen — trieben wir
possirlicher Spiele — viele — auf des Saales glatter Diele.

— Eins, wobei wir stets viel lachten, — war wenn wir den
Courierritt machten. — Er kroch, gleich wohldressirten Thieren

— durch den Saal auf allen Bieren — fröhlich saß ich auf
seinem Rücken, — patscht' ihm den Hals und wagt's zu
drücken — meine Ferslein in seine Weichen — hei, dann thät
er bäumen sich und steigen. — Ach, ach! der allerliebste Vet-
ter. — wär' er hier 'nen Spielkameraden an mir hätt' er! —
und hier diese glatte Diele — besser als die früh're ihm ge-
fiele. — Ach, könnt' ich noch einmal so reiten — als wie in
jenen Zeiten — wie würd' mich das beglücken! Ich mein'
ich müßt auf jedem Rücken! — Könnt' ich Dirs nur zeigen

— wie dies war so lustig, so eigen — ach lieber Totel, bitte, .
bitte, — gäbst Tu Dich her wohl zu dem Ritte?" —

»Was ich, Kind?" sprach der Philosoph — „ich, der j.
ernsteste Mann am ganzen Hof — soll zu solchen Narrethei'n j

— meinen Rücken leihn?"

„Ei Bester," spricht sie, warum denn nicht? — ein Thor
wer den Spaß nicht frisch vom Baume bricht! — Außer uns
ist jetzt noch Niemand wach, — verschwiegen ist des Saales
Dach. — Mach ich Dir auf dem Rücken zu warm, —
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