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154. Die kleinen

gütlichen Vergleich war ihm ein Greuel. — So standen die
Angelegenheiten, als des Hofgärtncrs Nichte den Entschluß
faßte, Wcissig zu verlassen, um sich und ihrem Oheim jede
weitere Verlegenheit zu ersparen, denn dem Obristlieutenant
war cs Ernst, das junge, frische, hübsche Mädchen mit seinem
Schloßhauptmann zu vcrhciratheu, thcils, um nach seiner An-
sicht dem Mädchen eine gute Parthie zu verschaffen, haupt-
sächlich aber, um der Herzogin einen Aerger zu bereiten, da
der Bräutigam Röschens der Leibjägcr der Herzogin und der
Sohn der Drchnaer Schloßwirthschasterin war.

Und nur wenige Minuten, nachdem Röschen durch den
Garten entschlüpft und auf Seitenwegen sich aus dem Bereich
der Flcmming'schen Macht entfernt, während eine Magd des
Schloßgärtners mit den in Eile zusammcngcpacktcn wcrthvollsten
Effekten der Braut in einiger Entfernung folgte, trat der
Schloßhauptmann, mit einem colossalcn Blumensträuße in der >
Hand, in das Wohnzimmer des Schloßgärtners, der eben im
Begriffe war, alle seiner Nichte noch angchörigen Habseligkciten
zu ordnen und zusammcnzupacken, da er, deren Entschlossenheit
kennend, wohl wußte, daß an eine Rückkehr derselben unter
solchen Verhältnissen nicht zu denken sei.

„Auch der noch!" grollte der Schloßgärtner und trat
dem Eintretenden entgegen, dessen Persönlichkeit alle die Vor-
züge nicht hatte, welche ein Freier in den Augen eines jungen
Mädchens haben muß; denn abgesehen davon, daß der Hanpt-
mann schon nahe an fünfzig Jahre zählte, war seine Gesichts-
bildung von so abschreckender Art, daß auch jedes andere
hübsche Mädchen, gleich Röschen, eher davon gelaufen wäre,
als dessen Bewerbung anzunchmc». Eine mit mehrfache» Buckeln
bedeckte Nase von colossalcr Größe, aufgeworfene Lippen, dicke
buschige Augenbrauen über ein Paar kleinen grauen Baschkircn-
augcn in einem ungewöhnlich dicken Kopse, der auf einem vier-
eckigen Oberkörper zu ruhen schien, da man von einem Halse
nichts gewahrte, trugen nebst einer steifen geschmacklosen Uniform,
in welcher der Freier sich präscntirtc, das ihrige dazu bei, die
lächerliche Figur desselben in einer noch stärkeren Färbung her-
vorkrcten zu lassen, als dieß für gewöhnlich der Fall war.

„Sintemalen Jungfrau Rosine sich schon seit längerer
Zeit mein besonderes Wohlwollen erworben", begann der Haupt-
mann und sendete spähend seine Blicke im Zimmer umher,
„und auch mein gnädigster Herr Obristlieutcnaut seine Ge-
nehmigung gewährt, habe ich mich entschlossen, in den heiligen
Ehestand zu treten, und besagte Jungfrau Rosine, Euere
Nichte, mir zum ehelichen Gespons zu erwählen, daher ich
hiermit geziemend um deren Hand bei Euch ihrem Oheim
werbe."

„Viel Ehre, sehr viel Ehre! Herr Schloßhauptmann,"
stotterte dieser, „aber bedauere nur, daß meine Nichte nicht
selbst zugegen."

„Wird doch wohl nicht zu lauge abwesend bleiben?" frug
der Hauptmann.

„Denke doch nicht," entgegnctc der Schloßgärtner und
suchte den lauernden Blicken des Freiers auSzuwcichcn.

Selbstherrscher.

„Würde auch höheren Orts unangenehm vermerkt werden,
wenn ich —"

In diesem Augenblicke ertönte der Knall eines Pistolen-
schusses, und ohne seine Rede zu beenden, unterbrach sich der
Hauptmann mit den Worten:

„Der Herr ruft, das Weitere später!" und eilte zur
Thüre hinaus.

Des Schloßgärtncrs Nichte hatte gar oft schon den Weg
von Wcissig nach Drchna zurückgelegt, aber noch nie in so
ängstlich aufgeregter Stimmung, als dicßmal, und je näher
sie dem Ziele ihrer Wanderung kam, je deutlicher ihren Blicken
das herzogliche Schloß und dessen Umgebungen entgegen traten,
je wchmüthiger ward ihr um's Herz, denn sie kam ja dicßmal
als eine obdachlose Braut zu ihrer Schwiegermutter. So
leicht sie sich die Ausführung dieses Planes auch gedacht, um
so schwieriger und gewagter erschien cs ihr jetzt und statt
früher mit freudeklopfendcm Herzen, trat sie nun voll stillen
Bangens durch das Schloßthor zu Drehna ein und ging dem
Gemach entgegen, in welchem die Mutter ihres Bräutigams
waltete. So lange zwischen beiden Gutsherrschaften ein freund-
liches Verhältniß stattgefundcn, hatte der Obristlieutenant als
galanter Cavalier nie versäumt, der Herzogin das schönste und
seltenste aus seinem Garten und Gewächshäusern zu senden,
und jedesmal war Röschen die Ucbcrbringerin der oft riesen-
haften Bouquets gewesen, die Flemming zum Schrecken und
Aerger seines Schloßgärtncrs selbst gepflückt und dabei zwei-
mal so viel verwüstet, als er zusammengcfunden. War der
Leibschütz der Herzogin im Schloß, wenn Röschen kam, so
hatte derselbe cs auch stets für seine Pflicht gehalten, das
liebliche Gärtncrmädchen ein Stück Weges zu begleiten, und
! dadurch hatte sich ein zärtliches Verhältniß gebildet, welchem
! die Mutter des Liebhabers und Röschens Oheim nicht ent-
gegen war und da auch die Herzogin genehmigt, daß ihr
Lcibschütz die Nichte des Flcmming'schen Schloßgärtners hcirathcn
könne, so waren die Vorkehrungen bereits so weit gediehen,
daß in wenigen Wochen die Trauung stattfinden sollte und
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Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Die kleinen Selbstherrscher"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Leutnant
Offizier <Motiv>
Karikatur
Innenraum <Motiv>
Satirische Zeitschrift
Thema/Bildinhalt (normiert)
Verbeugung <Motiv>

Literaturangabe

Rechte am Objekt

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Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 34.1861, Nr. 828, S. 154

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CC0 1.0 Public Domain Dedication
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