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Handlungen, sowie von allen Postämtern und preis für den Band von 26 Nummern 3 fl. 54 kr.
Zeitungscrpeditionen angenommen. ob. 2 Rtblr. 5 Sgr. Einzelne Nummern 9 kr. od. 2 V? Sgr.
Die Ochscn-Bärbcl.
(Fortsetzung.)
„Kind, das versteh'n Sie noch nicht, was ein Weib,
das seine Gewalt mißbraucht über einen schwachen Mann —
und schwach sind sie alle!" setzte die Alte mit einem Seufzer
hinzu, „ausrichten kann. Die Ochsenwirthin war ein schönes
und verschlagenes Weib; sie konnte es nicht verwinden, daß
der Mann dem Buben so schön lhat, ihn so lieb hatte, fast
mehr als sein Weib selbst. So suchte sie sich zwischen Vater
und Kind zu stellen und es gelang ihr nur zu gut.
Das kam nun nicht so auf einmal, seh'n Sie, sondern
ganz sachte wußte sie den Franz dem Vater zu entfremden,
und drei eigene Kinder machten die Sache nicht besser, econ-
trär; nun war, der zuvor Aller Augapfel gewesen, vollends
das Stiefkind im Hause.
So klein die andern Kinder auch noch waren, sie merkten
's doch bald, daß die Mutter dem altern Bruder gram war,
denn Kinder, seh'n Sie, Fräulein Bella — Kinder haben
einen schärfern Blick als man's glaubt, und so wurde es dem
Franz in die Schuhe geschoben, wenn Eines von ihnen was
angestellt hatte, und er bekam auch richtig die Schläge dafür.
O, liebes Fräulein," fuhr die Alte nach einer Pause
fort und wischte sich mit der Ecke ihrer Schürze die Augen,
„oft hat der arme Bub', wenn er unbarmherzig gezüchtigt
worden war, sich daher zu mir geflüchtet und seinen Kopf in
meinen Schooß gelegt und geschluchzt, daß es einen Stein
hätte erbarmen mögen. Dieses Weib aber hatte kein Er-
barmen. Vor ihr verheimlichte er auch immer seine Thränen
und zuckte kaum, wenn sie ihm auch noch so wehe that. Und
das war auch kein Wunder, denn seh'n Sie: ein mißhandeltes
Kind wird leicht stöckisch, und gönnt's seinem Peiniger nicht,
daß er sieht, wie sich's darob grämt.
Es war zur Zeit der großen Herbstmesse in Wallstadt
drüben, die auf dem Wasen vor der Stadt all' Jahr abge-
halten wird. Von allen Seiten kommen da die Leute herge-
laufen, um sich einen vergnügten Tag zu machen und an dem
Spektakel zu ergötzen. Nun gut. Mein Herr, der Ochsen-
wirth, welcher dazumalen auch seine Freude an derlei Festi-
vitäten hatte, war schon am Mittag nach Wallstadt hinüber
gefahren, die Frau hängte Wäsche auf im Höschen und ich
hatte in meiner Küche zu thun. Da höre ich ein Gepolter
und einen Schrei, und mit Einem Sprunge bin ich in der
Stube. Das jüngste, kaum zweijährige Mädle liegt auf dem
Boden und schreit, als ob man's am Messer hätte. Der
Franz kommt eben mit seiner Schiefertafel in der Hand ans
der Kammer und die beiden andern Kinder kriechen unter
den Tisch. Wie ich die Kleine aushcbe, so ist ihr Gesicht
über und über voller Blut; ich lege sie der indessen he'rbei-
gekommcnen Ochsenwirthin in den Arm und laufe nach Wasser;
jetzt kommt das Unglück an Tag: das Kind hatte auf dem
Tische mit einem Spiegelscherben gespielt, war herunter ge-
fallen und hatte sich mit dem Glas in eines der Bäckchen
geschnitten.
Man schickt zum Chirurg, der kommt und meint, die
Sache habe nicht viel zu bedeuten; er legt ein Heftpflaster
auf die Wunde und man bringt das Kind in sein Bett, wo
es sich bald in Schlaf weint. Jetzt sieht sich die Frau in
der Stube um und entdeckt in einer Ecke den Franz, der
wie eine Wand so weiß mit seiner Schiefertafel dasteht."
„O Bärbel, er wird doch das Unglück nicht angerichtet
haben," warf Isabelle ängstlich ein.
„Nein, mein Herz, der Franz mar so unschuldig daran,
wie ich selber. Meine Frau aber hatte in ihrem bösen Herzen
schon beschlossen, ihn für den Schuldigen zu nehmen, und
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Die Ochscn-Bärbcl.
(Fortsetzung.)
„Kind, das versteh'n Sie noch nicht, was ein Weib,
das seine Gewalt mißbraucht über einen schwachen Mann —
und schwach sind sie alle!" setzte die Alte mit einem Seufzer
hinzu, „ausrichten kann. Die Ochsenwirthin war ein schönes
und verschlagenes Weib; sie konnte es nicht verwinden, daß
der Mann dem Buben so schön lhat, ihn so lieb hatte, fast
mehr als sein Weib selbst. So suchte sie sich zwischen Vater
und Kind zu stellen und es gelang ihr nur zu gut.
Das kam nun nicht so auf einmal, seh'n Sie, sondern
ganz sachte wußte sie den Franz dem Vater zu entfremden,
und drei eigene Kinder machten die Sache nicht besser, econ-
trär; nun war, der zuvor Aller Augapfel gewesen, vollends
das Stiefkind im Hause.
So klein die andern Kinder auch noch waren, sie merkten
's doch bald, daß die Mutter dem altern Bruder gram war,
denn Kinder, seh'n Sie, Fräulein Bella — Kinder haben
einen schärfern Blick als man's glaubt, und so wurde es dem
Franz in die Schuhe geschoben, wenn Eines von ihnen was
angestellt hatte, und er bekam auch richtig die Schläge dafür.
O, liebes Fräulein," fuhr die Alte nach einer Pause
fort und wischte sich mit der Ecke ihrer Schürze die Augen,
„oft hat der arme Bub', wenn er unbarmherzig gezüchtigt
worden war, sich daher zu mir geflüchtet und seinen Kopf in
meinen Schooß gelegt und geschluchzt, daß es einen Stein
hätte erbarmen mögen. Dieses Weib aber hatte kein Er-
barmen. Vor ihr verheimlichte er auch immer seine Thränen
und zuckte kaum, wenn sie ihm auch noch so wehe that. Und
das war auch kein Wunder, denn seh'n Sie: ein mißhandeltes
Kind wird leicht stöckisch, und gönnt's seinem Peiniger nicht,
daß er sieht, wie sich's darob grämt.
Es war zur Zeit der großen Herbstmesse in Wallstadt
drüben, die auf dem Wasen vor der Stadt all' Jahr abge-
halten wird. Von allen Seiten kommen da die Leute herge-
laufen, um sich einen vergnügten Tag zu machen und an dem
Spektakel zu ergötzen. Nun gut. Mein Herr, der Ochsen-
wirth, welcher dazumalen auch seine Freude an derlei Festi-
vitäten hatte, war schon am Mittag nach Wallstadt hinüber
gefahren, die Frau hängte Wäsche auf im Höschen und ich
hatte in meiner Küche zu thun. Da höre ich ein Gepolter
und einen Schrei, und mit Einem Sprunge bin ich in der
Stube. Das jüngste, kaum zweijährige Mädle liegt auf dem
Boden und schreit, als ob man's am Messer hätte. Der
Franz kommt eben mit seiner Schiefertafel in der Hand ans
der Kammer und die beiden andern Kinder kriechen unter
den Tisch. Wie ich die Kleine aushcbe, so ist ihr Gesicht
über und über voller Blut; ich lege sie der indessen he'rbei-
gekommcnen Ochsenwirthin in den Arm und laufe nach Wasser;
jetzt kommt das Unglück an Tag: das Kind hatte auf dem
Tische mit einem Spiegelscherben gespielt, war herunter ge-
fallen und hatte sich mit dem Glas in eines der Bäckchen
geschnitten.
Man schickt zum Chirurg, der kommt und meint, die
Sache habe nicht viel zu bedeuten; er legt ein Heftpflaster
auf die Wunde und man bringt das Kind in sein Bett, wo
es sich bald in Schlaf weint. Jetzt sieht sich die Frau in
der Stube um und entdeckt in einer Ecke den Franz, der
wie eine Wand so weiß mit seiner Schiefertafel dasteht."
„O Bärbel, er wird doch das Unglück nicht angerichtet
haben," warf Isabelle ängstlich ein.
„Nein, mein Herz, der Franz mar so unschuldig daran,
wie ich selber. Meine Frau aber hatte in ihrem bösen Herzen
schon beschlossen, ihn für den Schuldigen zu nehmen, und
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