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1(52 Aiträa von Mornnoncourt.

lichcn Reizen alle jene der Kunst hinzuzufügcn. — Er durch-
schrilt die lange Reihe der prachtvollen Gemächer, in deren
einem, der großen Salle ä manger, man eben den Tisch mit
120 Couverts belegte. Alles strahlte vor Lichtcrglanz, Gold,
Silber, Kristall, Blumen, Früchten und Consect. Der Graf
aber eilte in sein Gemach, das ein Zauberer mit dem fabel-
haftesten Comfort ausgcstattct zu haben schien. Wir begnügen
uns zu sagen, daß er einen ,,tire bottes“ besaß, welcher nur
gerufen zu werden brauchte, um von selbst ans seiner Kasctte
von Zedernholz sofort herbeizukommen, wobei aus seinem
Innern die reizendste Romanze ertönte, die Fräulein Patti
i jemals sang.

Ferner eine Vorrichtung, wodurch man zu jeder Stunde
das nächtliche Dunkel Herstellen und vor dem Fenster einen
künstlichen Vollmond aufgehen lassen konnte. •— Doch fahren
wir fort in unserer ganz gewiß höchst pikanten Erzählung.
— Eine Stunde später fuhr eine lange Reihe glänzender
Equipagen und Fiakers in den Hof des Hotel und deren
Inhalt, saß bald darauf an der reich besetzten Tafel, an
welcher Asträa mit seltener Grazie den Vorsitz führte. Sie
war schöner, denn je in ihrer weiten Robe von Rosa velours
epingle, die mit Spitzen von namenlosem Werthe besetzt und
mit eigroßen Perlen geschmückt war. Das reiche Nabenhaar
hielt eine Schleife von Diamanten fest, die Millionen gekostet
hatte. Asträa's Nachbar'», zwei ihrer ehemaligen Freunde
und bis zur Raserei in sie verliebt, bemühten sich durch
passende Gespräche die Grundsätze dieses wundervollen Weibes
zu erschüttern; die Unterhaltung war auch allgemein sehr
animirt bei Tische, und auch Graf Heribert erhielt seine
heitere Laune wieder und suchte seine durch das Medium so
arg verstimmte Magengrube mittelst der feinsten Weine und
Delikatessen zu versöhnen. Plötzlich ward Asträa unruhig.

Warum ward Asträa unruhig? Die Gräfin hatte eine
höchst originelle Gewohnheit. Sie besaß einen scheußlichen
mißgestalteten Zwerg, Namens Bolifautiou, der bei jeder
Mahlzeit unter dem Tische sitzen und mit den Händen ihre
Fußspitzen festhalten mußte. Anders konnte sie nicht essen.
Nun aber hatte Bolifautiou sich von seinem Posten entfernt;
daher fühlte Asträa sich so unbehaglich. Warum hatte sich
aber das scheußliche Gezwergc von Asträa entfernt? — Es
war unter dem Tische zum Grafen Heribert gekrochen und
hatte ihm ein Billet in die Hand geschoben. Der Graf las
von Allen unbemerkt: „Asträa betrügt Sie; gehen Sie so-
gleich in ihr Boudoir." Todtcnbleich mit schäumendem Munde
und aus ihren Höhlen tretenden Augen saß der Graf, —
„ich bin unwohl," stotterte er, und stürzte, seinen Stuhl
umwerfend, aus dem Speiscsaal. — Niemand hatte sein
Weggehen bemerkt, ausgenommen Asträa, die ihn sogleich
errieth. „Er ist eifersüchtig," sagte sie sich mit innerem
Jubel, ihre Liebenswürdigkeit gegen ihre Tischnachbaren
verdoppelnd.

Nun aber sollte etwas Gräßliches geschehen. Plötzlich
stürzte der Zwerg, von dessen Gegenwart Niemand eine
Ahnung gehabt, hervor, sprang auf den Tisch und rief ver-

zweiflungsvoll: „Vergicb, Asträa! vcrgieb! Du edle Dulderin!
Ich habe Dich verrathen! ich sterbe aus Reue!" Damit
zog er einen Revolver heraus und zerschmetterte sich den
Kopf. Nun entstand die heilloseste Konfusion; — unter
dem Tische hatte man den verhängnißvollcn Zettel gefunden, man
drängte sich um Asträa, sie um Aufklärung bestürmend, man
lief in alle Gemächer, den Grafen suchend, man schaffte den
todten Zwerg bei Seite und einige Lions von tadellosem
Acußern und feinster Tournure benützten die allgemeine Ver-
wirrung, um einiges schweres Tafelsilber zu sich zu stecken.

— Inzwischen kamen Jene zurück, die den Grafen gesucht
hatten. Sie waren an die Thür von Asträa's Boudoir
gekommen und hatten sie verriegelt gefunden. Die ganze
Gesellschaft kehrte nun dahin zurück mit jenem prikelnden
Interesse, das sich derjenigen bemächtigt, die immer auf
Scandale hoffen, und nun einen herankommen sehen. — Man
klopfte, man horchte, man rief und horchte wieder. — Keine
Antwort. — Lautlose Stille. — Nun erfüllte namenloses
Grauen die Gesellschaft, und man erwartete fieberschauernd
das Gräßlichste. — — — Nur Asträa blieb ruhig, das
wunderbare Weib lachte und scherzte mit ihren Anbetern,
und ließ dem Einen sogar die Aussicht auf ihre Hand durch
ihre transparenten Aeußerungen schimmern, im Falle der
Graf Heribert nicht lebend auö dem Boudoir kommen sollte.

— „Allein Sie müssen mir Ihr Gut, lloli-lleur, als Morgen-
gabc verschreiben," setzte das herrliche Geschöpf mit unsäch-
lichcm Zauber hinzu. —• „Ganz gewiß," entgcgncte der
Glückliche, „so wahr ich der Ouo äs Obsvrs-ksuills bin!"

VII. Kapitel. Die Flucht.

Während dieser ganz außerordentlich anregenden Mo-
mente langer dumpfer Erwartung war eines jener frühen,
aber furchtbaren Ungewitter am Horizonte aufgesticgen, welche
die Vorsehung zuweilen schon im April zu senden pflegt, um
schauerliche Begebenheiten noch schauerlicher zu machen. —
Die Gesellschaft im Hotel Mornnoncourt vernahm bereits das
beginnende Rollen des Donners, und horchte daher mit ge-
theilter Aufmerksamkeit nach dem Boudoir hin, — als plötz-
lich dessen Thüre mit fürchterlichem Krachen aufflog und Graf
Heribert hcrausstürzte. — Gott, welch ein Anblick! Ein
Feuilletonist aus der Versammlung setzte sich sogleich hin,
um ihn in den haarsträubendsten Ausdrücken zu Papier zu
bringen. — Graf Heribert war nur noch an sciueu Kleidern
zu erkennen, seine Gesichtszüge waren die eines Greises und
sein Haar war schneeweiß geworden. Es stand ellcnhoch zu
Berget Aber das war noch nicht Alles. Er schleppte zwei
menschliche mit Blut überströmte Gestalten. — In der
Rechten hielt er die Leiche Korambo's, deren Blut auf den
kostbaren, unermeßlich theueren Teppich niedcrströmtc; in der
Linken den unseligen Leon, der noch dumpf vor sich hinröchelte.
Man suchte ihn aus der eisernen Berlichinger-Götzenfaust des
Grafen zu befreien, jedoch vergebens. Der Graf stellte sich
in majestätischer Talma-Positur vor Asträa hin, und sprach
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