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Herrn Graf'S Rheinreisctagebuch.

geraucht, ist mit seine Herren Adjudantcn eigenhändig sbaziercn
gegangen und hat überhaubt auf jede Weise gesucht, einen so
angenehmen als möglichen Eindruck allhier zu hinterlassen.
Dieses muß ihn nach einigen Seiten hinaus auch gelungen
sein und mehrere dankbare Gastwirthe, welche ihm ihre da-
maligte Ueberfillung verdanken, wollen ihn gleich vorn neben
die eisenhaltige Blutrcinigungsquelle als ewiges Andenken ein
Moniment setzen. Sie sollen sogar schon einen Kinstler nach
Baris geschickt haben, welcher ihm bersönlich das Maaß dazu
nimmt, damit daß cs ja recht lebensähnltch wird. Man will
ihn in bewaffnete Zivilkleidung als Sinnbild der versprochen-
habenden Friedlichkeit darstcllcn mit die Unterschrift:

Firchtet Euch nicht, ich thuc Keinen Nichts!

Nabolion, 1860.

Die Herren Denkmalssctzcr glauben auch, daß sie damit
noch ein schönes Geschäft machen, weil gewiß ein Jeder hier-
hcrkommen wird, wenn der Herr Kciser erst nach der Natur
ausgehauen hier als Bildseile dastcht.

Besonders merkwirdig ist Badenbadcn erst durch die heißen
Brunnen geworden, welche hier ohne jedes Bumbwerk aus der
Erde herausströmen und als Heilmctode dienen. Allerdings
muß da der Naturbcobachtcr erstaunen, wenn er seine Hand
als Brifung hineinstcckt und zieht sie gänslich verbrannt und
vcrbriht wieder heraus. Es liegt hier jedenfalls als Gchcim-
niß eine alte unterirdische Luftheizung zu Grunde, welche sich
bis in die Römerzeitcn zurücksihrcn läßt.

Diese Quellen haben die verschiedensten rohmandischcn
Namen erhalten, wie zum Bcisbiel der Ursbrung, was Nie-
mand sich nicht erklären kann, warum. Dann der Brühbrun-
nen, wo sic im Winter aus menschliche Gcfihle die Schweine
abbrühen, damit sie bei ihrer gewaltsamen Todcsart nicht so
frieren. Ferner die Höllcnquclle, welche der Herr Teifel selbst
soll gestiftet haben, und die gerade unter den Spielsalongs
ihren Sitz hat. Dann ist auch noch eine Ungemach- und
eine Judcnqucllc hier, welches letztere aber wohl auch blos
ein nichtssagender Name ist, denn zum Getauftwcrden wird
es ihnen bei fünfundfünfzig Grad Romior doch ein kleines
Bischen zu warm sein.

Nachdem sich Einer vielleicht recht ibel befindet, so kann
er dieses heiße Badewasser auch trinkeu, wozu jedoch hingegen
ein guter Abedit gehört. Gekostet haben wir cS auch, aber
gleich ausgesbuckt, denn da scheint cs doch, als ob sic erst
unterirdisch ein baarmalhundcrttausend faule Eier hinzumischcn,
ehe sie es an die Oberfläche hinauslaufen lassen. Die Unter-
suchung von diese Gesundheitswasser, oder die sogenannte ge-
lehrte Anneliese hat auch die verschiedenen Bestandtheile an
den Tag gebracht, woraus aus unterirdischem Wege diese
Wasscrsorten zusammcngemischt werden. Unter hundert Thei-
len findet man dann allemal:

50 Theile verdorbenes Wasser,

20 „ altes Eisen von abgelegten unterirdischen Huf-

eisen, alte Stiefelabsätze, verlorene Schliffe! u. .
s. w. herrihrcnd,

10 Theile salzsäurlichen Kalk, von alte verfallene Gcbeide
im Grunde abgesbilt,

30 „ zerriebene Kieselsteine,

20 „ Gas aus zerblatzte Gasbeleichtungsröhren,

und das Uebrige ist durch den faulen Eiergestank mehr als
hinreichend ersetzt. Den lcichtgleibigten Menschen macht man
weiß, daß dieses Wasser soll nach Flcischbrihe schmecken. Da
muß aber Einer schon sehr schwerhörig oder kurzsichtig sein,
wenn er dieses glauben wollte.

Auch in der Gegend von Badenbaden haben frihcr die
Herren Franzosen als Ruinirfabrikantcn viele Thätlichkeitcn
entwickelt, wie man dieses bis auf jetzige Zeit in der alten
Schloßruine bemerken kann. Aus diese französische Schreckcns-
zeit ist auch noch so Manches in Baden geblieben, wie zum
Bcisbiel der liebe Herr Mosjeh Benasch, welcher als Mcnsch-
lichkcitsbeglickcr die Spielbank gebachtet hat und für seinen
kleinen Verdienst von fünsmalhunderttauscnd Gulden wirklich
alles Mögliche mit hoher obrigkeitlicher Bewilligung thut.
Wenn Mosjeh Benasch die Herren Badegäste hat bis auf die
blose Haut ausgezogen, so amisirt er sic durch Bromenaden,
Musik, Bälle u. s. w., wofür ihn die hohe Obrigkeit gar
nicht dankbar genug sein kann. Auch hat er in seiner Frcind-
lichkeit schon sich so weit Hinreisen lassen, daß er für solche,
die Alles verloren haben, eine vollständige Waffcnsammlung
zum Erschießen und Erstechen, so wie auch Beime angelegt
hat, wo sich Jeder ohne Störung hernach kann aufknibfen.
Wem aber auch dieses nicht baffen sollte, der kann sich nach
überstandcner Ausbeitclung durch das Wasser den Tod nehmen
in cigcnds für solche Zwecke eingerichtete stillvcrgnigtc Gegen-
den. Man sollte cs gar nicht für möglich halten, wie so ein
Herr Franzose für die hohe obrigkeitlich bewilligte Erleichter-
ung seiner Herren Mitmenschen besorgt ist.

Kohle wollte zwar noch einmal sein Glick versuchen und
glaubte in Badenbadcn wieder zu bekommen, was in Wies-
baden der Teifel geholt hatte; aber ich ließ cs hingegen gar
nicht dazu kommen, sondern er durfte bloS mit zugcnähte
Rock- und Hosentaschen in den Kursaal, damit daß keine Ver-
suchung ihn nicht ergreifen konnte. Das Spiclgebcide nennt
man hier Konversatzionshaus, weil Niemand beim Spielen nicht
reden darf und als Warnungstafel hat ein Mcnschenfreind
oben daran Spieler aus der römischen Zeit als Freskoh ab-
malen lassen, welche gans ohne Bekleidung aus diesem Spiel-
saale kommen, weil ihnen Mosjeh Benasch hat alles mit
hoher obrigkeitlichter Bewilligung abgenommen.

Aus alle diese Beobachtungen geht cs jedoch hervor, daß
kein Bad so sehr viele auflöscndc und aufsaugende Kräftigkeit
entwickelt, als gerade Badenbadcn. Die hohe Obrigkeit wird
also gewiß auch dafür besorgt sein, daß so eine Erleichter-
ungsanstalt für Metallbeschwcrlichkeitcn »och recht lange Jahre
zur Heilung für die Menschlichkeit bestehen bleibt.

Es ist übrigens wirklich wahr, daß man vielleicht nicht
noch an einem anderen Orte in der gansen Welt sich so bil-
lig ernähren kann, als wie in Badenbadcn. Denn wenn da
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