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Die gerettete Lucia.
«Einleitung.
Schon find Bücher über Bücher zusammengcschriebcn wor-
den, um den Opcrngcschmack zu reinigen, daS verwöhnte Publi-
kum für eine ächte gesunde Kost wieder heranzubilden. Am
bedeutendsten sind heut zu Tage die Bestrebungen Richard
WagnerS in dieser herzerfrcuendcn Richtung. Ach! eS wird
umsonst gewesen sei», denn waS einzig und allein zum Heile j
führen kann, ist noch nicht dagewesen. Die „Methode" muß !
entdeckt werden, und diese liegt weder in Kritik »och neuer
Ausübung, sondern in praktischer Behandlung deS bereits Vor- '
handencn. ES kommt nur auf daS freilich oft seltene Talent ]
an, daS gegenwärtige Gute herauszufinden und festzustellcn.
Nehmen wir eine weltbekannte italienische Oper von demj
allbekannten, vielverkannten Meister Donizetti, und beginnen I
also mit dem nicht Außergewöhnlichen. W-S ist zu thun? j
Einzig und allein die für Bühnensänger ausgeschriebenen Rol-
len nachzulcscn, die da mundgerecht und bühnengerecht umge-
arbeitcten Tcrtc zu vergleichen, und so daS Edelste zusammen
zu tragen. DaS Leben ist des BcdürsniffcS Maßstab.
Lauschen wir dem Leben, d. i. der PrariS, ihre kühnen
Griffe ab und bieten wir dem Publikum die Essenz, und nur
diese, so dürfte gewiß Niemand mehr wagen, von Unbcfriedigt-
hciten zu schwatzen.
Mit feinem Auge für daS wirklich Praktische, wird ein
Ucbcrsctzer sogar aus der verrufensten italienischen Oper noch
ein höchst genußreiches Libretto Herstellen, und wir
brauchen keine übermüthigcn Kraftanstrengungen mehr, um der
Oper der Gegenwart aufzuhelfen. Lesen wir einmal deS Herrn
„FabriciuS" neueste Arbeit.
Text der Oper
Lucia von Lammcrmoor,
aus dem Italienischen
bühnen, und sängcrgerecht
„FabriciuS."
Aus dem l. Akte.
Nro. 1. Introduktion.
Normann. Auf! durchstöbect die Gar-
tengcstade,
Der Ruinen verkommene Pfade!
Der Gewölbe zerstob'nes Gemäuer!
ES" falle deS grausen Geheimnisses
Schleier,
So gcbietet'S die Rache, die Pflicht, j
Chor der Hintersassen.
Wir durchstöbcrn die Gartengestade,
Der Ruinen verkommene Pfade!
Normann. Leuchte, Wahrheit, in gräß-
lichem Feuer,
ES fall' deS Geheimnisses Schleier!
Chor. So gebietet cS Rache und Pflicht.
Normann (bei Seite). Zu entlarven
den Böse-Wicht,
Sei jetzt meine erste Pflicht!
(Chor ab.)
Asthon (erscheint in einen Dolchgedan-
ken versunken).
Normann. Ha, wer naht aus der
Ferne sich dort?
Sich verfügend hiehcr an den Ort?
O Herr, ja bewegt ist Dein Geist.
Ast hon. Nicht ohne der Ursachen eine,
Du weißt, daß mein Stern sich vcr-
Währcnd Edgardo,
Der undurchdringliche Todfeind,
Frech mich verhöhnet
Mit de« Ucbcrmuth'S schnödem Gespöttc.
Normann. Deinen Kummer zu sühnen
Sei jetzt Deine erste Pflicht.
Asthon. ES ist meine erste Pflicht.
Ha! meine Schwester,
Sic will den Lord Arthur nicht hei>
Bidcbent. Das arme Mädchen,
Von Beileid hingcstrecket,
Weint a» der Mutter GrabcSstein,
Der ihr Gebein bedecket,
Und denket jetzt nicht an Liebe,
Deren sie sich cntschlägt.
Normann. Zm Gcgentheil heget sic
Von welchen ihr Herz sich bewegt.
Asthon. Du faselst —
Bidcbent. O Himmel,
Was wird das absctzcn?
Normann. So höret!
Jüngst ging sic im Haine spazieren,
Wo nimmer geheuer eS ist,
Da stürzet auf allen Vieren
Ein Eber hervor — doch gespießt
Fällt zu Boden das entsetzliche Unthicr.
Asthon. Ei! Weiter, ich bebe.
Normann. Sic liebt ihn.
Asthon. Den Eber — ?
Normann. Den, der ihn erschlug.
Asthon. Der Argwohn ist mir schon
Doch wer ist der Verführer?
Normann. Dein Todfeind!
Bidcbent. O Gott!
Asthon. Edgardo? Wär'S die Mög-
lichkeit?
Normann. Du hast'S errathen;
Ihn zu fällen sei Deine erste Pflicht!
Larghetto.
Asthon. Grausam entflammt dic höll'schc
Mich in zerfleischtem Herzen,
Argwohn mit wilder FluchcSgluth
Brennt mich mit schcusäglichcn Schmcr-
Dic furchtbare Fehde
Des grausamsten Hasses,
Der furchtbarsten Rache,
Zn schändlicher Schnöde,
Beleuchte die Ocdc,
Die schrecklichste Fehde
Zerstöre sein HauS!
Mein Grimmen zu lindern,
Soll nichts mich verhindern,
Sein Blut soll verricscln —
O Freund, laß mich auS!
Normann. Lucia verräth u»S! —
Asthon. O treuloser Eber,
Was ließest Du sie leben,
Die Undankbare!
Bidcbent. O schütze die verschämte
Unschuld,
A st h o n. Reich' mir der HasseSpfcife Rohr,
Und stopfe, sic, so voll alS möglich,
Mit schwefelsaucrm Haßtabak!
Der Haß, den ich ihm schwor,
Nicht eher soll er verdampfen,
AlS bis dieser Kopf, dieser Waffcrsack
Wie die Hölle so schwarz angcraucht ist.
(Er zündet sich die HasseSpfcife an und
geht wüthcnd auf und ab. Ritornell.)
Die gerettete Lucia.
«Einleitung.
Schon find Bücher über Bücher zusammengcschriebcn wor-
den, um den Opcrngcschmack zu reinigen, daS verwöhnte Publi-
kum für eine ächte gesunde Kost wieder heranzubilden. Am
bedeutendsten sind heut zu Tage die Bestrebungen Richard
WagnerS in dieser herzerfrcuendcn Richtung. Ach! eS wird
umsonst gewesen sei», denn waS einzig und allein zum Heile j
führen kann, ist noch nicht dagewesen. Die „Methode" muß !
entdeckt werden, und diese liegt weder in Kritik »och neuer
Ausübung, sondern in praktischer Behandlung deS bereits Vor- '
handencn. ES kommt nur auf daS freilich oft seltene Talent ]
an, daS gegenwärtige Gute herauszufinden und festzustellcn.
Nehmen wir eine weltbekannte italienische Oper von demj
allbekannten, vielverkannten Meister Donizetti, und beginnen I
also mit dem nicht Außergewöhnlichen. W-S ist zu thun? j
Einzig und allein die für Bühnensänger ausgeschriebenen Rol-
len nachzulcscn, die da mundgerecht und bühnengerecht umge-
arbeitcten Tcrtc zu vergleichen, und so daS Edelste zusammen
zu tragen. DaS Leben ist des BcdürsniffcS Maßstab.
Lauschen wir dem Leben, d. i. der PrariS, ihre kühnen
Griffe ab und bieten wir dem Publikum die Essenz, und nur
diese, so dürfte gewiß Niemand mehr wagen, von Unbcfriedigt-
hciten zu schwatzen.
Mit feinem Auge für daS wirklich Praktische, wird ein
Ucbcrsctzer sogar aus der verrufensten italienischen Oper noch
ein höchst genußreiches Libretto Herstellen, und wir
brauchen keine übermüthigcn Kraftanstrengungen mehr, um der
Oper der Gegenwart aufzuhelfen. Lesen wir einmal deS Herrn
„FabriciuS" neueste Arbeit.
Text der Oper
Lucia von Lammcrmoor,
aus dem Italienischen
bühnen, und sängcrgerecht
„FabriciuS."
Aus dem l. Akte.
Nro. 1. Introduktion.
Normann. Auf! durchstöbect die Gar-
tengcstade,
Der Ruinen verkommene Pfade!
Der Gewölbe zerstob'nes Gemäuer!
ES" falle deS grausen Geheimnisses
Schleier,
So gcbietet'S die Rache, die Pflicht, j
Chor der Hintersassen.
Wir durchstöbcrn die Gartengestade,
Der Ruinen verkommene Pfade!
Normann. Leuchte, Wahrheit, in gräß-
lichem Feuer,
ES fall' deS Geheimnisses Schleier!
Chor. So gebietet cS Rache und Pflicht.
Normann (bei Seite). Zu entlarven
den Böse-Wicht,
Sei jetzt meine erste Pflicht!
(Chor ab.)
Asthon (erscheint in einen Dolchgedan-
ken versunken).
Normann. Ha, wer naht aus der
Ferne sich dort?
Sich verfügend hiehcr an den Ort?
O Herr, ja bewegt ist Dein Geist.
Ast hon. Nicht ohne der Ursachen eine,
Du weißt, daß mein Stern sich vcr-
Währcnd Edgardo,
Der undurchdringliche Todfeind,
Frech mich verhöhnet
Mit de« Ucbcrmuth'S schnödem Gespöttc.
Normann. Deinen Kummer zu sühnen
Sei jetzt Deine erste Pflicht.
Asthon. ES ist meine erste Pflicht.
Ha! meine Schwester,
Sic will den Lord Arthur nicht hei>
Bidcbent. Das arme Mädchen,
Von Beileid hingcstrecket,
Weint a» der Mutter GrabcSstein,
Der ihr Gebein bedecket,
Und denket jetzt nicht an Liebe,
Deren sie sich cntschlägt.
Normann. Zm Gcgentheil heget sic
Von welchen ihr Herz sich bewegt.
Asthon. Du faselst —
Bidcbent. O Himmel,
Was wird das absctzcn?
Normann. So höret!
Jüngst ging sic im Haine spazieren,
Wo nimmer geheuer eS ist,
Da stürzet auf allen Vieren
Ein Eber hervor — doch gespießt
Fällt zu Boden das entsetzliche Unthicr.
Asthon. Ei! Weiter, ich bebe.
Normann. Sic liebt ihn.
Asthon. Den Eber — ?
Normann. Den, der ihn erschlug.
Asthon. Der Argwohn ist mir schon
Doch wer ist der Verführer?
Normann. Dein Todfeind!
Bidcbent. O Gott!
Asthon. Edgardo? Wär'S die Mög-
lichkeit?
Normann. Du hast'S errathen;
Ihn zu fällen sei Deine erste Pflicht!
Larghetto.
Asthon. Grausam entflammt dic höll'schc
Mich in zerfleischtem Herzen,
Argwohn mit wilder FluchcSgluth
Brennt mich mit schcusäglichcn Schmcr-
Dic furchtbare Fehde
Des grausamsten Hasses,
Der furchtbarsten Rache,
Zn schändlicher Schnöde,
Beleuchte die Ocdc,
Die schrecklichste Fehde
Zerstöre sein HauS!
Mein Grimmen zu lindern,
Soll nichts mich verhindern,
Sein Blut soll verricscln —
O Freund, laß mich auS!
Normann. Lucia verräth u»S! —
Asthon. O treuloser Eber,
Was ließest Du sie leben,
Die Undankbare!
Bidcbent. O schütze die verschämte
Unschuld,
A st h o n. Reich' mir der HasseSpfcife Rohr,
Und stopfe, sic, so voll alS möglich,
Mit schwefelsaucrm Haßtabak!
Der Haß, den ich ihm schwor,
Nicht eher soll er verdampfen,
AlS bis dieser Kopf, dieser Waffcrsack
Wie die Hölle so schwarz angcraucht ist.
(Er zündet sich die HasseSpfcife an und
geht wüthcnd auf und ab. Ritornell.)