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Der Assessor im Wandschrank.

(Fortsegung.)

Mn wußte also Rosinchcn, wem siebte vielen Sträußchen
zu danken hatte. Aber sie erfuhr noch mehr, was zu wiffen
und zu erfahre» ihr fast, noch mehr Freude machte, nämlich
daß der Affcffor außerdem ei» gar guter, treuer, dankbarer
Sohn war. Woher wußte sie das aber? Nun aus der aller-
besten und allerlauterftcn Quelle von der Welt, nämlich von
feiner eigenen Mutter. Die Sache hatte sich folgendermaßen
gemacht. Des AsicfforS Mutter, die vcrwittwctc Postmeister
Millich, wohnte in Spandau und kam zuweilen von dort her-
über nach Berlin gefahren, um ihren Sohn Rudolph zu be-
suchen. Eines Tages kam sic nun auch, noch dazu in rechter,
schnöder Wintcrkälte, traf zufällig aus Rosinchcn unten in der
Hausflur und fragte sic, ob der Affcffor Willich hier im, Hause
wohne. „Ei freilich!" hatte Rosinchcn crröthend geantwortet,
„aber er ist eben auSgegangen." Das war nun auch die
lautere Wahrheit; denn es waren keine fünf Minuten her, da
hatte ja Rosinchcn erst einen jener zärtlich sinnigen und ver-
bindlichen Grüße von ihm erhalten, ohne die er'S nun einmal
nicht that.

„O! da- ist ja recht Schade," fuhr die ältliche, etwas
schwächliche Frau fort, „ich hätte meinen Sohn gern gesehen
und gesprochen. Sie wissen wohl nicht, liebes Fräulein, ob
er bald heimkchrcn wird?"

„DaS weiß ich in der That nicht," erwiderte Rosinchcn.
„Manchmal kommt er vor Abends nicht zurück, oftmals kommt
er aber bald." Man sieht, daß Rosinchcn ziemlich gut Acht
gegeben hatte.

„Wenn ich wüßte," sagte die gute alte Frau nachdenkcnd
und halb still vor sich hin, „daß er nicht lange bliebe, so
möcht' ich ihn schon erwarten."

„Ei!" rief Rosinchcn mit sichtlicher Freude auS und ergriff

; sie beim Arme, „wollen Sic mir die Freude machen und so
! lange bei mir eintrcten, Madame, mit Vergnügen steht Ihnen
' unser Zimmer zur Verfügung."

Nun daü war doch ein Vorschlag, der sich hören ließ.
In einer gemüthlichen Bürgcrstubc bei einem jungen, liebenS-
j würdigen Mädchen, das freundlich und zuthunlich und keines- !
j wegS wie so viele andere junge Mädchen, lcutschcu und wort- ■
karg war, ein Stündchen zu sitzen und ftcundschastlich zu plau» i
! der», war doch in der That angenehmer, alö aufder einsamen, !
! vielleicht sogar ungeheizte» Zunggrscllcnstube ihres Sohnes allein |

i zwischen den vier Wänden zu sitzen, wenn anders in der ganzen >

j Stube ein Stuhl frei war; denn auf den meisten lagen Bücher

! und dicke Packele Akten, sie dcffenungeachtet der guten Frau !

; noch nicht halb so unangenehm waren, als sic dem Sohne sei» i
mochten. Bald saßen sie dann auf dem weichgepolsterten
j Kanapee neben.einander; Rosinchcn wärmte ihre Filzsocken im
| Ofen und zog sic der alten Frau an und machte cS ihr auch
I sonst so behaglich als möglich. Eine Schale duftenden Kaffee's,
den Rosinchcn besorgte und der guten Frau in dieser Wintcr-
i kalte nach der frostigen Fahrt auf dem Omnibus recht wohl
that, öffnete bald alle Schleusen ihres mütterlichen Herzens
und da eine Mutter von liichtS in der Welt lieber spricht als
von ihrem Sohne, und Rosinchcn auch gerade keinen Grund
hatte, nicht gern davon zu hören, so erfuhr Letztere gar Man-
ches in Zeit einer kurzen Stunde, was sic vielleicht sonst in
einem ganzen Jahre nicht erfahren oder erforscht hätte. Nach
ungefähr einer Stunde, die Beiden nur zu rasch dahingegan-
gen, sahen sic den blonden Lockcnkvpf des Assessors am Fenster
vorbcifchwcbcn und die Mutter eilte, nach vielen herzlichen
TankeSwortcn gegen Rosinchcn für die fteundlichc Aufnahme,
ihm auf sein Zimmer zu folgen.
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