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186

Die Preis-Komposition.

(Schluß.)

Als aber das Borspiel zu Ende und in den Cantus firmus
übergegangen war, da hatte Franz Zeit und Ruhe, aufzuathmen,
da trocknete er sich mit der einen Hand den Schweiß von der
Stirne, während die andere sortspielte, da fühlte er denn auch
ein weiches Klopfen an seiner Schulter und er schaute sich lächelnd
um nach dem lieben Greise, von welchem dieß Zeichen der Zu-
j friedenheit und der Anerkennung kam.

! Der Gesang war zu Ende und das Schwerste vorüber.
Franz war von der geistigen wir körperlichen Spannung tief
erschöpft. Seine Wangen glühten, sein Herz pochte in hörbaren
Schlägen, die Pulse fieberten ihm. Er bedurfte einer kurzen
Ruhe. Der Geistliche hatte die Kanzel betreten und seine Pre-
digt eingeleitet. Franz durfte auf eine Pause von einigen Mi-
nuten rechnen. Er athmete tief auf und feine Augen flogen
empor. In diesem Augenblicke begegneten sie dem Bilde Lorchen's
I im Spiegel; er glaubte in ihrem Antlitz die ganze tiefe Freude
ihrer Seele lesen zu können. DaS volle Glück feines Triumphes
■ durchzitterte ihn. „Um Dich/" sprach er leise und träumerisch
in sich hinein, „um Dich, Du theures Kind, galt dieser Kampf,

! ■— und, o des süßen Preises, der ihn krönen wird!"" — Es
waren wohl sündliche, strafbare Gedanken, die sein Herz in diesem
j Momente und an diesem Orte bewegten, und doch wie selig
! ging er ihnen nach, und verfolgte ihren Flug Über Tage, Wo-
j chen und Monden hinaus, bis sie vor dem ersehnten Ziele hiel-
ten, bis die Holde an seiner Seite vor den Stufen dieses Al-
; tares stand, und der Priester sie Beide segnete, und die Orgel
! wieder ertönte, dann aber zu seinem eignen Hochzeitfeste und bis...

Da klang's in seine Träume hinein, wie die Erinnerung
! an ein bekanntes liebwerthes Lied und führte seine Gedanken
> auf neue Wege, und umstrickte ihn mit immer neuen und andern
j Bildern von Frühling, Wald und Haide, darin er und die Liebste
wandelten. Was er aber halb gehört und halb geträumt, das
waren die Worte des Predigers, in denen dieser die Gemeinde
I aufgesordert hatte, zur Erhöhung der Andacht eine Strophe aus
s, dem Gesangbuche zu singen, also beginnend:

! Mach' auf die stillen Pforten,

O Herz, mit Dankbegier,

Groß' Heil ist dir geworden,

Der Herr will ein zu dir.

! Die tiefe Stille, welche diesen Worten folgte, weckte Franz
aus seiner Traumwelt. Er sollte nun mit der Melodie des be-
zeichneten Verses einfallen; schon harrten Pfarrer und Gemeinde,
auch der alte Kantor neben ihm tippte ihm auf die Achsel; —
erschreckt emporfahrend, hatte Franz aber nur noch die Äus-
klänge der halb gehörten Strophe im Ohr, und dem Schlaf-
trunkenen gleich/ der in den ersten Augenblicken des Erwachens
Nacht und Morgen nicht zu trennen vermag, — noch der Bilder
und Töne voll, die ihn umschwirrten, griff er in die Tasten,
j und durch die Hallen klang die Weise eines alten Liedes, also
lautend:

Thu' auf die dunklen Pforten,

Mein Herz du zagest schier,

Der Lenz ist aller Orten,

Der Lenz will ein zu dir.

Franz war noch nicht bis zu dieser Stelle gekommen,
als er sich von raschen Armen ergriffen und durch einen kräf-
tigen Ruck von der Orgelbank weggeschoben fühlte. Ein wirres
Gekreisch von scharfen Mirturtönen und das brummige Geheul
der Baffe verkündeten die unvermuthet eingetretene Katastrophe.
Alle Köpfe wandten sich nach der Orgel. Droben stand bleich
und zerstört der junge Organist, während der Alte mit schneller
Fassung den arg gestörten Kirchengesang wieder in das ruhige
Geleis zu bringen strebte.

„Aber um's Himmels willen, Franz, was hast Du ge-
macht!"" rief der Greis, die Hände über den Kopf zusammen-
fchlagend, im Nachhausegehen,

„Aber, lieber Vater,"", antwortete jener, „wer kann für
Unglück! Und alles Wehklagen macht leider die Sache nicht
besser. Es . hat nicht sein sollen. Der fatale Spiegel!"" —

In der Stubenecke saß bereits mit verbundenem Kopfe
Lorch en, die Schürze vor den Augen. Das war ein Anblick
zum Herzbrechen. Franz vermochte ihn nicht zu ertragen; er
stürmte hinaus in Feld und Wald. Erst die finstere Nacht fand
ihn wieder auf dem Heimwege.

Rach vierzehn Tagen erhielt der alte Lehrer ein Regier-
ungsschreiben, worin er seinem Anträge entsprechend mit einem
Ruhegehalte von hundert Thalern seines Amtes entbunden, als
sein Nachfolger aber, nach bewiesener Unfähigkeit des vorgeschla-
genen Franz — bert, der bisherige Lehrer N. N. ernannt wurde.
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

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Titel/Objekt
"Die Preis-Komposition"
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Fliegende Blätter
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Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

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Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Muttenthaler, Anton
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Organist
Orgel <Motiv>
Unterbrechung
Kirchenbau
Karikatur
Orgelspiel
Gottesdienst
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

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Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 25.1856, Nr. 600, S. 186
 
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