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Rum bidiwum bidiwum, oder d

ganz unerwarteten Streich gespielt hätte. In dem Dorfe, wo
er und seine Mutter wohnten, hielt sich auch eine Försterswittwe
auf, von einem geringen Gnadengehaltc lebend. Diese war
eine gute und getreue Nachbarin und Gesellschafterin für
seine alte Mutter. Nun hatte die Försterin aber auch eine
Tochter, und die war, wie sich's ergab, eine ebenso gute und i
getreue Nachbarin und Gesellschafterin für ihn. Denn Lau-
rette hatte ein heiteres, lustiges Temperament und wußte
ihm mit ihren lachenden, vertrauenden Augen alle Trübsal aus
der Seele wegzulachen, und so kam's denn, daß die beiden sich
in ihrer Herzenseinfalt unter dem blühenden Apfelbaum seiner
Mutter verlobten und einander mit tausend heiligen Eiden zu-
schwuren, Freud und Leid, das da über sie kommen möchte,
mit einander getreulich zu theilen. Ach! von der Zeit ward es
unserm Traugott doppelt schwer, zu harren und zu hoffen,
und d'rum fuhr auch die Kunde von dem Tode des Hofpredigers -
in Merseburg wie ein Blitz, nein! wie ein blendender Hoff-
nungsstrahl durch seine Seele. Nicht daß er gehofft hätte, zu
dieser Stelle befördert zu werden; nein! so hoch gingen seine
kühnsten Erwartungen nicht. Aber der Glückliche, der sie
erhielt, mußte doch einem Andern Platz machen, dieser wieder
einem Andern, und so konnte ja auf der letzten Stufe auch
endlich an ihn die Reihe kommen, wenn noch Recht und Ge-
rechtigkeit im Lande war. Er thcilte seine neuerwachten Hoff-
nungen seiner Läurette mit, und diese bestärkte ihn darin mit
der ganzen Ueberredungsgabe, die Gott in ein Paar weibliche
Lippen und in ein Paar Mädchenaugen, die gern heirathen
möchten, gelegt hat.

So machte sich denn unser Traugott selbst auf den Weg
nach Merseburg. Sein Aeußeres an sich war zwar sehr em-
pfehlend; denn er war ein großer stattlicher Mann mit offenem
Auge und einer so sonoren, kräftigen Baßstimme, wie es kaum
eine ähnliche im Lande gab. Aber freilich sein fadenscheiniger
Frack, seine abgetragenen, an den Seiten mit Flecken versehenen
Stiefel, seine defekte Wäsche, sein abgeschabter Hut, ach! die
ließen viel zu wünschen übrig.

In Merseburg ging er zu den Herren Consistorialräthen;
aber da gab's wieder allerhand Ausreden und Winkelzüge.
Der Erste, zu dem er ging, nahm ihn gar nicht an und ließ
sich verläugnen. Der Andere erinnerte ihn wieder unter Achsel-
zucken an die fatale, leidige Geschichte aus dem Eise, die nun
bereits nahe an 20 Jahre her war. Der Dritte glaubte ihn
! darauf aufmerksam machen zu müssen, daß sich die angesehensten
j und verdienstvollsten Geistlichen des Landes zu diesem Ehren-
posten gemeldet. Der Vierte sagte, das Consistorium habe diese
Stelle gar nicht zu vergeben; Seine Durchlaucht der Herzog
habe sich die nähere Wahl Allerhöchstselbst Vorbehalten, und es
müsse ihm überlaffen bleiben, ob er sich als ein höchst obscurcr
Candidat zu einer Pfarrstelle, um die sich die angesehensten
Geistlichen des In- und Auslandes beworben, bei Sr. Durch-
laucht zu melden getraue. Nun wollte unser Traugott eben
betheuern, daß er ja keineswegs als Bewerber um die ein-
trägliche Hofprcdigerstelle, sondern um eine durch deren Besetzung
etwa vakant werdende geringere Stelle aufträte; aber da

ie Pfarrbesetzung in Merseburg.

machte der geistliche Rath ein verständliches Zeichen mit der
Hand, das so viel hieß als: „Ich empfehle mich Ihnen zu ge-
neigtem Andenken; ich habe keine Zeit, hier länger zu plaudern,"
und er trollte um eine Hoffnung ärmer und tief gebeugt unter
der Last seines widrigen Geschickes in seinen Gasthof zurück.

I Ach! er getraute sich kaum, in sein Dörfchen zurückzukehren
und seiner still hoffenden Mutter und seiner vertrauensvollen
Laurette mit dem Schiffbruch seiner Lebenshoffnungen unter
die Augen zu treten. Run besann er sich noch eben in seinem
Trübsinne, daß ihm Laurette einen freundlichen Gruß an einen
entfernten Verwandten, der unter der fürstlichen Dienerschaft
im Schlosse als Gärtner angestellt war, aufgetragen hatte, und
er ging, diesen Gruß auszurichten. Schweren Herzens durch-
strich er die ihm wohlbekannten Gartenanlagen um das Schloß
und fragte nach dem Gärtner Blumenbach und ward in's
Schloß gewiesen, wo der Gesuchte in einem Zimmer der Frau
Herzogin mit Aufstelle» frischer Blumen beschäftigt sei.

Er ging in's Schloß; und da er von seiner Schülerzeit j
darin Bescheid wußte, stieg er dreist die breite -Schloßtreppe
hinan, um in einem der Gänge, die vor den fürstlichen Ge-
mächern hinliefen, auf den Gärtner zu warten. Da wollte es
der Zufall, daß die Thür des großen Saales nur angelehnt ;
war. Schüchtern öffnete er sie ^etwas und sah hinein; es war !
der Saal, worin die Geigensammlung des Herzogs aufgehängt !
war. Hei! wie sah das lustig aus! In der Mitte der einen
Seitenwand war die allergrößte Baßgeige ausgehängt; sie hing
in Winden; denn sie war von so coloffaler Größe, daß man
auf ein sechs Stufen hohes Postament hinaufsteigen mußte, um
ihr Kopfende zu erreichen. Der Herzog nannte sie nur seine
Kriegsgeige. Denn nur jedesmal, wenn der Herzog einem
andern Fürsten des deutschen Reichs den Krieg erklärte, that er
einige kräftige Striche darauf. Sie brummte wie ein grollender <
Bär, und die Fensterscheiben klirrten im Saale, wenn sie ge-
strichen ward. Um sie herum hingen ihrer Größe nach in
symmetrischer Reihenfolge die übrigen Geigen und Fiedeln. Ob
er wohl hineingehen durfte, sich diese Raritäten zu besehen?
Schüchtern und unschlüssig zauderte er eine Weile; aber es
war rings umher und in dem weiten Saale und aus den langen
Gängen alles so still; kein Menschenkind war in der Nähe,
und überdem war's ja auch kein Majestätsverbrechen, durch eine
offene Thür zu treten und die seltenen Geigen zu betrachten.
Wenn er auch jetzt noch zögerte, so kräftigte ihn doch der
plötzliche Gedanke, daß er auch seines theuern lieben Vaters
herzgeliebte Geige, die Gespielin seiner eigenen glücklichen Jugend
unter den vielen, die die Wände des weiten Saales schmückten,
finden werde, seinen Entschluß. Er trat ein, ließ forschend
und suchend seine Augen hinlaufcn an der reichen Auswahl
aufgestellter und aufgehängter Streich-Instrumente. Jede Geige
trug ihren eigenen Namen auf einem Zettel, der darüber geklebt
war. Sein Auge haftete nicht lange an der Gcheimraths-
Geige, ebenso wenig auf der Reisegeige, die an Größe zwischen
dem Cello und der Baßgeige die Mitte hielt; nein! er suchte
nur nach seines Vaters Geige. Bald hatte er sie gefunden;
sie trug jetzt den Namen Sonora.
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