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Herrn Gr a f 's Rhcinreisctagebnch.

daß die untern Fenster von dein Gebcide, Ivo oben die Uni-
fersidätsbiblothek ist, fast alle eingeworfen sind. Dieses kommt
wahrscheinlich daher, das; die Herren Studenten in ihre
Zwischenstunden sich hierdarin einüben, damit sic bei vor-
kommende festliche Angelegenheiten auch die richtigen Fenster
zu treffen wissen.

Nicht weit davon liegt mitten in eine schone Bromenade
ein nettes Haus, welches man uns sagte, daß dieses ein Theader
wäre. Es kam uns sehr sonderbar vor, daß bei hellerlichten
Tage dorthinein so viele Menschen gingen, welches besonders
lauter Studenten waren. Wir fragten also, ob denn jetzt
schon in dem Theader etwas los wäre und bekamen eine kobf-
! nickende Beantwortung. Wir schlossen uns deshalb an das
I Bublikum hinten mit an, weil wir alle zwei Beide sehr große
Theaderfreindesind. Auch hörten wir von einem Erhängten
sprechen, der heute sollte gegeben werden, welches wahrschein-
lich, wie wir dachten, so ein schönes schanerlichtcs Trauer-
spiel von der Madame Bergfeifern wäre, wo man recht an-
genehm bei alle Nerfen angegriffen wird.

Aber diese Entsetzlichkeit will ich keinen Menschen nicht I
winschen, denn wie wir endlich in einen Saal kamen, so lag I
da eine todte Leiche ans einen Tisch und von dieser schnitt
ein Mann, welchen sie Herr Brofesser betitelirlen, mit ein !
großes Messer Stücken ab, die er an die Herren Studenten
vcrtheilen that, welche darum herumstanden. Weil wir nun
nichts andres nicht denken konnten, als daß wir hier unter
Leite gekommen wären, die sich wollten ans Menschenfresser
einstndiren lassen, so ergriffen wir die eiligste Flucht und
waren froh, wie wir uns erst wieder draußen in die Bro-
menade befanden. Hier stand auch der Mann noch, welcher
uns gesagt hatte, daß dieses Gebcide ein Theader wäre; auf
diesen stirzten wir uns nun los und machten ihn Borwirfe
über seine an uns verbrauchte Unwahrheit. Aber er sagte,
tvir sollten getrost jeden Menschen fragen, welcher uns eben-
falls antworten würde, daß dieses wirklich das sogenannte
annadomische Theader wäre und worin die Herren
Studenten lernten, daß man allemal eine Krankheit gans ge-
nau erkennen kann, wenn man den Menschen auseinander
schneidet, wo cs freilich zum Knhriren dann zu sbät ist.

Daß man aber so etwas ein Theader nennt, dieses scheint
mir doch gar nicht recht bassend zu sein, wenn zumal Einer
durch den Namen, so wie wir angelockt, sich etwas ganz
Andres erwartet.

Aber an den letzten Abend in Bonn will ich auch Zeit
meines Lebens und noch darüber hinaus gedenken. Denn wie
wir ein baar Studiosibus auf der Straße nach einer guten
Bierkneibe fragten, weil diese Herren sich besonders viel mit
dieser Wissenschaft beschäftigen und auch wir nach einem Töpfchen
Bier Verlangen fihlten, so sagten uns diese Herren, daß wir
nur sollten mit ihnen kommen, weil sie gerade zu Ru landen
gingen, wo man einen sehr guten Stoff bekommen thätc.

In unsre einfache Unschuldigkeit und unsrer fremden Un-
bekanntschaft mit die hiesigten Verhältnisse gingen wir also

mit und wurden von den Herren Studenten in ihr sogenann-
tes Kneiblokal eingefihrt, wo sie uns den andern Herren, die
sie Kommilitonnen nannten, als aufgefnndene fremde Filister
vorstellen thaten. Dieses muß ein großer Ehrentitel sein, denn
die Herren Kommilitonnen sbrangen ans und umarmten uns
so heftig, daß uns davon die Hüte bis über die Nase hin-
unterfuhren und dann mußten wir mit an die lange Tafel
Blatz nehmen. Sic sagten, daß dies eine wissenschaftlichtc Ver-
sammlung iväre, uni hier auch in dem Komerschiren die er-
forderlichte Fertigkeit zu erhalten. So sehr schwer schien mir diese
Wissenschaft aber nicht zu sein, denn wenn Einer nur dichtig
trinken und dazu singen oder schreien konnte, so waren damit
schon die Hauptgrnndzige von dieser Wissenschaftlichkeit gelegt.

Wir mußten mittrinken, daß uns ordentlich die Angen
überlaufen thaten, wobei auf die gestillte Durstigkeit gar keine
Bericksichtignng nicht genommen wird, so daß sie ihre Be-
dirfnisse an Bier wahrscheinlich allemal gleich auf einen Monat
brämnnerando befriedigen, wenn Die lieben Herren Aeltcrn
grade Geld geschickt haben.

Zuletzt hieß es, daß sic wollten einen Herrn Landesvater
singen, wo wir uns auch nicht ausschließcn durften, da wir
schon nicht mehr gans Herrschaft über unsre verlorene Sinne
waren. Aber dieses war doch ein Bischen gar zu sehre arg,
denn da brachte Einer einen langen Säbel und auf diesen
wurde einen Jeden seine Mitzc ausgesbiest. Weil wir nun
unsre neuen Hüte aufgesetzt hatten, so wollten wir uns von dieses
Vergingen znrückzihen. Aber da kamen wir schöne an und
durften nicht fort, sondern sic sagten, daß sic uns damit nur
die größte Ehre anthun wollten, weil unsere Hüte zu aller-
erst ausgesbiest werden sollten. Mit kimmerlichen Blicken mußten >

mir uns auch dahinein figen und durften gar nicht einmal
mucksen, wie sie fast den halben Deckel ans unsre Hüte stoßen
thaten. Dabei wurde aber gesungen, daß die Fenster wackelten
und auf den Tisch geschlagen, daß wir fast vor Schreck selbst
darunter gefallen wären. Oh weh, dachte ich, wenn das bei
den Herrn Landesvater so böse zngeht, wie muß es da erst
bei der Frau Landesmutter sein! Endlich gaben sie uns unsre
dnrchgelöchcrtc Hüte wieder, wobei sic sagten, daß wir diese
Löcher könnten als Ehrenzeichen in die anständigste Gesellschaft
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Herrn Graf's Rheinreisetagebuch"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

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Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Student <Motiv>
Trinkspiel
Hut <Motiv>
Karikatur
Reisender <Motiv>
Gesang <Motiv>
Kopfbedeckung <Motiv>
Gaststätte
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 34.1861, Nr. 832, S. 186
 
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