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Rum bidiwum bidiwum, oder die Psarrbcsetzung in Merseburg.

Ach! wie hüpfte ihm das Herz vor Freude, vor inniger
Freude, als er die treue liebe Gefährtin seiner Jugend wieder-
sah ; er konnte sie ja nicht verkennen! unter tausend ähnlichen
j hätte er sie im Dunkeln herausgefühlt. Welche Fluth von
! Erinnerungen weckte sie in ihm auf! Wie oft hatte er in dem j
| kleinen Stübchen daheim gestanden und, gespielt, während die
gute Mutter schon schlief, der gute alte Vater aber verklärten
Auges dabei saß und sich an dem Spiel und an der Hellen Stim-
me der Geige herzinniglich erfteute, ja! auch wohl mit an- j
dächtiger Stimme ihn leise brummend und summend begleitete,
wenn er mit kräftigen Strichen das traute Kirchenlied geigte. >
Alle die letzten zehn trübseligen und armseligen Jahre, in
die die Liebe seiner Laurette als einziger Lichtblick hinein-
leuchtete, waren auf einen Augenblick wie verschwunden aus
seiner Seele; die Jugendzeit, die schöne, Helle, goldgesäumte,
ftühlingsheitere Jugendzeit mit ihren weichen, verlockenden Far-
benkönen lag vor ihm, und das Herz hüpfte ihm unwillkürlich
in der Brust. Ob sie wohl noch ihre alte, gute, helle Stimme
hatte, diese Geige? Ach! dürste er sie nur herabnehmen und
sie nur einen einzigen Ton sprechen, singen lassen, nur einen j
einzigen! Aber konnte das was schaden? Im Augenblick war
sie ja wieder an ihre Stelle gehängt! Kaum gedacht, hatte er
auch schon Geige und Bogen in der Hand, und that einen
leisen, schüchternen Strich. Ach! dieser Ton, dieser einzige
Ton, der alte, seit 18 Jahren nicht gehörte Ton, wie ging
er ihm ans Herz und durch die Seele; wie leise klagend, wie
tief wehmüthig, wie zärtlich vorwurfsvoll zitterte er wie ein tiefer
Seufzer aus der Seele der geliebten Geige in die seinige hin-
ein, als wolle sie sagen: „Warum habt Ihr mich doch ver-
stoßen, die ich Eurer Aller Herzen einst so nahe stand, ver-
stoßen aus dem kleinen, traulichen Hause, in dem ich mit Euch
so glücklich war, in diese kalte, öde, vornehme Welt, wo mir
Alles fremd ist, wo Niemand mit mir spricht, Niemand mich
die lieben, kleinen, unvergeßlichen Lieder singen läßt, die ich
Euch so oft und so gern vorsang." Ach ja! diese lieben, klei-
nen Lieder sie waren unvergeßlich! standen, lebten sie doch in
diesem Augenblicke wieder in aller Frische vor der Seele un-
sers Traugotts mit all dem Zauber, den Gott zur Freude
und zum Labsal guter Menschen in ihre Worte und Weisen
gelegt hat. „Ja! wir haben Dich, Du liebe traute, langjäh-
rige Freundin unsers Hauses, verstoßen, Du Treue, Du Ge-
liebte! meinetwegen und aus Roth, aber nur aus unserer
Nähe, aus unserm Besitze, nicht aus unserm Herzen und aus
unserer Erinnerung. Klage doch nicht so, liebe, gute Geige,
es geht mir ja wie ein Schwert durch die Seele!" Und un-
willkürlich drückte er sie fester an sein Kinn und an seine
Brust, als wolle er ihr zeigen, daß er sie noch lieb habe, und !
ohne daß er's eigentlich wollte, zog seine Hand einen zweiten
Bogenstrich über ihre Saiten; ach! er klang so rührend dank- !
bar, wie das Wort eines verlornen und wjedergefundenen Kin-
des am Busen der Mutter, so bittend, so innig flehend, ihr
! noch einmal sein Ohr zu leihen, sie habe so viel zu sagen und
j zu klagen, zu bitten und zu danken, wie rührend wie inbrün-
> stig bat, flchete die alte Geige ihn in diesem Tone an, weiter

zu streichen und zu spielen. O! es folgte auch, ehe er's noch
dachte und wollte, ein Strich dem andern, seine Hand war's,
die keine Vernunft annehmen wollte. Es war ihm fast, als
ob ein ganz Anderer geigte, als ob er selbst nur dabei stehe,
zuzuhören und zu lauschen, so verdutzt, so außer sich war er
über diese Töne, die sich ihm wie flatternde selige Träume
ans Herz drängten und seine Seele umjauchzten und berausch-
ten. Aber es waren ja auch die lieben kleinen einfachen Lie-
der, die aus diesen Tönen wie Lichtbilder hervorwuchscn, die
Lieder, die sein alter Vater ihn gelehrt und die ihm so oft
Freuden- und Wehmuthszähren in's Auge gelockt, und diese
Lieder sang jetzt die Geige, sich zärtlich an seine Brust schmie-
gend, so herzinnig, so verlockend, so hinreißend daß er lange,
lange dastand und geigte, und immer mit größerer Spannung,
Erwartung und Verzückung geigte und lauschte, ohne Pausen zu
machen, ohne Athem zu schöpfen, und dabei gar nicht merkte
und gewahr ward, daß ein alter, wohlbeleibter Herr eine Sei-
tenthür öffnete, erst neugierig mit dem Kopse hineinsah und
dann leise und auf den Zehen gehend in den Saal trat und

kaum 10 Schritte hinter ihm stehend mit immer wachsendem !
Erstaunen und seltsamer Verwunderung dem eigenthümlichen *und j
den begleitenden Umständen nach, sonderbarem Spiel zuhörte. !
(Fortsetzung folgt.)

2*
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Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Rum bidiwum bidiwum, oder die Pfarrbesetzung in Merseburg"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Muttenthaler, Anton
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Herzog
Violinspiel
Geiger <Motiv>
Violine
Karikatur
Schloss <Motiv>
Innenraum <Motiv>
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 25.1856, Nr. 578, S. 11
 
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