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- Die Ochsen-Bärbel.

(Fortsetzung.)

Das Auftreten einer ansteckende» Kinderkrankheit hatte
natürlich einige Aufregung im rothen Ochsen hervorgerufen,
und die ängstlichen Mütter veranlaßt, ihren Kindern bei
schwerer Strafandrohung das Betreten des dritten Stockes zu
verbieten. Bärbels gefahrbringende Nähe wurde sorglich ge-
mieden, und an ihrer Statt erfreute sich die so verkannte
Stinc einer kurzen Herrlichkeit. Während der zwei ersten
Tage hütete jene auch gleich einem Drachen das Bette, worin
Fränzchen munter und hungrig wie ein kleiner Wolf lag, sich
jedoch — da die Alte ihm statt des verordnctcn Holderthees eine
weit nahrhaftere Kost angcdeihen ließ, auch ihren halbver-
gessenen Vorrath von Kindergeschichten, Liedlein und Späß-
chen zu seiner Unterhaltung wieder aufwärmte — geduldig in
die ihm widerrechtlich aufgedrungene Krankenrolle ergab.

Am dritten Tag war der Ausschlag spurlos verschwun-
den, Fränzchen durfte aufstchen und in der Wohnstube unten
spielen, da Bärbels hausmütterliche Pflichten ihr keine län-
gere Absperrung gestatteten und sie das Kind in der Nähe
haben wollte. Hier hielt sich der Ochscnwirth gewöhnlich auf.
Auch ihm war jene Aehnlichkeit nicht entgangen, das zutrau-
liche Wesen des Bübchens that seinem vereinsaniten Herzen
wohl, und ehe die Woche zu Ende ging, hatte Fränzchen sich
in dieses Herz einznschleichen gewußt, wie vordem in das der
alten Bärbel. Wieder waren acht Tage hingegangen. Franz
hätte längst ohne alle Gefahr den Geschwistern nachgcscndet
werden können, allein davon war keine Rede mehr. Bärbel
hatte der Marie geschrieben: sie solle die Eltern benachrich-
tigen, daß das Kind ini rothen Ochsen zu Bergen wohl auf-
gehoben sei, bis jene es bei der Durchreise selbst abzuholen
kämen. Das war jedenfalls noch eine wochcnlange Frist, und
— „Seh'n Sic" — bemerkte unsere Alte gegen Jsabella

—- „der Vater, denk' ich, wird sich nicht um den Buben
reißen, der hat Mäuler genug zu füttern; mein Herr, der
Ochscnwirth aber ist wie vernarrt in den kleinen Kerl, und
sagt der: ich behalt' ihn, und zieh'ihn auf, so will ich sehen,
ob der Seiltänzer was dawider einzuwendcn hat."

*

Im Ochsengarten blühen schon Dahlien, und die Vor-
boten des Herbstes, blaue und rothe Astern, mischen sich in
den Rabatten unter die Kinder des Sommers; kühle Abende
folgen den heißen Tagen und die Fremdenzimmer oben be-
ginnen sich zu leeren; doch langt immer noch ein und der
andere Nachzügler an, die Stelle der Abziehenden einzunch-
men. Es ist Sonntag Nachmittag. Werfen wir einen Blick
in die verschiedenen Räume zu alten Bekannten hinein und
fangen gleich beim ersten Stocke an, wo aus einer halbosfcn
stehenden Thüre Bärbels scharfer Discant uns entgcgenschallt.

„Was alt!" hören wir sie sagen, „so ein alerter Herr,
wie der Herr Hofrath, können gar nicht alt werden. Aber
schön ist's, daß Sie noch zu uns gekommen sind! Ich Hab'
schon gemeint, mein Kaffee müsse dem Herrn Hofrath ver-
gangenen Sommer doch nicht so geschmeckt haben, wie vor-
dem, und seh'n Sie, Herr Hofrath, darin nehm' ich's noch
mit Jedem auf! Im Lamm drüben kochen sie Gelbrüben und
machen dazu ein Schmierale von einem Bischen gebrannten
Zucker und das heißen sie dann: Kaffee. Ja, was ich sagen
will: haben der Herr Hofralh wohl gehört, wie der Inspektor
einmal die Lamm-Rike angeführt hat? Nicht? — Nun ich
will's Ihnen geschwind erzählen, es ist ein gar lustig Stück-
lein, das! Also der Inspektor hat immer seinen Nachmittags-
kaffee im Lamm getrunken, von wegen der Nähe; er muß
ihm jedoch nicht sonderlich geschmeckt haben, denk' ich. Gut.


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