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Der Assessor im Wandschrank.

füglich gerechnet werden können, so ereignete es sich nicht ! chen erst volle achtzehn Jahre werde» und außerdem ihn lieb-
gerade selten, daß solche für sicher gehaltene Schlösser geöffnet, j gewinnen, ivozu sich ja schon Gelegenheit gab. Tenn Meister
und die Schränke und Kommoden ansgcleert wurden, trotzdessen 1 Feilmann hinderte es nicht, daß sich Meister Falzmann, der
! daß der glückliche Eigenthü,»er derselben den Schlüssel dazu in j junge Buchbindermeister, ihnen anschloß, wenn er, was oft
guter und sorgsamer Verwahrung hatte. „Den Triumph muß ! im Sommer geschah, Sonntag Nachmittags mit Rosinchen
ich noch erleben," dachte Meister Feilmann dann oft bei sich, : nach den Zelten hinauswanderte, auch wohl von dort mit
„daß ich ein Schloß ansertige, ivclches absolut nicht ohne den : Orgelbegleitung eine Kahnsart an dem schönen Bellevue vor-
cigens dazu gefertigten Schlüssel auch von den, kundigsten ; über nach Moabit inachte.

Kenner nicht geöffnet werden kann, ja selbst mit dem dazu ge- ■ Und die eingefädelte Geschichte mit dem Buchbinder würde
hörigen Schlüssel nur dann, wenn man zugleich das Gehcimniß vielleicht Erfolg gehabt haben, wenn nur nicht zu Michaelis
seiner Anwendung und seines Gebrauchs kennt. " Dieser Er- j in das nämliche Haus, dessen Pariere der Schlosser Feilmann
findung widmete er manche Stunde; stand er in seiner Werk- ! bewohnte, ei» junger Mann mit blondem Haupthaar und
i stätte und arbeitete, so waren seine Gedanken immer beider ] ewigem freundlichen Gesichte, zu dem das kleine, schwarzgcwichste
! ihm vorschwebenden Aufgabe; und saß er Abends bei einem ] Bärtchen unter der seinen Nase keine üble Zugabe war, cingc-
I Seidel Bier in Howels Bierhause, so dachteer auch hier nur zogen wäre, der als er Rosinchen einmal zufällig ans der

j daran. Ost trieb ihn plötzlich eine neue Idee von dort nach ! Hausflur gesehen, nie an ihrem Fenster vorübcrgehen konnte,

j Hause und er machte halbe Nächte lang Versuche damit. ' ohne sie in der höflichsten und sinnigsten Weise zu grüßen.

Während der gute ehrliche Meister so den Kops mit ' Und als Bewohner desselben Hauses konnte er doch auch nicht
j Plänen und Entwürfen voll hatte, trug sich in seinem Hause wohl anders; denn er war sich der Pflichten, die ein junger

i so mancherlei zu, von dem er sich nichts träumen ließ und j Mann, namentlich ein Kaniinergerichts-Assesior wie er, gegen

j das, wenn er Kenntniß davon gehabt hätte, unfehlbar seine ! das schöne Geschlecht, und schön war ja Rosinchen, zu k-

Meiper M»ma»n yane namucy eine -rocyicr, vcamens i oen angeneympen Bermuiyungen gav. Es saiwen >,a> »nin-
j Rosine, die, wenn sie auch just nicht ganz so schön war, als ! lich, seitdem der junge, hübsche Assessor das Hans bezogen,
„des Goldschmieds Töchterlei»," doch ein recht appetitliches ! anfangs zwar seltener, in der lehtcrn aber immer häusigcr,

! und hübsches Mädchen war. Das volle braune Haar ringelte sich l kleine zarte Blumensträuschen an die Thürklinke zu Rosinens
ihr in natürliche» Locken über Stirn und Schliffe und gab I Zimmer gesteckt, und was Sträuschcn frischdnslcndcr Blu-
\ ihrem lieblichen Antlitz int Verein mit den hellstrahlenden, men namentlich zur öden kalten Winterszeit einem junge»,
immer lachenden Augen und den zwei allerliebsten Grübchen j unschuldigen Mädchen für Freude niachen, ist ja bekannt genug,

auf den frische», gesunden Wange», den Ausdruck mädchenhafter ; Gelangten nun auch nicht alle diese blühenden Bote» und

! Schelmerei und lieblicher, kindlicher, sinnender Schalkhaftigkeit, ! sprechenden Zeichen zartsinniger Aufmerksamkeit und geheimer
ein Ausdruck, der durch das Heizend kecke Slnmpsnäschcn und ! Huldigung an die richtige Quelle, und das konnte doch keine
! durch die schwellenden vollen Lippen, die wenn sic gerade nicht : andere sein als Rosinchen, denn warum hätten sie sich denn
! zum Lächeln geöffnet tvare», einer frischen Rosenknospe glichen, sonst an ihrer Thürklinke gefunden, so stiftete der unbekannte
; nur noch mehr unterstützt wurden. Ihre Gestalt ivar nntadel- Spender derselben doch eitel Freude damit; denn wenn sie
! hast, schwellend und im schönsten Ebenmaße; ihr Fuß zierlich auch, was leider oft genug geschah, Meister Feilmanns pfiffiger
■ und behend; ihr Gang leicht und schwebend; ihr ganzes Wesen Lehrling längsl abgenommcn, ehe Rosinchen sic gesunden, so
ohne alle Ziererei voll einnehmender und gewinnender Natiir- behielt sic der Lümmel doch nicht für sich, sondern schenkte sic
lichkcit, kurz sic tvar ein Mädchen nicht schöner und nicht häß- Gehciniraths junger Kindsmagd, und der gefielen sie auch nicht
j licher, als tausend Andere ihres Geschlechts, welche die Residenz . ivenig. Die meisten aber kamen ja doch an Rosinchen.
j des Königs von Preußen zugleich zu dem beneidcnswcrthen ! Diese Sträuschen machten nun, ivie gesagt, unser», Ro-
! Sitze der Venns und der Grazien zu machen scheinen. Deß- > sinchen manches angenehme Kopszcrbrcchen. Wer konnte cs
l wegen war sie auch ihres Vaters Freude »nd sein Stolz und | denn in aller Welt sein, der ihr diese sinnige Anfmcrksanikeit
! hatte ihm, so lang er sie besaß, »och keine» Aerger und keinen ; bewies. Etwa der Buchbinder, der Schützling ihres Vaters?

> Verdruß, sondern eitel Freude gemacht. Sic führte, da die ■ Ach! daran konnte doch, so meinte Rosinchen, kein blasser Ge-
J Mutter leider tobt war, mit Umsicht nnd Fleiß die Wirthschast danke einer entfernten Idee sei». Ein Buchbinder und Blu-
| und verkürzte ihm außcrdcin manche Wintcrabciidstundc mit mcnsträuschen, wie reimten sich die zusammen. Aber dahinter
! ihren, artigen Spiel auf dem Klavier oder durch ihren recht kommen mußte sic, das stand fest bei ihr, nnd ich möchte auch
! leidlichen nnd gcsälligen Gesang. Auch für die Zukunft ver- | in ganz Deutschland das Mädchen suchen, das nicht den lcb-
sprach sic ihm Freude» die Fülle; den» ein junger, achtbarer haftcstcn Wunsch, ja das nnabwcislichc Bcdürfniß gefühlt hätte,

Haudwerkincistcr in Berlin hatte ei» Auge auf sic geworfen . hinter das Geheimniß zu kommen nnd de» Geber solcher sinni-

u,id bereits in, Stillen um sic bei dem Vater geworben, auch ger Gaben zu kenne». Wie sollte fic « nun aber wohl an-
gcrade keine abschlägige Antwort erhalten; nur sollte das Mäd- | dcrs anfangen, als daß sic sich zu passender Zeit aus die Lauer
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