Aus Vetter Nudele,
DiebcSschritten langt er an der Leithen beim Tanneng'hau an,
und stellt die Hühncrtruhe einige Ellen dem wohlbekannten
Fuchsbau gegenüber auf den Boden, wirst den Dreimaster auf
dieselbe und streckt sich schnarchend dahinter in'S hohe Schmellengras.
Noch scheint die Sonne ganz sommerlich durch die Bäume;
der laue Abendwind raschelt in den vergilbten Blättern, dazu
schütteln die Tannen ihre dunkel» Häupter. Schnacken, Bremsen,
und Ephemeren singen, tanzen und sumsen im Sonnenstrahl;
die Blaumeise, der Buchfinke pfeifen und zwitschern durch die
Zweige, vom nahen Feldrain schallt deS Emmerlings melancholi-
sches Psifsicka. Da schüttelt auch monsieur Hahn sein farbiges
Gefieder und schmettert seinen gellenden Gruß i» die wider-
hallende Umgebung.
Potz Blitz, wie Meister Reinecke auS seinem Schlummer
aufschrickt! Müde vom nächtlichen Abenteuer und übersatt
von GäffelethomaS G'schopster hat er sich heute mit dem
Morgengrau behaglich in seinen innersten Gemächern jur
Ruhe gestreckt und geschnarcht, und nun — diese Stimme?
—- „Eitel Blendwerk und Lügen," brummt er in seinen
Bart, da — horch! — Kickericki—i—i—i!! DaS muß
wohl mehr sein als ein Traum! — Ha, wie er schmunzelt!
Wie er die Blutrcste von den bärtigen Lippen leckt! wie er
mit der buschigen Ruthe die vor Gier bebenden Weichen schlägt!
„Will vielleicht der einfältige Gimpel seine Herzallerliebste von
mir zurückvcrlangcn," höhnt er in Gedanken, „daS wäre so ein
Zweikampf!" Und geräuschlos wie eine Schnecke schiebt er
sich durch die gewundenen Gänge seiner Burg an'S Fenster
und blinzelt durch die Gardinen, das Brombcergestäudc, die
Farrenkräuter und MooSstcchten, welche die sorgiame Mutter
Natur davor aufgchangen, und sicht — die Kiste, die Hennen
und die Beine des schnarchenden Schläfer« mit einem Blick.
Windend streckt er die Schnauze durch die Vorhänge;
nichts feindliches weit und breit läßt sich wittern. Er hat
zwar gerade keinen Hunger, aber wie das so appetitlich, so
gottvoll-schmackhaft duftet, und so ohne alle Gefahr! „Hm!
bi« der befosfcnc Kerl hinten aufwacht, Hab' ich alle vorne
herausgekricgt, und er trägt um so leichter am Heimweg." —
Trau, schau, wem, raunt die Klugheit. — „Den Kuckuck auch!
Der Tropf da mit seinen blauen Strümpfen und plumpen
Bundschuhen und gar der Dreispitz dort, die sollten mir kühnem
Recken Furcht einflößen — ei was nicht gar? — Und wenn
Alles fehl schlägt, was ist dann verloren? — Nichts — rein
gar nichts !" —Herr, führe uns nicht in Versuchung, murmelt
daS Gewissen! — „Ei der Donner! man soll doch nicht sagen,
daß Meister Rcincckc nicht „Wcbcr's Mann von Welt" durch-
geblättcrt hat — ich muß ja Schanden halber wenigsten« den
netten Dingern da vis-ü-vis meinen Besuch abstatten!"
Gesagt, gethan! Gespitzten Ohr's hört der Büdelc wie
sich Meister Reineckc heranschleicht, wie die Kistengesellschaft
mit ihm diSputirt, wie der Streit immer hitziger wird, wie
endlich die schwachen Gittcrstäbc krachen — jetzt wird'S Zeit
sein, und leise öffnet er den hinten angebrachten Schieber.
Während nun im höchsten Schrecken mit gellendem Gekreisch
und lautschallcndem Flügelschlag die bedrohten Hühner durch
die Ocffnung dringen, dem gefährlichen Besuche zu entrinnen,
hat sich dieser durch die zerbrochenen Stäbe gezwängt und in
selben Moment, wo er dem davonflatternden Hahn den bunten
Schweif mit seinem scharfe» Gebiß zerzaußt, trifft ihn Büdelc«
Knittel auf. die Schnauze, daß er blutend am Boden der Kiste
»crzappelt.
So hat der Büdelc nicht einen Fuchs gefangen.
4. Wie der Bcttcr Büdelc den Fiutir ausranchl.
Aber allemal, sag» der Büdelc, geht'« auch nicht mit
der Henncnkistc; denn der Fuchs ist ein schlau Vieh und viel
pfiffiger als drei Menschcnleut' zusamm'. Wie macht man'«
denn, daß man ihn kriegt? Man raucht ihn auS, und daS
schlägt gar nie fehl, ist aber so ziemlich gefährlich, zumal für
einen, der nicht eine ganz gußeiserne Lunge hat.
Wenn also der Fuchs so schlau gewesen und weder durch'«
Hennengegacker noch daS gellende Kickericki sich hat herauslocken
lassen, so geht der Büdelc her, setzt den Miesbachcr ganz
«indisch wieder ausS Ohr, wirft die graue Joppe mit
den grünen Aufschlägen um, hängt Waidtaschc und Zwilling
über den Rücken, nimmt den Waldmann an die Leine, langt
seinen allergrößten Pseifenkopf vom Nagel und wandert von
hinnen. Nun geht'« zum Krämer, dem Gevatter Holdcrblüh; !
da kauft er für vier Kreuzer „schwarzen Reuter von Gebrüder j
Wechsler in Ulm." Nachdem er dann beim Fuchsbau anlangt,
ist sein Erste«, daß er alle Nebenrohrc und Spalten mit
Moo«, Sand und Stechginster verstopft und verrammelt. Nun
legt er die Joppe, den Miesbachcr, den Zwilling mit sammt .
dem Ranzen bei Seite, stopft sich die Pfeife mit „schwarzem j
Reiter" und steckt sic in Brand. Wenn sic nun so dampft !
und qualmt wie ein Kohlhause», legt er sich der Länge nach auf
den Bauch unter die Mündung des Fuchsbaue« und bläst den
Rauch in dicken Wolken mit aller Gewalt in die Höhle.
Der Fuchs schläft mittlerweilcn ganz pomadig und hat
die Schnauze gar- sittiglich auf die weichen Brauten gelegt, j
Auf einmal zuckt er auf. — Potz Sappcrmost, denkt er, was
ist da« für ein höllischer Rauch? — Puh! puh! 'S wird doch
nicht in meinem Hause brennen? — ich geh' ja doch immer
DiebcSschritten langt er an der Leithen beim Tanneng'hau an,
und stellt die Hühncrtruhe einige Ellen dem wohlbekannten
Fuchsbau gegenüber auf den Boden, wirst den Dreimaster auf
dieselbe und streckt sich schnarchend dahinter in'S hohe Schmellengras.
Noch scheint die Sonne ganz sommerlich durch die Bäume;
der laue Abendwind raschelt in den vergilbten Blättern, dazu
schütteln die Tannen ihre dunkel» Häupter. Schnacken, Bremsen,
und Ephemeren singen, tanzen und sumsen im Sonnenstrahl;
die Blaumeise, der Buchfinke pfeifen und zwitschern durch die
Zweige, vom nahen Feldrain schallt deS Emmerlings melancholi-
sches Psifsicka. Da schüttelt auch monsieur Hahn sein farbiges
Gefieder und schmettert seinen gellenden Gruß i» die wider-
hallende Umgebung.
Potz Blitz, wie Meister Reinecke auS seinem Schlummer
aufschrickt! Müde vom nächtlichen Abenteuer und übersatt
von GäffelethomaS G'schopster hat er sich heute mit dem
Morgengrau behaglich in seinen innersten Gemächern jur
Ruhe gestreckt und geschnarcht, und nun — diese Stimme?
—- „Eitel Blendwerk und Lügen," brummt er in seinen
Bart, da — horch! — Kickericki—i—i—i!! DaS muß
wohl mehr sein als ein Traum! — Ha, wie er schmunzelt!
Wie er die Blutrcste von den bärtigen Lippen leckt! wie er
mit der buschigen Ruthe die vor Gier bebenden Weichen schlägt!
„Will vielleicht der einfältige Gimpel seine Herzallerliebste von
mir zurückvcrlangcn," höhnt er in Gedanken, „daS wäre so ein
Zweikampf!" Und geräuschlos wie eine Schnecke schiebt er
sich durch die gewundenen Gänge seiner Burg an'S Fenster
und blinzelt durch die Gardinen, das Brombcergestäudc, die
Farrenkräuter und MooSstcchten, welche die sorgiame Mutter
Natur davor aufgchangen, und sicht — die Kiste, die Hennen
und die Beine des schnarchenden Schläfer« mit einem Blick.
Windend streckt er die Schnauze durch die Vorhänge;
nichts feindliches weit und breit läßt sich wittern. Er hat
zwar gerade keinen Hunger, aber wie das so appetitlich, so
gottvoll-schmackhaft duftet, und so ohne alle Gefahr! „Hm!
bi« der befosfcnc Kerl hinten aufwacht, Hab' ich alle vorne
herausgekricgt, und er trägt um so leichter am Heimweg." —
Trau, schau, wem, raunt die Klugheit. — „Den Kuckuck auch!
Der Tropf da mit seinen blauen Strümpfen und plumpen
Bundschuhen und gar der Dreispitz dort, die sollten mir kühnem
Recken Furcht einflößen — ei was nicht gar? — Und wenn
Alles fehl schlägt, was ist dann verloren? — Nichts — rein
gar nichts !" —Herr, führe uns nicht in Versuchung, murmelt
daS Gewissen! — „Ei der Donner! man soll doch nicht sagen,
daß Meister Rcincckc nicht „Wcbcr's Mann von Welt" durch-
geblättcrt hat — ich muß ja Schanden halber wenigsten« den
netten Dingern da vis-ü-vis meinen Besuch abstatten!"
Gesagt, gethan! Gespitzten Ohr's hört der Büdelc wie
sich Meister Reineckc heranschleicht, wie die Kistengesellschaft
mit ihm diSputirt, wie der Streit immer hitziger wird, wie
endlich die schwachen Gittcrstäbc krachen — jetzt wird'S Zeit
sein, und leise öffnet er den hinten angebrachten Schieber.
Während nun im höchsten Schrecken mit gellendem Gekreisch
und lautschallcndem Flügelschlag die bedrohten Hühner durch
die Ocffnung dringen, dem gefährlichen Besuche zu entrinnen,
hat sich dieser durch die zerbrochenen Stäbe gezwängt und in
selben Moment, wo er dem davonflatternden Hahn den bunten
Schweif mit seinem scharfe» Gebiß zerzaußt, trifft ihn Büdelc«
Knittel auf. die Schnauze, daß er blutend am Boden der Kiste
»crzappelt.
So hat der Büdelc nicht einen Fuchs gefangen.
4. Wie der Bcttcr Büdelc den Fiutir ausranchl.
Aber allemal, sag» der Büdelc, geht'« auch nicht mit
der Henncnkistc; denn der Fuchs ist ein schlau Vieh und viel
pfiffiger als drei Menschcnleut' zusamm'. Wie macht man'«
denn, daß man ihn kriegt? Man raucht ihn auS, und daS
schlägt gar nie fehl, ist aber so ziemlich gefährlich, zumal für
einen, der nicht eine ganz gußeiserne Lunge hat.
Wenn also der Fuchs so schlau gewesen und weder durch'«
Hennengegacker noch daS gellende Kickericki sich hat herauslocken
lassen, so geht der Büdelc her, setzt den Miesbachcr ganz
«indisch wieder ausS Ohr, wirft die graue Joppe mit
den grünen Aufschlägen um, hängt Waidtaschc und Zwilling
über den Rücken, nimmt den Waldmann an die Leine, langt
seinen allergrößten Pseifenkopf vom Nagel und wandert von
hinnen. Nun geht'« zum Krämer, dem Gevatter Holdcrblüh; !
da kauft er für vier Kreuzer „schwarzen Reuter von Gebrüder j
Wechsler in Ulm." Nachdem er dann beim Fuchsbau anlangt,
ist sein Erste«, daß er alle Nebenrohrc und Spalten mit
Moo«, Sand und Stechginster verstopft und verrammelt. Nun
legt er die Joppe, den Miesbachcr, den Zwilling mit sammt .
dem Ranzen bei Seite, stopft sich die Pfeife mit „schwarzem j
Reiter" und steckt sic in Brand. Wenn sic nun so dampft !
und qualmt wie ein Kohlhause», legt er sich der Länge nach auf
den Bauch unter die Mündung des Fuchsbaue« und bläst den
Rauch in dicken Wolken mit aller Gewalt in die Höhle.
Der Fuchs schläft mittlerweilcn ganz pomadig und hat
die Schnauze gar- sittiglich auf die weichen Brauten gelegt, j
Auf einmal zuckt er auf. — Potz Sappcrmost, denkt er, was
ist da« für ein höllischer Rauch? — Puh! puh! 'S wird doch
nicht in meinem Hause brennen? — ich geh' ja doch immer
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Aus Vetter Bübeles Waidmanns-Leben"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 23.1856, Nr. 550, S. 171
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg