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Die Puppe.

— Sein Auge leuchtete, seine Gestalt hob sich, sein Gang war
elastisch geworden, der ganze Mensch schien um einige Zoll ge-
wachsen zu sein. In der Hand hielt er ein, mit einem großen
, Siegel versehenes, ausgeschnittenes Packet.

„Herr Stadtrath", begann er mit etwas zitternder Stimme,
die sich aber bald wieder kräftigte und ihn seinen Weg klar ver-
folgen ließ — „durch dringende Verhältnisse getrieben, sehe
! ich mich noch einmal, zum letzten Male gezwungen, den
i Stadtrath und — Vater in Ihnen aufzusuchen."

„Herr Lehmann —"

„Sie wissen, daß ich aus gewiesen bin, und mir befohlen
ist, heute Morgen bis eilf Uhr die Stadt zu verlassen. Sie
j wissen aber auch, auf welche Zeit Sie mich damals, als ich es
; wagte, um die Hand Ihrer Fräulein Tochter anzuhalten, ver-
! trösteten. Die Zeiten haben sich jetzt geändert, denn das, was
ich damals erst erwartete, erhoffte, ist geschehen. Ich bin
bei der — Zeitung als Mitredakteur mit 800 Thl. festem Ge-
halt angestellt — wenn mir die Annahme dieses Erbietens näm-
lich nicht durch meine Ausweisung unmöglich gemacht wird.

Aber auch noch in anderer Weise hat sich meine Laufbahn
günstig und ehrenvoll gestaltet. Nicht mehr als unbekannter, un-
erkannter Literat stehe ich vor Ihnen, denn mit der Anerkennung
meines Monarchen habe ich heute den schönsten, ehrenvollsten
Sieg errungen."

„Sie spanne» meine Neugierde auf das Höchste", sagte der
j Stadtrath, wirklich erstaunt denjungeneraltirten Mann anschauend.

„So hören Sie denn", fuhr Adolph begeistert fort. „Sie
j erinnern sich vielleicht, daß ich damals Ihnen gegenüber ein litera-
! risches Produkt erwähnte, von dem ich mir bedeutenden Erfolg ver-
sprach — meine kühnsten Erwartungen sind darin übertroffen — ich
bin für jenes Gedicht, das ich zum Besten der armen Schlesier
herausgegeben,, von Sr. Majestät dem König mit dem Hofraths-
titel und dem rothen Adlerorden vierter Klaffe beehrt worden."

„Wär' es möglich?" rief der Stadtrath Mäushuber, wirk-
j lich aufs Aeußerste überrascht.

„Hab' ich jetzt zu viel versprochen," fuhr Adolph, in edler
I Wärme erglühend fort, wenn ich damals meinen eigenen Fähig-
keiten vertraut? und glauben Sie nicht, daß Louise an meiner
Seite das Glück finden kann, das sie verdient, daß ich selber
ihrer würdig bin?"

Es bedurfte nicht weiterer Worte für das Herz des Vaters.

„Werther Hofrath," rief der Stadtrath gerührt, und schloß
den viel versprechenden Jüngling an sein Herz.

Was bleibt noch zu erzählen? — daß dem Verbleiben des

Hofräth Lehmann in H. keine weiteren Hindernisse in den

Weg gelegt wurden, versteht sich von selbst, und was die Ver-
lobung der beiden jungen Leute betraf, so bestand der Stadt-
rath selber, — zu seines Schwiegersohnes, nicht zu Louisens
Staunen — darauf, daß sie noch an demselben Tage gefeiert wurde.

Nur eine Bitte hatte der Stadtrath anseinen glücklichen,
j ja überseligen Schwiegersohn, der sich plötzlich auf dem Gipfel
' aller seiner Wünsche fand, und ordentlich schwindlich wurde,

I wenn er in die Tiefe schaute. Diese betraf indeß nichts Geringeres

als: das künftige Unterlassen des Flötenspieles, und zwar nicht >
nur als einfachen Waffenstillstand, sondern als gänzliches Ein- !
stellen aller Feindseligkeiten. Adolph bewilligte dieß; er brachte j
dem alten würdigen Herrn mit Freuden solches Opfer.

Was die Puppe betraf, so blieb sie von diesem Augenblicke
an verschwunden. Der Stadtrath entdeckte allerdings nach einiger
Zeit die Verletzung des Siegels, erwähnte jedoch in seinem Hause
kein Wort darüber.

Bald darauf kaufte er sich in einem anderen Theile der |
Stadt an, und die Puppe selber wurde eines Abends ganz in j
der Stille, von dazu beauftragten Leuten auf das Rathhaus |
gebracht, und dort eingestellt. Nichts destowenigcr behielt das j
Gebäude selber seinen Namen, unv so lange es steht wird es wohl j
im Volksmunde nicht anders heißen als: „Das Puppenhaus!" j

Ein neues Lied,

im höhern Chore zu singe».

Schweigend in der Abenddämmerung Schleier
Steht die Form, aus Lehm gebrannt,

Sie hat der Leier zarte Saiten,

Doch nie des Bogens Kraft gespannt.

An schönen Svmmertagen,

Wann lau die Lüfte wehn,

Sieht man sie rennen und jagen,

Um das Rhinoceros zu seh'n,

Das streng und ernst nach alter Sitte
Jetzt eben durch der Griechen Mitte
Am Wanderstabe schritt daher,

Als ob die Gottheit nahe wär.

Und schon wechseln sie der Treue Zeichen,

Da flüstert sie leise, sie kann's nicht verschweigen:

„Roch ist Polen nicht verloren,

Denn auch ich bin in Arkadien geboren.

Wo die Luft so leicht, wo die Sonne so klar,

Wo durch dunkle Buchengänge
Zum Kampf der Wagen und Gesänge
Fliegt duftend das bekränzte Haar!

Deutsches Herz, verzage nicht:

Die Weltgeschichte ist das Weltgericht!

Und Erstaunen ergreift das Volk umher,

Denn schlecht und recht ein Bauersmann
Mit grobem Kittel angethan
Liegt über'm ganzen Hause schwer.

Mit schwanker Gert' ein Schlag davor
Zersprengte Schloß und Riegel;

Hoch hielt der Graf den Preis empor,

Doch cs fehlen ihm Schwingen und Flügel.

Und es blitzt aus den Augen ihm kühn,

Und wo die Haare lieblich flattern
Und hell vor Freude sprüh'n,
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