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Die Ochsen-Bärbel.

(Fortsetzung.)

„Was das betrifft — mir steht es gewiß nicht zu, das
Alter einer Dame zu berechnen —"

„Ich wünsche es aber einmal zu wissen, wie hoch Sie
mich schätzen," lachte die Dame, „oder glauben Sie, mit
solchen Locken sei man noch so eitel, für nicht alt gellen zu
wollen? Also frisch heraus mit der Sprache: geben Sie mir
ein halbes Jahrhundert?"

Jetzt hast Du die schönste Gelegenheit, einmal ein Com-
pliment zu riskiren, dachte Herr Sprandler und entgegnete
herzhaft: „Eine Rose bleibt immer Rose, auch unter'm Schnee
eines verfrühten Winters; oder nicht?"

„Gut gesprochen, Signor Fernando!" rief Miß Brown
heiter. „Sie haben sich vortrefflich aus der Affaire gezogen
und zum Datik dafür will ich Erbarmen mit Ihrer Neugierde
haben und Ihnen erlauben, mir zweiundfünfzig Jahre zu
geben. Nicht wahr, ein schönes, ehrwürdiges Alter! Sie
haben nicht die Hälfte meiner Jahre."

„Ich bin dreiundzwanzig."

„Gott wie jung!" versetzte die Dame mit einem Seufzer,
f von welchem sich schwer sagen ließ, galt er dieser Jugend
oder ihrem gereiften Alter. „Sie besitzen wohl noch Eltern,
Geschwister? — Bitte, nehmen Sie noch etwas Schinken!"

Der Maler that also und antwortete: „Ich war das
einzige Kind und habe keine Eltern mehr."

„War Ihr Vater auch Künstler?" eraminirte Miß
Brown weiter.

Der junge Mann schien erst etwas verlegen, dann sagte
er treuherzig: „Ja wohl, Miß, wenn auch in einem andern
. Fache: er war ein Kleiderkünstler, oder wie wir's nennen:
ein Schneider. Ein braver, arbeitsamer aber armer Mann
— ein wahrer Ehrenmann, Miß Brown!"

„Und sein Sohn wird ihm — ich bin das überzeugt
— darin nachstreben, wenn gleich er Maler ist," erwiderte
Jene mit freundlichem Ernst. „Woher haben Sie diese Locken,
von Vater oder Mutter?"

„Weder von dem Einen noch der Andern. Hätten wir
uns nicht gegenseitig so lieb gehabt, so dacht' ich heute noch,
irgend ein neckischer Kobold habe den eigenen Sprößling gegen
den Sprandler'schen Erben umgetauscht."

„Wie sind Sie denn dazu gekommen, Künstler zu wer-
den? Sie sagten, Ihre Eltern seien arm gewesen; da müssen
Sie wohl große Schwierigkeiten zu überwinden gehabt haben?"

„Ja, Miß Brown, wohl große!" versetzte der Maler
mit einem leichten Seufzer. „Mein Vater wünschte, mich zu
seinem Gewerbe heranzuziehen, allein schon als kleiner Knabe
zog ich den Bleistift der Nadel vor, und meine gute Mutter
stand mir treulich bei, als es zur Entscheidung kommen mußte:
ob Schneider oder Maler. Beide haben schwere Opfer für
mich bringen müssen, allein nur durch ein, mir von entfernten
Verwandten zufallendes Legat wurde es mir möglich gemacht,
eine Malerakademie zu besuchen."

„Und welche besuchten Sie?"

„Ich war ein Jahr in Düsseldorf."

„Und nun sind Sie fertig?"

„Ja, ja, fertig; ganz fertig! — d. h. gewissermaßen,"
erwiderte Herr Sprandler in einem ganz eigenthümlichen, aus
Ernst und Ironie gemischten Tone.

„Und werden eines schönen Tages nach dem Lande der
Sehnsucht aller Künstlerherzen hinfliegen?"

„Ja, ja, eines schönen, aber noch sehr ferneliegenden
Tages, der möglicher Weise auch gar nicht kommen könnte."

„Es wäre jetzt auch noch zu frühe," meinte die Miß.

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