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50 Neisegeschicke eines jungen Ehepaares.

(Fortsetzung.)

Miß Karoline und Miß Mary, meine Begleiterinen im
Kölner Dome, waren höchst bedeutende Frauenzimmer von
obstruscr Genialität. Miß Caroline rügte beständig an der
Ornamentik, während Miß Mary stets die Dome von Dort,
Canterbury, Glasgow und selbst das Landhaus deS Sir
Walter Scott zu Abbotsford als Muster des Gothizismus
aufstellte. Ich lauschte mit gespanntester Aufmerksamkeit diesen
Ausbrüchen weiblicher Architektonik und muß gestehen, daß
wir deutschen Weiber es noch lange nicht zu jener reizenden
Bestimmtheit in der Beurtheilung ausländischer Culturphasen
gebracht haben, als jene stolzherablassenden Jnsulanerinen
brittisch-normännisch-angelsächsisch-dänischer Nationalität. Wir
steigen zu sehr in die Tiefen unserer eigenen Seelen hinab,
und verlieren uns meist gänzlich im Mikrokosmos. des Ge-
sammtlebens, statt daß wir mit offenem Auge die Welt des
Stoffes auf uns einwirken lassen. — Hierauf reifete« wir
nach Hannover ab. Die Gegend zwischen Köln und Hanno-
ver wird nur dadurch interessant, daß man sich denken kann,
daß möglicherweise in diesen Gefilden Herrmann, der Cherus-
kerfürst, mit den weltknechtenden Römern in Konflikt gekommen
ist. Ich stelle mir indessen vor, daß Barns höchst unzufrieden
mit seiner Garnison gewesen sein muß, da die Gegend höchst
monoton ist, was für alte Römer doppelt unangenehm sein
mußte.

Reisegeschicke eines jungen Ehepaares.

Endlich langte unser Eisenbahnzug in Hannover, der
wahrhaft königlichen Reichshauptstadt des Königreiches Hanno-
ver an. Hier verspürte ich zum ersten Male in meinem
Leben den Norden an meine Wangen fächeln. Es ist höchst
sonderbar aber doch wahr. Und warum soll man in Hannover
nicht den Norden spüren, wenn man wo anders den Süden
spürt? In Neapel zum Beispiele,, oder in Sizilien, legen sich
die Eingebornen in interessanten Stellungen, oft mit der
Mandoline in der Hand, auf die bloße Erde, den Kopf höch-
stens auf einen oder zwei Kaktüse gestützt und lauschen den
Süden auö; oder im ewigen Rom stehen selbst Bettler mit
schmachtenden Augen an der Engclspforte und blicken zur
strahlenden Sonne hinauf. Warum das? Hätten sic nichts
Besseres zu thun? O ja, aber es ist der Süden, der sic
magnetisch erfaßt, der ihre physio-geistige Existenz Einem
einzigen Zielpunkte entgegenwirbelt. O Gott, wie schön ist
es in Italien, wo sich Alles so ästhetisch gestaltet, so histo-
risch, daß man eS nur malen darf. Geht man dort am
Meeresufer spazieren, so gruppirt sich Alles um Einen so ganz
theatralisch; da sitzen Frauenzimmer mit schwarzen Augen
und Pomeranzen in der Hand, und lächeln so weißzahnig;
dort tanzen liebende Paare den Tarantella oder den Monfrini;
auf Hügeln zerfallen Antiquitäten und alte Tempel; am Mccres-
strande neigen sich Palmen und riesige Kaktüse sanft gebogen
in's Wasser, und dieses umspielt mit azurblauen Wellen die
Füße eines Fischers, der hingegossen in eine Bucht sich eifrigst
mit dem vcüee tür mente beschäftigt. Büffel stieren rings
herum und Ziegen beißen anmuthig an den epheuumranktcn
Säulen großgriechischer Tempel. Ach Lconie! Wie herrlich
ist das Land, in welchem ich mit meinem Neuvermählten
Gatten die Honigstunden des Vermähltseins genieße. Komm,
o Leonie meiner Jugend, zu mir nach Neapel, steige mit
mir hinauf den ewigen Yesuvio e l’Etna eterna! Anima
mia, io sono italiana, italianissima, piu che Garibaldi. —
(Fünf Minutcn später geschrieben.) — Lconie!
hättest Du mich jetzt sehen können! Mein Geist, auf den
Flügeln himmlischer Phantasieen, fühlte sich so lebhaft in
Italiens entzückenden Gefilden, ich sah den Vesuv vor mir
rauchen, und. sah die Luft im Zimmer so blau und rein! Ich
erhob mich vom Schreibtische, schwebte ä la Monfrini an'ö
Fenster, um meinen Blick auf daS azurne Meer fallen zu
lassen, zog die Gardine zurück, blickte sehnsuchtsvoll hinweg
über die nächsten Gegenstände und gewahrte einen ferneren
Gegenstand, den ich anfangs in meiner Kurzsichtigkeit für
den Vesuv hielt. Ich nahm mein Lorgnon, und — stürzte
auf mein Tabourct zurück, — der Vesuv verwandelte sich
in einen Hannoperanischen Heuwagen und das Castell Saut
Elmo löste sich vor meinen verwirrten Blicken in ein vissol-
ving view auf. Jetzt fühlte ich mich doppelt in Hannover,
der Norden meines eigenen Vaterlandes säuselte mich grimmig
durch das halbgeöffnete Fenster an, und mein Gatte trat !
in'S Gemach, und wollte mir die Beschreibung von Hannover
vorlesen auS seinem schändlichen Bädekcr. Ich dürstete in
diesem Augenblicke in einer Weise nach Rache, daß ich nicht
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Titel/Objekt
"Reisegeschicke eines jungen Ehepaares"
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Fliegende Blätter
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Aufbewahrungsort/Standort (GND)
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Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

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Entstehungsort (GND)
München

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Thema/Bildinhalt

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Public Domain Mark 1.0
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Fliegende Blätter, 38.1863, Nr. 919, S. 50

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