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D-nzig i

| Paris!! Napoleon auf drr Fluckt! In Danzig flattert lustig I
I dir schwarzweiße Fahne —'

AlS der Herzog hier rin wenig erschöpft innc hielt, fuhr !

' sein Adjudant fort i „Es mag so gekommen sein, Durchlaucht j
j und waS weiter folgte, — nun, ein GenSdarm mag ihn ge-
! packt, man wird über ihn geurlbeilt haben. Was ist einfacher, j
j als daß man den Ungläubigen selbst hierher schickt, damit er
| zu Glauben komme, zumal da sich eine so schickliche Gelegcn-
l heit dazu bot.'

Der Herzog ging lächelnd im Zimmer aus und nieder. !
i „Sffiit wollen dem Burschen kein Leid weiter anthun," sagte er
nach einer Pause. „Seine Zweifel werden längst gehoben sein, !

! indeß mag er seine Mitbürger in Kassel bestens überzeugen,

I da« dient zur Warnung. Ja, fühlen Sie ibn in der Festung
j umher, Latour, lassen Sic ihn die .Kanonen, die Adler, meinel- 1
wegen die Bajonette zählen, führen Sie ihn auf den höchsten
1 Thurm, in den tiefste» Keller und dann — nun, dann bringen
! Sie ihn mir zurück. Wir wollen ihn förmlich und feierlich !

; zum Glauben bringen; heute noch, sobald Sie ihre Wanderung
beendet haben, will ich ihn sehen.'

!>!ach diesen Worten »erließ der Adjudant da« Zimmer,
um den Befehlen des Herzogs nachzukommen.

Freund Leck hatte inzwischen Gelegenheit gehabt, sich völlig
. und unwiderleglich davon zu überzeugen, daß Danzig über sei
! und mancher schwere Seufzer entstieg seiner Brust, die er schon
von de» Kugeln der Franzosen durchbohr, fühlte. Fast dc-
I wußtlos folgte er dem Adjudantc» von einem Ende der Stad»

! zum andern und die verwunderten Gesichter der Rothhvsen,

! pjx laut auflachten, wenn der Adjudant ein Wort der Erklär-
ung über diese seltsame Jnspektton fallen ließ, erschienen ihm
! wie die SpoNftatzcn der höllischen Plagegeister. Er ließ den >

. Kops hängen, schwieg und folgte dem Offizier bi« sic zuletzt
vor dem Hause des Herzogs angetangt waren. Latour winkte,
i ihm auch dahin zu folgen und wieder einmal ward es dem
Konditor höllenhciß um's Herz, denn an der starken Wache
vor der Thür und den vielen Offizieren die auf der Flur sich
unterhielten, konnte er leicht errathen, daß da der Gcneralstab
; oder gar ein Kriegsgericht feiner wartete. ES ging eine breite
- steinerne Treppe hinauf und die Gruppen der Offiziere die

! darauf standen, drehten sich um und sahen den Gefangenen

und den Adjudanten fragend an. Leck verbeugte sich immer
1 tief und Latour lächelte über seinen Rücken weg und sagte in
seiner eigenen Sprache diesen oder jenen Witz, wovon der Eon-
I ditor nichts verstand, die Offiziere aber sehr erbau« schienen,
j denn sic lachten den armen Bürger tüchtig aus. So sauer
; „ar ibm das Treppensteigen noch nicht geworden.

Der Adjudant führte ihn endlich vor den Herzog, der,
in einem Sessel liegend, ihn mit erkünstelter Sttenge von oben
bis unten musterte und dann kurz und barsch nach seinem Ra>

Leck nannte seinen Namen und drehte dabei verlegen seinen
Hut in den Händen.

.Ihr seid rin Rebell! ein Jakobiner!' fuhr der Herzog l°S.

| Ten armen Leck verging Hören und Sehe»; aber die
| Beschuldigung war doch zu ungerecht und zu hart.

«3<h" — fing er endlich an — „ich liebe meinen Für— !
l den Kai— den Herrn Lagrangc — ach Gott! man weiß ja !.
i gar nicht mehr, wen man lieben soll. Verzeihen Ew. Gna- 1

j Lcsebre suchte ein Lächeln zu unterdrücken über die Loyal!- I
tät des Gefangenen, die so arg in der Klemme war. „Ihr!
habt es Euch einfallcn lassen,' fuhr er fori, „unsere Bulletins !

! für falsch zu erklären. Ihr seid V-rbrecher am Kaiser, an ‘
j der französischen Nation, an der großen Armee!"

Der Gefangene blieb sprachlos bei dem Gedanken an sein '

I Verbrechen.

Lesebrc wandte sich an seinen Adjudanten, der i» einer !
j Fensternische lehnte und sagte ihm Etwas auf Französisch, wo- !
j raus der Letztere an den Gefangenen heranlrat. Leck fuhr zu- !

, sammen, als er sich an. Arm gefaßt sühlic. Da« war ein
Vorgefühl tcS TodesslreicheS. Der Adjudant sah ihn eine
Sekunde mit furchtbaren, Ernst an und führte ihn dann zu
einem Sessel an dem Schreibtische, welcher voll von Papieren
lag. Dann stellte er Schreibzeug an den Platz, schob dem
erstaunten Eonditor einen Bogen Papier vor und ttai wieder '
a» das Fenster zurück.

„Ihr seid jetzt überzeugt," begann der Herzog wieder,
„daß die Festung Danzig in meinen, in Lescbre's Hände», d.
b. in des Kaisers, in den Händen der französischen Ratio»
ist, nicht wahr?"

„Ew. Gnaden — ich — als ich' —"

„Ist eS nicht so?" donnerte der Herzog und ein hastiges
„ja, ja!" entfuhr den Lippen Lecks.

„So schreibt!"

Leck nahm die Feder aus der einen Hand in die andere,
cs wollte mit keiner rech« gehen; ich so« mein Verbrechen
niederschreiben und damit wer weiß wohin wandern, dachte er, !
vielleicht an den Kai,er, wenn sic »»ich nicht gleich abthun und j
wenn der bei guter Laune ist, steckt er mich unter die Hotten-
lotlen oder die Italiener oder die Mamelucken. Sein Schicksal >
wuchs in seiner Phantasie furchtbar an und der Gedanke daran
überwältigte ihn. Die Feder hinweisend sprang er vom Sessel
aus und sank vor dem Herzoge in die Kniee. „Ew. Gnaden!
haben Sie Mitleiden, ich bin kein Aufrührer. Nein, ehe ich

ein Aufruhrer wäre, lieber thät ich-" und er schluchzte

so energisch, als wollte er dem Herzog andeuten, daß er sich
eher die Kehle abschneidcn, als ein Auftührer sein mochte.

„Steht nur auf," sagte in einem leutseligen Tone Le-
fcbre, den, die Roth des armen Sünders fast zu Herzen ging,
„schreibt erst, nachher wollen wir sehen wie wir Euch von
Eurer bösen Neigung zum Unglauben gründlich heilen. Nun
schreib»!"

Und Leck setzte sich beruhigter wieder an seinen Tisch,
während der Herzog diktirtc:

„Danzig, dm 23. Juni 1807."
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