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sich wohl balde einige nächtliche Kunstschlosser finden, die es
aufmachcn thäten.

Herrn Graf's Tagebuch über eine Reise nach Prag und Wren.

Wenn man wieder von hier aus sich ein Stückchen links
krumm umbiegt, so gelangt man auf den Graben, welches aber
auch nicht wahr ist. Denn es ist nur ein sogenannter und
eichentlich gar kein Graben da, sonders Älles das schönste
Flaster.
Hier ist aber ein solches Gedrengle, daß man sich muß
immer nur mit sbitzige Elbogens durch die Menge Blatz machen
und wird man auch manchemal so zu sagen dort gans ver-
stobft. Aus diesen Grunde hat man auch in die Mitte von
die Straße zwei hölzerne Schweizerbecker hingesetzt, welche aus
Bretbuden bestehen mit Ohlanderstöcken und andre verkribelte
und verzogene Gewechse besetzt und kann man sich bei diese
Holzkondiethore lassen etwas Gefrorenes frieren lassen, wenn
man erst glicklich durch die Menschenmenge hindurch gekom-
men ist.
Daß man die sißen Kondiethorbuden hat auf die Straße
gesetzt, dieses liegt daran, weil in die Heiser an den sogenann-
ten Graben die Loschis und Kaufmannsgewelbe so sehr theier
sind, denn wenn Einer hier in die erste Etasche wohnen will,
so kann er es gar nicht bezahlen.
Auf dieses so sehr theire Verheltnis haben auch vier sehr
blosgestellte männlichte Figuhren Bedeutung, welche in den
!größten und schönsten Hause den sogenannten Drathnerhose an
!den Graben an die beiden Hausthoren stehn und darum Kari-
kakitiden Hessen. Es sind dieses nämlich vier große sehr starke
Männer in das leichtfertigste Kostihm aus die Mietholochie
bekleidet, welches nur aus einer sehr mangelhaftigen Leinwand-
schirze besteht und davon sind drei, welche alle die Boriber-
gehenden, die Geld haben, ein freundlichtes Gesicht machen und
fie einzuladen scheinen, in dieses Haus ein Loschcmank zu
miethen. Der vierte von diesen Männern ist aber ein Flegel
und hat gar keine Lebensartigkeit; er soll auch blos für solche
! Leute hingesetzt sein, die kein Geld nicht haben und solchen
ärmlich Voribergehenden dreht er die Rückenseite zu und sieht
sich die Wand an, was doch eine sehr ordienähre Bedeutung
hat. Wenn es der Kehrl fihlen kennte, so hätte ich ihn ein
Baar mit meinen Stocke gegeben, aber mir scheint es doch,
daß die wohllebliche Bcherde sich der Sache sollte annehmen
,und diesen mittelälterlichen Flegel herumdrehen lassen. Wenn
er nicht will, so kann man den Kerl einstecken oder ihn mit
!den Stock in das Eisen geherigt verarbeiten, wozu dieser letzte
iGegenstand sehr dienlicht were.
Spreeberger sagte, daß in Berlin so ein Uebelstand gleich
würde abgeholfen werden, denn fie Hetten dorten einen Kon-
stabler, welcher nur einen Blick auf diesen Mann zu blicken
gebrauchte, daß er sich dann von alleine mißte herumdrehn.
Denn wie dieser Konstabler mit seine scharfgeschliefenen Blicke
ist einmal auf die Schloßbricke vor eine von die endblösten
>Frauenzimmerstatien stehen geblieben und hat sie recht finster
! angeschaut, so hat der weise Marmohr vor Schamhaftigkeit

gans rothe Backen gekriegt und fie hat die Augen niederge-
schlagen und in den Faltenwurf von ihr Kostihm etwas an-
stendigte Ordnung gebracht.
Wenn es wahr ist! Habe ich mir gedacht, wie es Spree-
berger so crzehlt hat.

Da ich nun aber jedenfalls eine wissenschäftlichte Zer-
streiung und Erholung gebrauchen that, so gingen wir nach
die kaiserliche Burg, um uns die gelehrten Sammlungen an-
zusehn.
Die Burg selbst ist ein großartigtes Gebeide, welches aber
aus die verschiedensten Baustiele zusammengesetzt ist. Wenn
man von die Stadtseite aus den sogenannten Kohlmarkt kommt,
so fieht man fast gar nichts, welches an die alten Ritterzeiten
erinnert, wo man auch die schönsten Gebeide so baute, daß
sie gar Niemand sehen konnte, weshalb man dieses Faßade
nannte.
Auch der innerlichte Hof erinnert noch an die vergangene
Zeiten, wo die Firsten Haben in große Gruben wilde Viecher
eingesberrt, welche nur bei feierlichte Gelegenheiten gebraucht
geworden sind, wo man hat dann zur Belustigung der hohen
Zuschauer den Schiller'schen Handschuh mit Musik aufgefihrt,
welches aber immer muß eine sehr kiezlichte Geschichte gewe-
sen sein. Denn von den Sbas den ich habe, wenn ich will
meiner Auserwehlten den Handschuh in das Gesicht werfen, ist
es doch ecklicht, wenn man soll erst in die Menascherie Hinun-
terklettern. Auch ist diese Art von Rittersbielereien jetzt gar
nicht mehr Mode. Wenn ich zum Beisbiel als edler Ritters-
mann meiner Gemalin so zum Versuch wollte einmal ein Fecht-
oder Belshandschuh in das Gesichte werfen, so würde sie mir
gewis gans einfach mit einem Tobf voll Wasser oder sonst ein
anders Kichengerethe auch an den Kopf antworten. Und dann
wäre gleich der Teifel los. Also ist es recht gut, daß es nicht
mehr so ist.
Die andere Seite von der Burg ist aber wieder in den
neuen Stiele erbaut und macht sich sehr imbohsand. Auf einen
andern Fligel sind nun alle Sammlungen vereinigt und kommt
man durch einige Hefe erst bis dahin. Hier geht es Einen
aber auch balde wieder wie in Prag, denn da stirzen auch wie-
der eine Menge Lohndicner auf Einen zu, welche Einen das
Fremdartigte doch gleich an der Nase ansehn missen. Es ist
gerade als wenn ein todter Mattrose unter die Heifische kommt,
wo jeder nach ihm schnabft. Sie schlugen uns so viel Sehens-
wirdigkciten vor, daß ich wirklich gar nicht wußte, wohin man
zuerst gehen sollte, bis sie uns ohne unser Bewußtsein in die
kaiserliche Bibliodek fihrten, wohinaus man gelangt, wenn
man erst die an der großen Treppe rechts und links einge-
mauerten remischen Alterthimer liegen gelassen hat.
Es giebt doch wirklich für den ungetrübten Beohpachter
der sich für die Kunst und Wissenschaftlichkeit indereffiren thut,
keinen schönern Genus, als wenn Einer so viele tausend Bücher
in solchen schönen Einbenden fieht, von welchen cs aber frei-
lich eichentlich sehr unanstendig ist, daß fie den Beschauer den
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