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Ein Weihn
außerordentliche Sammlung in dem Verein vorgeschlagen
werden, die ich schon jetzt Ihrer bekannten werkthätigen
Theilnahme zu empfehlen mir erlaube."
„Gut, gut!" entgegnete der Andere. „Wie hoch be-
rechnet er denn die dazu nöthigen Ausgaben?"
„Mehrere hundert Thaler werden dazu erforderlich sein,"
war die Antwort. „Ich fürchte, er wird vor der Hand noch
davon absehen müssen, der Anforderungen an die Freunde des
Meiches Gottes und dessen Ausbreitung auf Erden sind so
viele..."
„Nun, man wird ja sehen, was sich thun läßt," fiel
der Alte ein.
„Ich weiß, ich weiß, Herr Petcrsen," entgegnete der
Besuchende, indem er die Hand des Alten mit herzlichem
Drucke schüttelte, „wo Sie mit Ihrer allzeit bereiten Liebe
zur Hand sind, da ebnen sich auch unübersteiglich scheinende
Hindernisse. Wie dankbar müssen wir dein Allmächtigen
sein, daß er Sie unserm kleinen Vereine zugeführt hat."
Der Alte machte eine abwehrende Bewegung und schüttelte
das Haupt: „Wir wollen das ruhen lassen! Ich habe arm
und klein angefangen, Gott hat mich wunderbar gesegnet,
aber seine Weisheit hat für gut befunden, mir Alle diejenigen
hinweg zu nehmen, die sich mit mir meines Wohlstandes
erfreuen könnten. Der Tod nahm mir mein Weib, die Tochter
ist... verloren! Ich für mein Theil, arm und hart gewöhnt
in der Jugend, habe nur wenig Bedürfnisse, wie sollte ich
nun das, was ich besitze, besser anwenden, als zu einem
gottwohlgefälligen Zweck. Solchen christlichen Anstalten, wie
unserm Missionsverein, soll auch dereinst mein Vermögen zu-
fallen. Ich habe ja Alle verloren, die mir am nächsten
standen!"
„Der allmächtige reiche Gott, lieber Herr Petersen, wird
Sie für Alles, was Sie zu seiner Ehre thun, reichlich segnen!"
erwiderte gesalbten Tones der Besuchende und legte seine
Hand auf die des Alten. Düster aber und schweigend blickte
dieser in die Dämmerung hinein, und eine Pause entstand,
die bald durch ein herzhaftes Klopfen an der Thüre unter-
brochen wurde. Auf das „Herein" des Alten trat ein junger
Bursch in das Zimmer, der sogleich auf den Alten zuschritt
und sichtbar bewegt ihm die Hand entgegenstreckend sagte:
„Onkel! guten Tag! Da bin ich wieder!"
„Wilhelm Du?" rief lebhaft der Alte. „Kommst Du
von der Wanderschaft?"
„Ja Onkel, ganz vor Kurzem bin ich wieder einge-
wandert! Nach fünf langen Jahren wieder in der Vater-
stadt!"
„Und wie ist es Dir ergangen?" fragte der Alte. „Aber
setz' Dich, setz' Dich! — Meiner Frauen Schwester Sohn,"
erklärte er gegen den Mann im schwarzen Nock gewendet, „vor
fünf Jahren ist er auf die Wanderschaft gegangen. — Du
hast nicht oft von Dir hören lassen, Wilhelm, bist doch
hoffentlich auf rechtem Wege geblieben und hast Gott vor
Augen und im Herzen behalten?"
„Onkel, Sic wissen ja, viel schreiben war nie meine
achtsabend.
Sache. Aber wie ist's Ihnen ergangen? Ach Gott, daß
meine gute Tante nicht mehr lebt, habe ich schon unten er-
fahren! Die gute Tante! Ich hatte mich sehr gefreut auf
das Wiedersehen. Sie ist mir eine gute Mutter gewesen,
seit meine Eltern gestorben sind."
„Sie ist bei Gott!" sagte leise mit zitternder Stimme
der Oheim.
Wieder entstand eine Stille in dem dämmerigen Zimmer.
Sie gedachten wohl beide, der Nesse und der Oheim, der
Dahingegangenen.
„Das war ein harter Schlag für Sie und für die
arme Therese," begann endlich Wilhelm von neuem. „Aber
wo ist denn Therese, Onkel? Kann ich nicht auch sie be-
grüßen?"
„Ist sie verheirathet? weggezogen?" fragte er dringend,
als ihm keine Antwort auf seine erste Frage ward.
„Junger Mann," fiel hier der Fremde ein, „fragen
Sie nicht weiter. Sie betrüben Ihren Onkel."
„Um Gotteswillen, Onkel! ist denn Therese auch...
ist sie auch gestorben?"
„Wäre sic es, ach wäre sie es!" murmelte dumpf der
Alte.
„Bitte, Onkel, so reden Sie doch, was ist denn geschehen?
Habe ich denn nicht auch ein Recht nach ihr zu fragen? sie
war ja wie meine Schwester, Onkel!"
„Junger Mann, schonen Sie doch Ihres Onkels," mahnte
wiederum der Vorstand des Missionsvereins, „Sie sehen ja
wie schmerzlich..."
„Aber mein Gott," siel der Wanderbursche ihm in's
Wort, „laßt mich doch nur erfahren, was mit ihr geworden ist?"
„Verloren ist sie!" sagte kurz und dumpf der Alte.
„Verloren? Sie war doch nicht mehr so klein... ver-
loren? spurlos verschwunden?"
„Sie hat sich abgewendet vom rechten Wege, sie hat
sich der Sünde und Schande in die Arme geworfen, sie hat
das Vaterhaus verlassen, und wenn sie auch noch lebt, für
mich ist sie tobt," fuhr heftig der alte Mann heraus. „Ja
schlimmer als todt!" setzte er klagend hinzu.
Wilhelm schaute bestürzt und stumm vor sich nieder.
„Und wo ist sie nun?" fragte er nach einer Weile halblaut.
„Lassen Sie dieß nun ruhen, Sie sehen ja wie schmerz-
lich es Ihren Onkel ergreift!" mahnte der Fremde aufs
neue. Wilhelm aber konnte sich unmöglich beruhigen. „Onkel,"
flehte er, „was auch immer Therese getrennt haben mag von
Ihnen, sie ist ja doch Ihr Kind, Ihr einziges Kind, so ganz
haben Sie sich nicht von ihr gewendet, daß Sie nicht wüßten,
wo sie wäre, oder wenn sie sich versteckt vor dem Vater,
versteckt in bitterer Reue über all den Kummer, den sie dem
Vater zugefügt... Sie haben doch nicht geruht, bis Sie die
Verlorene aufgefunden ..."
„Ich habe sie verstoßen!" fiel nun der Oheim mit
Heftigkeit ein, „ich habe mein reines Haus vor ihr ver-
schlossen. Sie hat sich losgesagt von mir, sie hat Schande
und Schmach über mich und meinen Namen gebracht! Ich
Ein Weihn
außerordentliche Sammlung in dem Verein vorgeschlagen
werden, die ich schon jetzt Ihrer bekannten werkthätigen
Theilnahme zu empfehlen mir erlaube."
„Gut, gut!" entgegnete der Andere. „Wie hoch be-
rechnet er denn die dazu nöthigen Ausgaben?"
„Mehrere hundert Thaler werden dazu erforderlich sein,"
war die Antwort. „Ich fürchte, er wird vor der Hand noch
davon absehen müssen, der Anforderungen an die Freunde des
Meiches Gottes und dessen Ausbreitung auf Erden sind so
viele..."
„Nun, man wird ja sehen, was sich thun läßt," fiel
der Alte ein.
„Ich weiß, ich weiß, Herr Petcrsen," entgegnete der
Besuchende, indem er die Hand des Alten mit herzlichem
Drucke schüttelte, „wo Sie mit Ihrer allzeit bereiten Liebe
zur Hand sind, da ebnen sich auch unübersteiglich scheinende
Hindernisse. Wie dankbar müssen wir dein Allmächtigen
sein, daß er Sie unserm kleinen Vereine zugeführt hat."
Der Alte machte eine abwehrende Bewegung und schüttelte
das Haupt: „Wir wollen das ruhen lassen! Ich habe arm
und klein angefangen, Gott hat mich wunderbar gesegnet,
aber seine Weisheit hat für gut befunden, mir Alle diejenigen
hinweg zu nehmen, die sich mit mir meines Wohlstandes
erfreuen könnten. Der Tod nahm mir mein Weib, die Tochter
ist... verloren! Ich für mein Theil, arm und hart gewöhnt
in der Jugend, habe nur wenig Bedürfnisse, wie sollte ich
nun das, was ich besitze, besser anwenden, als zu einem
gottwohlgefälligen Zweck. Solchen christlichen Anstalten, wie
unserm Missionsverein, soll auch dereinst mein Vermögen zu-
fallen. Ich habe ja Alle verloren, die mir am nächsten
standen!"
„Der allmächtige reiche Gott, lieber Herr Petersen, wird
Sie für Alles, was Sie zu seiner Ehre thun, reichlich segnen!"
erwiderte gesalbten Tones der Besuchende und legte seine
Hand auf die des Alten. Düster aber und schweigend blickte
dieser in die Dämmerung hinein, und eine Pause entstand,
die bald durch ein herzhaftes Klopfen an der Thüre unter-
brochen wurde. Auf das „Herein" des Alten trat ein junger
Bursch in das Zimmer, der sogleich auf den Alten zuschritt
und sichtbar bewegt ihm die Hand entgegenstreckend sagte:
„Onkel! guten Tag! Da bin ich wieder!"
„Wilhelm Du?" rief lebhaft der Alte. „Kommst Du
von der Wanderschaft?"
„Ja Onkel, ganz vor Kurzem bin ich wieder einge-
wandert! Nach fünf langen Jahren wieder in der Vater-
stadt!"
„Und wie ist es Dir ergangen?" fragte der Alte. „Aber
setz' Dich, setz' Dich! — Meiner Frauen Schwester Sohn,"
erklärte er gegen den Mann im schwarzen Nock gewendet, „vor
fünf Jahren ist er auf die Wanderschaft gegangen. — Du
hast nicht oft von Dir hören lassen, Wilhelm, bist doch
hoffentlich auf rechtem Wege geblieben und hast Gott vor
Augen und im Herzen behalten?"
„Onkel, Sic wissen ja, viel schreiben war nie meine
achtsabend.
Sache. Aber wie ist's Ihnen ergangen? Ach Gott, daß
meine gute Tante nicht mehr lebt, habe ich schon unten er-
fahren! Die gute Tante! Ich hatte mich sehr gefreut auf
das Wiedersehen. Sie ist mir eine gute Mutter gewesen,
seit meine Eltern gestorben sind."
„Sie ist bei Gott!" sagte leise mit zitternder Stimme
der Oheim.
Wieder entstand eine Stille in dem dämmerigen Zimmer.
Sie gedachten wohl beide, der Nesse und der Oheim, der
Dahingegangenen.
„Das war ein harter Schlag für Sie und für die
arme Therese," begann endlich Wilhelm von neuem. „Aber
wo ist denn Therese, Onkel? Kann ich nicht auch sie be-
grüßen?"
„Ist sie verheirathet? weggezogen?" fragte er dringend,
als ihm keine Antwort auf seine erste Frage ward.
„Junger Mann," fiel hier der Fremde ein, „fragen
Sie nicht weiter. Sie betrüben Ihren Onkel."
„Um Gotteswillen, Onkel! ist denn Therese auch...
ist sie auch gestorben?"
„Wäre sic es, ach wäre sie es!" murmelte dumpf der
Alte.
„Bitte, Onkel, so reden Sie doch, was ist denn geschehen?
Habe ich denn nicht auch ein Recht nach ihr zu fragen? sie
war ja wie meine Schwester, Onkel!"
„Junger Mann, schonen Sie doch Ihres Onkels," mahnte
wiederum der Vorstand des Missionsvereins, „Sie sehen ja
wie schmerzlich..."
„Aber mein Gott," siel der Wanderbursche ihm in's
Wort, „laßt mich doch nur erfahren, was mit ihr geworden ist?"
„Verloren ist sie!" sagte kurz und dumpf der Alte.
„Verloren? Sie war doch nicht mehr so klein... ver-
loren? spurlos verschwunden?"
„Sie hat sich abgewendet vom rechten Wege, sie hat
sich der Sünde und Schande in die Arme geworfen, sie hat
das Vaterhaus verlassen, und wenn sie auch noch lebt, für
mich ist sie tobt," fuhr heftig der alte Mann heraus. „Ja
schlimmer als todt!" setzte er klagend hinzu.
Wilhelm schaute bestürzt und stumm vor sich nieder.
„Und wo ist sie nun?" fragte er nach einer Weile halblaut.
„Lassen Sie dieß nun ruhen, Sie sehen ja wie schmerz-
lich es Ihren Onkel ergreift!" mahnte der Fremde aufs
neue. Wilhelm aber konnte sich unmöglich beruhigen. „Onkel,"
flehte er, „was auch immer Therese getrennt haben mag von
Ihnen, sie ist ja doch Ihr Kind, Ihr einziges Kind, so ganz
haben Sie sich nicht von ihr gewendet, daß Sie nicht wüßten,
wo sie wäre, oder wenn sie sich versteckt vor dem Vater,
versteckt in bitterer Reue über all den Kummer, den sie dem
Vater zugefügt... Sie haben doch nicht geruht, bis Sie die
Verlorene aufgefunden ..."
„Ich habe sie verstoßen!" fiel nun der Oheim mit
Heftigkeit ein, „ich habe mein reines Haus vor ihr ver-
schlossen. Sie hat sich losgesagt von mir, sie hat Schande
und Schmach über mich und meinen Namen gebracht! Ich