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da sei, ihm dieses Räthscl zu erklären. Da ließ sich plötzlich
eine Stimme aus dem Innern deS Schranks vernehmen: „Ei
guten Abend, lieber Herr Fcilmann. Hätten Sic die Gewogen-
heit mich einige Augenblicke gefälligst anzuhören?"

„In de« drei Teufels Namen, hätte ich beinahe gesagt,
was ist denn das!" rief der Meister etwas perplcr. „Wer
steckt denn da in meinem Schranke?"

„Ich bin'« Vcrchrtcster," erwiderte der Schrankbewohncr.

„Welches ich?" fuhr Meister Fcilmann ärgerlich fort.

„Ei, kennen Sic mich denn nicht?" rief der Affcffor halb
verlegen, halb verwegen lachend. „Ich bin ja derselbe, den
Sie gestern Abend schon bei den Schlafittchen hatten, wissen
Sie, unter der Thorfahrt, und der damals mit genauer Roth
ihren Händen entrann, um sich hier in Ihrem Wandschrank
mit dem verhcrtcn Schlosse zu fangen."

„Ha! ha! ha!" rief Meister Fcilmann aus, über das
wunderliche Lob seines Schlosses vergnügt in daS Lachen cin-
stimmend, „also derjenige, welcher meiner Tochter gestern untcr
der Thorsahrt und heute gar im Wandschranke Besuche macht.
Hcrrrrrrr! wissen Sie, daß keine menschliche Kunst Sic auS
diesem Schrank erlöst, wenn ich'S nicht thuc, daß ich Sic zum
warnende» Beispiele für das gesammte Personal des Kammer-
gcricht« vier Wochen bei Wasser und Brod in diesem engen
Gefängniß schmachten und zappeln lassen kann? Daß ich-"

„Nein, Bcrchrtcstcr," klagte kleinlaut der Assessor, „das
werden Sie doch nicht an Ihrem künftigen Schwiegersöhne
thun, der eigens zu dem Zwecke hierher gekommen ist, bei
Ihnen um Ihre Tochter Rosinchen in allen Ehren anzuhaltcn,
und der sich bei diesem angenehme» Geschäft in der Schlinge
dieses Hcrcnschrankes gefangen hat, zu dem selbst der eigene
Schlüssel nicht paßt."

Der ehrliche Meister war in Gefahr, über dieses schmeichcl-
hasle Lob seines Schlosses und über die so rasch und uner-
wartet bewahrte glänzende Eigenschaft seiner neuen Erfindung
alles Andere und namentlich auch die Veranlassung zur An-
wesenheit des jungen Assessors in seinem Wandschranke total
zu vergessen. „Ha! ha! ha! ein Hercnschloß! Ja, ja! so
leicht soll mir'S Niemand ausmachcn und wenn er ein Hcren-
meister wäre." AuS diesen angenehmen Betrachtungen rissen
ihn aber die Worte des Assessors, der bei dem langen Schwei-
gen des Meisters wieder an sich erinnern zu müssen glaubte.

„Nun Vcrehrtcster, Sie antworten ja nicht." Das brachte
ihn wieder zu der brennenden Frage des Augenblicks zurück.
Er ging nach seiner Gewohnheit mehrmal hastig im Zimmer
auf und ab, das grüne Käppchen hin und hcrschicbcnd. „Die
Geschichte hat eine verdammt sonderbare Wendung genommen,"
überlegte er bei sich; »sic wird unnützen Spektakel machen, sie
wird zum Stadtgespräch werden, wenn'« bekannt wird und
keine Heirath darauf folgt." Bald stand er wieder vor dem
Schranke und sprach feierlich, aber milder als vorher: „Ist
es Ihr lauterer Ernst, junger Mann? Begehren Sie meine
Tochter zur Ehe?"

„Gewiß und wahrhaftig, ich thu's," betheucrtc er und
streckte die Hand mit wie zum Schwur aufgerichtctcn Fingern
zum Loche de« Schrankes heraus, „und schon übermorgen
wollen wir uns zum ersten Male aufbietcn lassen, wenn Sic
Ihre Einwilligung dazu geben."

(Schluß folgt.)

Aehren vom Acker -er Weisheit.

(Frei nach dem Pcrstschkn; au« den Papieren des Schuster« von Ispahan.)
All' Ding in diesem Kreis' voll Narrheit
ist nur für Andre, für sich selber nicht.

Der Bronnen in durchsicht'ger Klarheit
tränkt Andre nur, sich selber nicht;
die Sonn' mit Welt durchglüh'ndcm Glanze
wärmt Andre nur, sich selber nicht;
der Saft cntprcßt der Balsampflanze
heilt Andre nur, sich selber nicht;
die Geig' in kunstgcwandten Händen
rührt Andre nur, sich selber nicht;
der Rose süßes Düftespcnden

labt Andre nur, sich selber nicht;
des Salzes kerngesunde Herbe

würzt Andre nur, sich selber nicht;
der Wein schenkt der Begcistrung Erbe
an Andre nur, sich selber nicht;
der Schnepfe Gaumenschwcll'nder Bissen
schmeckt Andern nur, sich selber nicht;
die Lipp' in heißem Aneinanderschließcn
küßt Andre nur, sich ftlber nicht;

Du aber schmeLs, iß, küß', genieße!
fopp' Andre, nur Dich selber nicht.
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Der Assessor im Wandschrank"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

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Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
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Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Tochter <Motiv>
Eid
Schrank
Hand <Motiv>
Geliebter <Motiv>
Geste <Motiv>
Karikatur
Vater <Motiv>
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

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Künstler/Urheber (GND)
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Digitales Bild
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Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 23.1856, Nr. 543, S. 115

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