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I

202 Eine Mutter

Den alten Werken rühmen ihre Verehrer besondere Ein-
! fachheit und Naivctät nach und nun fragen wir jeden Unbc-
! fangenen, kann man sich etwas Einfacheres und Naiveres denke»,
als eben dieses Kunstwerk?! Es ist so naiv, daß sich der Be-
schauer, wenn er sich iu's Anschauen so recht hineinversenkt hat,

' unwillkürlich in der Kindheit erste Zeit zurückversetzt wähnt,

! vorausgesetzt, daß er sich überhaupt einen hiefür empfänglichen
Sinn bewahrt hat und ihm so zarte Saiten bei der Berührung
»och klingen; mit einem Wort, um uns eines Gemeinplatzes
zu bedienen: Das Ganze heimelt uns an.

Die gerühmte Einfachheit kann wohl kaum mehr gedacht
werden, als cs uns hier namentlich in der Gewandung er-
! scheint. Wie weit entfernt ist doch dieser einfache Faltenwurf
von der übertriebenen Manier der sogenannten Rococo- oder
Zopfzeit, deren flatternde Gewänder ein Bild der flatterhafte»
Moral jener Zeit sind.

Dem aufmerksamen, denkenden und fühlenden Beschauer
kann ferner nicht entgehen, .wie durch die Länge der Untergcwänder
der Künstler cs sorgfältig vermieden hat, unlautere Begierden
bei Betrachtung seines Kunstwerkes zu wecken, eine Tugend,
die den antiken Statuen leider nur selten nachgerühmt werden
kann. Wie glücklich unser Künstler die Klippe, an der sehr ein-
| fache Kunstwerke oft scheitern, nämlich eine gewisse Steifheit,
vermiede» hat, davon giebt der anmuthig um das Kind ge-
schlungene rechte Arm glänzendes Zeugniß. Daß nur eine Mutter
und nicht etwa eine gemielhetc Amme ein Kind so umschlingen
kann, darüber belehrt uns auch ein Blick auf de» Busen, dessen
gänzlicher Mangel wohl noch nie an einer Amme gesehen wurde. !

Doch alle bisher gerühmten Vorzüge steh» weit hinter der !
durchdachten und innig empfundenen Charakteristik zurück, welche !
sich in den Gesichtszügen der Mutter, wie ihres Sprößlings !
ausspricht und den Blick des Beschauers fesselt. Hier hat der
Künstler seine geniale Kraft in reichstem Maße verschwendet.
Welche Aehnlichkeit zwischen -Beide»! eine Achnlicbkeit, wie sie ;
eben nur eine Mutter dem Kinde verleihen kann. Hier ist es,
wo sich uns abermals ein Vergleich mit der antik-griechischen
Gesichtsbildung aufdräugt, die sich namentlich in der Linie zwi-
schen Stirn und Nase zeigt, obwohl die Nase einen aristokratischen
Bug hat, wie ihn wohl Semiramis gehabt haben mag. I»
den seinen Lippen spricht sich eine mütterliche Strenge aus, die
noch manche» Schilling für den Sprößling in Aussicht stellt.
Der Blick ruht nicht lächelnd aus dem Antlitz des Kindes, wie
dieß nur allzugewöhnlich ist, nein! auch hierin zeigt der Künstler
so viel Originalität als Tiefsin». Der Blick der Mutter scheint
vielmehr in dem weiten Weltraum umhcrzuschweisc», als ob er
hier die Zukunst des Kindes lesen wollte; oder hat der Künstler j
! diesem Blick etwas Drohendes beilegen wollen, um alle diejenigen
' zurückzuschcuchc», die es sich einsalle» lassen sollten, ihrem Kinde
Unbilden zuzufügcn? — Hier müssen wir unsere Schwäche gestehen,

. de» Künstler nicht ganz verstanden zu haben, vielleicht, daß es
! später» Zeiten aufbcwahrt bleibt, hierüber in's Reine zu kommen,

! denn so gut cs" eine Musik der Zukunft giebt, scheint uns in
diesem Werk eine Plastik der Zukunft auszugehen, die vielleicht
! erst kommende Geschlechter vollkommen zu würdigen wissen werden.

mit ihrem Kinde.

Diese Betrachtung gewinnt an Interesse, wenn wir die
Hände der beiden Gestalten bewundernd anschauen; deren Finger
sind nicht, wie es bis jetzt ein vielleicht falscher Künstlergebrauch
mit sich brachte, erhaben gearbeitet, sondern im Gegentheil cin-
geschniiten. Es wäre zu wünsche», daß diese Manier, welche
das Verfahre» bedeutend vereinfacht, als ein Fortschritt der Technik,
Anklang finde» möchte. Doch dieß ist leider bei deutschem Künstler-
stolz kaum zu hoffen, vielleicht, daß cS eher Nachahmer unter
französischen Künstler» findet, welche keine Gelegenheit versäumen,
es sich leichter zu machen.

Nun wollen wir noch zum Schluß einer Ertravaganz des
Künstlers gedenken; wir meinen das hinter der mütterlichen Figur
angebrachte Pfeifchen. Der Künstler möge es uns nicht ver-
argen, wenn wir dieß als einen Ausfluß scherzhafter Laune be- >
trachten, einer Caprice, von denen originelle Künstlernaturen
selten frei sind. Das Pfeifchen gehört unseres Bedünkens nicht
nothwendig zum Kunstwerk, aber nehmen wir es als eine an-
genehme, liebe Zugabe, die harmlos, wie sic ist, doch gewiß Nic-
maudcu schadet. Der Künstler zeigt damit, wie er sich so gar
nicht vor einer boshaften Kritik scheut, und dieß gerade gibt
seinem Genie die echte Weihe. Daß dieses Pfeifchen an einem
Körperthcil angebracht ist, wo es doch bei einer wohlerzognen
Dame nicht hingehört, darf uns auch nicht anfechten; der Künst-
ler hat sich gewiß nichts Arges dabei gedacht und Honny soit,
qui mal y pense!

Thüringische Geschichten.

Bauer und Advokat.

Advokat: „Nun, Hannickel, sein Prozeß ist so weit,

daß Er einen Termin beim Krcisgcrichte haben wird. Will Er
den selbst steh'u, oder soll ich ihn für Ihn abhalte»?"

Bauer: „Nä, Herr Avejate, jeh'u Sie lieber Heu, vör
Sie Hann die Leüte gleich merre Abscheu!"

Das Erbbegräbniß.

Nichte: „Nun, liebe Tante, ich habe gehört, Du hättest
Dir ei» Erbbegräbniß gekauft!"

Tante: „I, gucke ä mal an, Lieschen, da möchtest Du
Dich wohl auch gleich mit 'neinläppern?"

Auflösung des Rebus

in Nr. 625 der Fliegenden Blätter:

Kalcrgis.

(Ka' Ltrch' is 's.)
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