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Die Preis-Komposition.

Der Konzertmeister.

Wieder einige Tage später zog ein junger Mensch in
frühester Morgendämmerung zu dem Markte Lindheim hinaus.

! Sein trübes, verweintes Auge wandte sich an der Ecke des
! Gäßchens noch einmal nach dem verlassenen Hause um, aus
j dessen Fenster ein bleiches, in Thränen schimmerndes Angesicht
ihm einen letzten Gruß zusandte. Dann zog er, ein Bild tiefen,
seelenticfen Schmerzes, langsam und still seiner Straße. Er
grüßte und dankte Niemand; die Welt war todt für ihn; er
wünschte mit dem fallenden Laube verwehen und vergehen zu
können. Elend und ermüdet, denn er hatte sich den Tag über
j kaum die allernöthigste Labe gegönnt, pochte er bei sinkender
Nacht an dem Försterhause zu Wörbach an. „Ei, Gott zum
| Gruße, Herr Schulprovisor!" rief ihm die alte, gute Försierin
| entgegen. „Was führt Sie so unerwartet hieher?"

Franz bot mit trübem Lächeln seinen Gruß. „Ich komme,"
i sprach er, „um der Gemeinde meine Dienste anzubieten, wenn
i sie deren noch bedarf."

„Ach, wie Schade," sprach die Frau, „wie tausendmal
! Schade! Die Gemeinde hat auf Ihre Ablehnung hin bereits
einen andern jungen Lehrer gewählt. Wer doch nur an eine so
baldige Aenderung Ihres Entschlusses hätte denken können! Es
ist tausendmal Schade!"

Franz stand bleich wie eine Marmorbüste; er hatte kein Wort
j mehr. „Darum können Sie doch, meinte die wackere Försterin,
bei uns bleiben, bis sich irgend eine andere Stelle für Sie
austhut. Und eigentlich ist es gut, daß Sie gekommen sind,
j denn es liegt schon seit einigen Tagen ein dicker, schwerer Brief
mit Ihrer alten Adresse für Sie da, mit dem wir immer nicht
j wußten, wohin damit. Es muß Geld darin sein, viel Geld,
denn es steht außen eine schöne Summe bemerkt; und wir
mochten deßhalb den Brief nicht gern unbekannten Botenleuten
anvertraucn.

Franz faßte inftinktmäßig das Schreiben; er las es, und
las es wieder, und las es zum drittenmale. Die lichten Thrä-
1 neu rannen ihm über die Wangen; er hinderte sie nicht; wäre
er doch am liebsten in die Kniee gesunken vor Hellem Dank und
Jauchzen. Erwartungsvoll standen die Freunde um ihn her, sie
sahen sein Entzücken, ohne noch dessen Grund zu kennen. Mit
bewegter Stimme eröffnetc ihnen Franz, dieß Schreiben rühre
von dem Vorstande des deutschen Musikvercins zu —bürg her
und sei im Auftrag des dortigen Fürsten, als Protektors jenes
Vereins, geschrieben. Darin sei ihm, Franz nämlich, für eine
früherhin eingesendete Liederkomposition der erste Preis mit
100 Thalern zuerkannt und im Auftrag des Fürsten die Ein-
j ladung an ihn gerichtet worden, als Mitglied in. die fürstliche
Hofkapelle mit einem vorläufigen Gehalte von 300 Thalern !
einzutreten; 25 Thaler als Entschädigung für Reisekosten lä- j
gen bei.

Run wollte es der Mitfreude und des Beglückwünschens
schier kein Ende nehmen. Wie es denn geht, daß wir immer
auch um so viel mehr in der Schätzung unsrer Umgebung wach-
sen, je höher uns die Außenwelt in Ansehen stellt, so Massen
auch die wackern Leute ihren jungen Bekannten von Stund an -

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mit ganz andern Augen und sie wetteiferten in Beweisen ihrer
Liebe und Achtung.

Des andern Tages rollte ein offenes Wägelein, mit einem
tüchtigen Braunen bespannt, über die holperigen Feldwege der
Heerstraße zu, und wer aus demselben seelenvergnügt in die
Welt hinaus schaute, das war Franz. Die heute von den
Bäumen niederrauschenden Blätter sangen ein ganz anderes Lied
als gestern, und die über ihm ziehenden Wolken waren die Bo-
ten seiner zärtlichsten Grüße in die Ferne. Roch wollte er mit
der Nachricht seines Glückes zurückhalten, bis er dessen völlig
versichert sei, und dann sie seinen Lieben selbst übcrbringen. Am
zweiten Tage fuhr er in die fürstliche Residenz ein. Seine Kaffe
erlaubte ihm einen gewählteren Anzug. Das kleidete ihn treff-
lich, und sich im Spiegel beschauend, bekam er fast vor sich sel-
ber Respekt. Der Fürst, ein großer Musikfreund, und selbst
hochbegabter Tonsetzer, empfing ihn huldreich. Franz mußte
vor ihm auf dem Flügel phantasiren; er befriedigte durch seine
Leistungen und durch sein schönes Kompositionstalcnt den fürst-
lichen Mäcen im hohen Grade. Bald nach seiner gnädigen Ent-
lassung empfing Franz ei» Schreiben mit mächtigem Siegel.
Er wagte aus lauter Scheu vor dem fürstlichen Wappen lang
nicht, es zu öffnen. Endlich, ein zager Schnitt in den Umschlag,
und er fand die Bestallung als fürstlicher Konzertmeister mit
500 Thalern Gehalt.

Die Sonne war nicht dreimal über das Land gegangen/
so fuhr unter dem Schalle des Posthorns, im bequemen Post-
wagen der junge Konzertmeister durch das Thor und die Straßen
von Lindheim. In dem Stübchen, darin der guieszirte Organist

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Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Die Preis-Komposition"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Muttenthaler, Anton
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Liebespaar <Motiv>
Organist
Rückkehr <Motiv>
Karikatur
Umarmung <Motiv>
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 25.1856, Nr. 600, S. 187
 
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