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tn atitn Buch- und Kunst- _T — - — Erscheinen wöchentlich kl» Mal. SubscridltonS- rciii jj.

ic Don nllkn Pdstämlern und 1= »45. pnl« für im Sa»b sonU 36ft. "III. pi.

ngincmmm-_ oder LR,»Ir. Einzeln- Nummern lost,» Ist k. oder 1 Sgr.

Der kleine Do» Juan.

(Fortsetzung.)

Der Schreiber war sehr zufrieden mit seinem Werke und
siegelte lächelnd das rothc duftende Papier mit himmelblauem
Lack. Das zierliche Briefchen steckte er in die Scitentafche
feines eleganten Fracks. Dann umkreiste er, dem Anscheine
»ach als müßiger Spaziergänger, das Haus, in welchem die
junge Frau wohnte. Da öffnete sich plötzlich ein Fenster, und
der braune Lockcnkopf der Frau Pastorin ward sichtbar. Anatol
räusperte sich, um die Aufmerksamkeit der jungen Frau auf
sich zu lenken. Kaum hatte sic ihn erblickt, als sic sich langsam
und beschämt zurückzog, noch einige Augenblicke auS der Tiefe
des Zimmers zu ihm hinabsah und dann verschwand.

„Die arme Frau!" flüsterte Anatol. „Sie liebt mich.
Schade, daß sic vcrhcirathet ist, denn ich finde ihren Wuchs
schön und ihr Gesicht reizend — wer wüßte waS geschähe,
wenn die Frau Pastorin noch nicht Frau Pastorin wäre. Wie
hat sich dieses liebliche Geschöpf nur zu einem Echwarzrock
verirren können. Tolles Zeug! Vielleicht ist sie eine religiöse
Schwärmerin, eine kleine Heilige — und ich habe da» Ver-
dienst, sic in ihrer Tugend schwanken gemacht zu haben. Die
diesjährige Saison verspricht für mich sehr glänzend zu werden.

Der kleine Don Juan, wie ihn der Landrath nannte,
schlug nun einen Weg ein, der sich zwischen de» künstlich an-
gelegten Buschwerken sortwand. Eine Ahnung sagte ihm, daß
die junge Frau nun erscheinen müffc, denn er nahm an, sic
könne über seine Absicht nicht mehr in Zweifel sein. ES war
gegen Mittag, und die Sonne brannte heiß hernieder. Außer
Anatol befand sich kein Spaziergänger in den Anlagen. Von
Zeit zu Zeit blieb er stehen und lauschte, ob sich kein Geräusch
vernehmen ließ. So verfloß eine Viertelstunde, und unser
Held, der die Hoffnung aus eine Unterredung ausgegcben, sann
auf Mittel, den Brief in die Hände der Dame zu befördern.

Da plötzlich hörte er das leise Knistern von Schritten in dem
Sandwegc, der sich von seinem Standpunkte aus in kurzen
Biegungen bis zu dem Hause sortwand. Eine glühende Hitze
stieg dem Lauscher in daS Antlitz, während ihm ein kalter
Schauder über den Rücken hcrabrieselte.

»DaS muß sic sein!" flüsterte er.

Er konnte die Person, die sich näherte, noch nicht sehen,
aber daß cS eine Frau war, verrieth ihm der leichte Schritt
und das Rauschen eine« Kleides. Anatol blieb stehen, nahm
den Hut ab und trocknete seine schweißbcdeckte Stirn mit dem
duftenden Taschentuche wie ein erschöpfter Spaziergänger. Da
schimmerte ein weißer Shawl durch das Gebüsch und in dem
nächsten Augenblicke erschien die Frau Pastorin. Der Stutzer
war so erschreckt, daß ihn seine Keckheit aus kurze Zeit verließ.
Starr sah er die junge Dame an, die sich langsam näherte,
durch eine anmuthigc Verbeugung grüßte und vorüberging.
Anatol vergaß fast den Gruß zu erwidern. Himmel, welche
Formen barg das leichte rosarothc Florkleid! Welche Züchtig-
keit lag in dem schwebenden, anmuthigcn Gange. Der weiße
Shawl lag wie angegoffen über den runden Schultern und
aus dem vollen Busen, indem er deren reizende Umrisse flüchtig
abzcichnete. Der weiße italienische Strohhut mit den blauen
Kornblumen beschattete das leicht erhitzte Gesicht und verlieh
ihm eine unbeschreibliche Naivität. In den weißen Nacken
herab quollen dichte dunkle Locken. Die Art und Weise, wie
sich die Frau Pastorin in den Shawl gehüllt, wie sic den
Fuß hob und wie sic grüßte, übte auf unfern Seladon einen
imponirendcn Eindruck aus. ES lag etwas unaussprechlich
Zitterndes, Leichtes und AnmuthigeS in der Person und in
dem Gange. Die Dame schien kaum die Erde zu berühren.
Und daS war die Frau eines Landpastors.
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