Fliegende Blätter (39.1863 (Nr. 939-964))

28 Aus dem Leben eines Kurzsichtigen.

„Gut!" rief ich entschlossen; „die Sache steht zu über-
legen. Für's Erste bin ich Pathe Deines Jungens; sonst
wird-kein Wort von der Sache gesprochen!"

„Versteht sich von selbst!"

(Fortsetzung folgt.)

Sonntag-Feier.

(Aus den geheimen und öffentlichen Akten einer christlichen Sekte.)

'S schlägt cilf — da stürzt Mutter und Tochter und Sohn
In die Kirche mit züchtigen Mienen;

Der Knab' jagt am Thor noch den Schooßhnnd davon,

Hoch steigen die zwei Krinolinen.

Die Runzel-Mama mit dem hellblauen Kleid
Bekreuzt sich, als ging's schon zunr Sterben,

Sie bemerkt manche „Gntconservirte" mit Neid,

Und betet, den Ohm bald zu erben.

Die Tochter sinkt nieder und blickt grad hinauf
(Denn ihr Profil ist gefährlich),

Sie schlägt seufzend den Abschnitt „für Jungfrauen" auf,
Und bedeckt sich — die Handschuh sind herrlich.

Der Knab' zerrt die Mutter am Pelzmantel dort,

Umsonst sucht ihr Auge zu blitzen.

Er qnickt: „Mama, wann gehn wir denn fort ?"

Und transchirt von dem Jäckchen die Litzen.

Sonntag-Feier.

Die Predigt ist gräßlich — Gottlob! jetzt ist's aus,

Man darf mit Visiten nicht zaudern.

Der Tag ist gut, heut' ist Niemand zn Haus,

Und am Kirchthor da ist so nett plaudern.

Hier versperrt man den Weg bis sich Murmeln erhebt,
Man bekrittelt die Welt mit Geschäker,

Man fragt nach Entbindung und Kuchenrezept,

Und geht schließlich — zum Zuckerbäcker.

Und so ist's alle Sonntag und bloß — (wie scharmant!)
Weil uns Gott zu der Feier verpflichtet.

Ich glaub', hält' Gott solche Geschichten geahnt,

Der hätt' gern auf die „Feier" verzichtet!

Verlegenheit.

Mama zu den Kindern: „Hört Ihr wohl, Kinder,
wenn heute Abend der neue Onkel da ist, dürft Ihr nicht
von seinen Haaren sprechen!"

Am Abend. Der kleine Emil: „Aber, Mama, Du
hast uns heute Morgen verboten, nicht von den Haaren des
Onkels zu sprechen; der hat ja gar keine Haare."