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Reisebilder aus vergangener Zeit.
Theorie und Praxis.
von innen und außen und doch — wie viel
Herzeleid steckt manchmal drinnen in dem gel-
ben Futteral. Nicht Allen sieht man's auf
die erste Stunde an, wohin ihre Wege führen,
wer weiß es, was sie suchen und was sie
leiden?
In der vorderen Ecke sitzt eine schlanke
junge Frau in bescheidener Kleidung, die hat
einen blaßen Knaben auf dem Schooß. Es ist
die Förstersfrau aus einem entlegenen Dorfe und
der Arzt, der sieben Stunden weit weg wohnt,
hatte gesagt, daß der Knabe sterben muß.
Jetzt wollte sie zu ihm gehen und ihn noch
einmal bitten, daß er ihr Kind gesund machen
möge. Ihr Mann hatte sie an den Wagen
gebracht, aber es war ein rauher finsterer
Manu mit großem Barte und buschigen Brauen.
Als sie dahinfuhren, da hatte sein Weib noch
einmal die Hand herausgereicht zum Wagen
und hatte ihm nachgerufen — Leb wohl! Er
aber hatte sich nicht mehr umgewaudt, son-
! dern pfiff seinem Hund und ging.
Die junge bleiche Mutter erzählte Nie-
manden was; sie war unglücklich und das
wahre Unglück ist nicht geschwätzig. Sie
dachte heim an das einsame Försterhaus. Mit
wie viel Hoffen war sie eingezogcn, mit wie
viel Weh zog sie heut von hinneu. Wie hatte
der Zauber dieser Einsamkeit sie einst gelockt
und wie lag der Schmerz der Vereinsamung
nun auf ihrem Herzen! Es war ein unver-
standenes Leben! Sie beugte sich nieder und
küßte das kranke Kind; auch sie war krank
i — an einem Leid, das kein Arzt heilen kann.
Draußen über dem Lande lag der Herbst.
Von den rothen Bäumen tropften die Nebel
und die Raben flogen über das kahle Feld,
daß ihre Flügel die Scholle streiften. Wenn
der Weg in die Höhe ging, stiegen die An-
dern aus, nur der dicke Pfarrer blieb sitzen
und dispensirte sich, denn er hatte die Ge-
walt, zu binden und zu lösen. Langsam und
mühsam ging es weiter, selten nur kam ein
Fuhrwerk auf der einsamen Straße. Aber
einmal kam eine Ertrapost vorüber und die,
welche drinnen saßen, steckten neugierig den
Kopf heraus. Doch sie steckten ihn bald wie-
der hinein und man konnte hören, wie sie
sagten: „Nur ein Stellwagcn!"
Lieutenant (bei der Instruktion): „Na, Schulze, was thut'deun der
Soldat, wenn er Abends in der Dunkelheit jejeu eenen Unterosficier an-
rennt?" — Sold at: „Er thut eene uf et Ohr kriejen." '
Der Social-Demokrat auf der Kunstausstellung.
„Gott im Himmel, welche Unmasse verschmierter Leinwand! Wie viele
Hemden sür's Volk hätte das gegeben!"
Reisebilder aus vergangener Zeit.
Theorie und Praxis.
von innen und außen und doch — wie viel
Herzeleid steckt manchmal drinnen in dem gel-
ben Futteral. Nicht Allen sieht man's auf
die erste Stunde an, wohin ihre Wege führen,
wer weiß es, was sie suchen und was sie
leiden?
In der vorderen Ecke sitzt eine schlanke
junge Frau in bescheidener Kleidung, die hat
einen blaßen Knaben auf dem Schooß. Es ist
die Förstersfrau aus einem entlegenen Dorfe und
der Arzt, der sieben Stunden weit weg wohnt,
hatte gesagt, daß der Knabe sterben muß.
Jetzt wollte sie zu ihm gehen und ihn noch
einmal bitten, daß er ihr Kind gesund machen
möge. Ihr Mann hatte sie an den Wagen
gebracht, aber es war ein rauher finsterer
Manu mit großem Barte und buschigen Brauen.
Als sie dahinfuhren, da hatte sein Weib noch
einmal die Hand herausgereicht zum Wagen
und hatte ihm nachgerufen — Leb wohl! Er
aber hatte sich nicht mehr umgewaudt, son-
! dern pfiff seinem Hund und ging.
Die junge bleiche Mutter erzählte Nie-
manden was; sie war unglücklich und das
wahre Unglück ist nicht geschwätzig. Sie
dachte heim an das einsame Försterhaus. Mit
wie viel Hoffen war sie eingezogcn, mit wie
viel Weh zog sie heut von hinneu. Wie hatte
der Zauber dieser Einsamkeit sie einst gelockt
und wie lag der Schmerz der Vereinsamung
nun auf ihrem Herzen! Es war ein unver-
standenes Leben! Sie beugte sich nieder und
küßte das kranke Kind; auch sie war krank
i — an einem Leid, das kein Arzt heilen kann.
Draußen über dem Lande lag der Herbst.
Von den rothen Bäumen tropften die Nebel
und die Raben flogen über das kahle Feld,
daß ihre Flügel die Scholle streiften. Wenn
der Weg in die Höhe ging, stiegen die An-
dern aus, nur der dicke Pfarrer blieb sitzen
und dispensirte sich, denn er hatte die Ge-
walt, zu binden und zu lösen. Langsam und
mühsam ging es weiter, selten nur kam ein
Fuhrwerk auf der einsamen Straße. Aber
einmal kam eine Ertrapost vorüber und die,
welche drinnen saßen, steckten neugierig den
Kopf heraus. Doch sie steckten ihn bald wie-
der hinein und man konnte hören, wie sie
sagten: „Nur ein Stellwagcn!"
Lieutenant (bei der Instruktion): „Na, Schulze, was thut'deun der
Soldat, wenn er Abends in der Dunkelheit jejeu eenen Unterosficier an-
rennt?" — Sold at: „Er thut eene uf et Ohr kriejen." '
Der Social-Demokrat auf der Kunstausstellung.
„Gott im Himmel, welche Unmasse verschmierter Leinwand! Wie viele
Hemden sür's Volk hätte das gegeben!"
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Theorie und Praxis" "Der Social-Demokart auf der Kunstausstellung"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Kommentar
Signatur HA ungesichert
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 51.1869, Nr. 1255, S. 39
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg