Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
00

Der neu c Frack.

und mit philosophischem Gleichmuthe stieg der Rath
die Treppe hinab aus die Straße. Zischelnd folgten
ihm die ehrbaren Bürger von St. — so hatte seit
Menschengedenken noch Niemand den Rath gesehen.
Wie er gravitätisch daherschritt, mit den Absätzen
der Stiefel die allzulangen Pantalons zertretend, die
rosa gefütterten Schöße des stahlgrünen Fracks bei-
nahe im Staub schleppend, eiugezwängt in die zwei
letzten Knöpfe desselben und kirschroth vor Hitze und
Athemlosigkeit — es war ein sonderbarer Anblick!

Frack die Ankunft seiner Erccllcnz celebrircn." — Unterdeß
rückte der große Tag schnell heran. Zm Müller'schen Hause
wurde gebohut und geputzt, Tapezierer, Tischler, sogar ein
Maler rannten ab und zu um die Appartements für die Er-
cellen; zu schmücken. Leider mußte zur Herstellung eines
separirtcn Einganges das Schlafzimmer des Rathcs ebenfalls
der Erccllenz eingeräumt werden, weßhalb der Rath in ein
anderes Gemach provisorisch einquartirt wurde.

Müller rannte fieberhaft umher. Triumphbogen, weißge-
kleidete Mädchen, Rosen, Trompeten und Pauke», Transparente,
Böllerschüsse, summten und brummten in seinem Kopse herum.

Endlich brach die Morgenröthc dieses für die gute Stadt
St. so merkwürdigen Tages heran. Aber alle die schönen
Empfangs - Feierlichkeiten wurden durch die Ercellenz selbst
verdorben, höchstwelche geruhte», in tiefer Nacht anzukom-
men und im Hause des Herrn Bcrgrathes abzusteigen. In-
dessen wurde von Seite der Ercellenz deren Dank für den
guten Willen und hochderer Absicht bekannt gemacht, um eilf
Uhr Vormittags sämmtliche Honoratioren im Sitzungssaalc
des Rathhauses zu empfangen. — Es schlug bereits zehn Uhr
und Rath Müller trabte noch immer im Kaffeebraunen im
Garten herum, Angstschweiß auf der Stirne, den» er hatte
seine Rede noch immer nicht ganz memorirt. Da stürzte seine
Gemahlin in den Garten hinab und rief: „Aber, lieber

Müller, soeben schickt sich die Ercellenz an, nach dem Rath-
hause zu gehen! Es ist höchste Zeit, Dich umzukleiden, ich
werde einstweilen den Grasen aufzuhalten suchen. Fort, fort!"

Seufzend steckte Müller sein Manuskript in die Tasche
und stürzte hinauf, sich umzuklcidcn. Aber kopfschüttelnd be-
trachtete er die Kleidungsstücke, die ihm die Gunst seines
Gönners erhalten sollten. Fluchend zwängte er seine Beine
in ein Paar klafterlange, unendlich schmale Pantalons, fluch-
end fuhr er in den berühmten Frack, der stahlgrün war und
mit Rosaseide gefüttert. Müller war ziemlich klein und be-
leibt, Frack und Pantalons- aber für einen magern, baumlangen
Mann. — Indessen blieb keine Zeit zum Aendern übrig

Indessen, das kümmerte den Rath Müller nichts. „Nun
hat meine Frau ihren Willen," dachte er; „nun bin ich ein-
mal nobel und modern gekleidet." So war er endlich im Saale
angelangt, wo ihn höchst verwunderte Blicke begrüßten, die er aber
alle auf Rechnung der neuen Mode setzte. Draußen tönte Hurrah
und Hoch auf seine Ercellenz und gleich darauf trat selbe
ei», höchst herablassend die Versammlung grüßend. Nun war
es an Rath Müller, als Festredner vorzutrcten und die
Schleußen seines Geistes zu öffnen. — Dies; geschah auch.
Aber kaum hatte er einige vollendet schöne Sätze gesprochen,
die Verdienste Ihrer Ercellenz berührt — als diese stutzte
und ihn mit den Blicken zu verzehren schien. Nach weiteren
vier Sätzen verfinsterte sich Dero Antlitz merklich und plötzlich
mit einer Handbewegung den Strom der Rede hemmend,
fragte die Ercellenz kalt: „Mein Vcrchrtester! wie kommt es,
daß Sic meinen Frack, meine Pantalons tragen?"

Stummes Entsetzen! Aber Rath Müller im Bewußtsein
seiner Unschuld stammelte devot lächelnd: „Ercellenz verzeihen,
der Frack und die besagten Pantalons sind mein!" — „Un-
möglich," schnaubte die Ercellenz, „ich erhielt sie vor vierzehn
Tagen aus Paris!" — „Und ich vor drei Tagen vom
Schneider Fips in K.," replizirte mnthig der Rath. —- Auf
der Stirne der Ercellenz zog sich ein Gewitter zusammen,
auf der des Rathes Perlen der Angst. Um besagte Perlen
hinwegzuwischen, fuhr Müller instinktmäßig in die Tasche und
zog ein weißes Sacktuch hervor. Neues Staunen der Ercellenz.
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Der neue Frack"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Frack
Ratsherr
Schneider
Maßschneidern
Karikatur
Kleidung <Motiv>
Körpermaße
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 34.1861, Nr. 820, S. 90
 
Annotationen