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122

Die Ochsen-Bärbel.

„Hat er ihren Namen nicht genannt?" fragte Isabelle
gespannt.

„Ja, das hat er, aber sic hat einen gar kuriosen Namen:
Fortane oder tune—ich Hab' 's nicht recht behalten können,"
entgegnete Bärbel nachsinnend.

„Am Ende: Fortuna? Hat er sie so genannt?"

„Sie haben 's," rief die Alte, „Fortuna heißt sie!
Aber was lachen Sie denn, Kind, über den Namen? Ich
Hab' ihm gesagt: an seiner Stelle thät' ich gar nimmer an
i sie denken, da sie so lange nichts von sich hören und sehen
lasse; sie könnte auch ganz ausbleiben, Hab' ich gesagt."

„Und was hat er geantwortet?" fragte das junge Mäd-
i chen, nach dem zu Boden gefallenen Strickzeug sich bückend.

„Er ist aus einmal ganz ernsthaft geworden, hat mit
dem Kopfe genickt und gesagt: ich könnte wohl recht haben;

! er aber dürfe sie nicht aufgeben, sie sei seine einzige Hoff-
nung! So hat er gesprochen, und mir ist's auch traurig um's
Herz geworden und Hab' gedacht: 's war' doch recht garstig,
einen so armen, braven Menschen zu verlassen! Denn brav
ist er — ein gutes, mitleidiges Herz, und gibt von seinem
Bischen, das er hat, wo er ein Armes oder Hungriges sieht."

*

Während er am Küchentische der Gegenstand so an-
j ziehender Unterhaltung ist, schlendert der junge Maler, seine
j Cigarre rauchend, behaglich den schmalen Weg hinan, der zum
' Thürmchen führt. Auf halber Höhe des Berges etwa be-
gegnet er einer einfach gekleideten Dame, die denselben Weg
verfolgt. Seinen Hut ziehend, geht er vorüber. Die Dame
hat nur einen Blick auf sein unbedecktes Haupt geworfen,
allein augenscheinlich ist sie überrascht; sie schaut ihm nach,
so lange seine Gestalt ihr sichtbar ist, dann sagt sie halblaut:
„Ja, er muß es sein! Begegne ich ihm wieder, so werde ich
mir Gewißheit verschaffen!" Und richtig, als sie, um eine
! Weinbergmauer biegend, den Thurm vor sich sah, wer lag
gemüthlich auf dem sanftansteigenden Rasen hingestreckt, wenn
; nicht unser Maler? Beim Anblick der Dame erhob er sich
rasch und mochte die Absicht haben, das hübsche Plätzchen
ihr allein zu überlassen, allein sie bat in so freundlicher Weise,
sich doch durch sie nicht stören, vielmehr ihre Gesellschaft sich
auf ein Viertelstündchen gefallen zu lassen, daß er, fast gegen
seinen Willen, den Fluchtversuch aufgab und, ihrem Beispiel
folgend, sich wieder in das weiche Grün niederließ.

Die Dame löste nun die Bänder ihres Sommerhutes,
unter welchem reiche, aber zu Silber ergraute Locken hinab-
fielen auf die weißeste Stirne und auf Wangen, deren lieb-
! liche Frische eine Rose beschämen konnte, und leitete in etwas
fremdklingendem, aber geläufigem Deutsch die Unterhaltung
folgendermaßen ein.:

„Ich irre mich wohl nicht, wir sind Hausgenossen im
Gasthofe da unten?"

Herr Sprandel neigte statt der Antwort ehrerbietig das
reichbelockte Haupt, die Cigarre lag dampfend neben ihm im
Grase.

„Bitte, rauchen Sie doch fort," sprach die Dame weiter.

„Ich liebe diesen feinen Duft ganz außerordentlich im Freien,
und nur selten wird mir dieser Genuß zu Theil, da ich nicht
selbst rauche."

Der Maler stutzte. „Was Teufel, ist sie nicht ganz bei
Tröste," dachte er, „wer wird denn auch auf den Einfall
kommen, eine Dame rauche?"

„Sie wundern sich, wie ich sehe, über meine Bemerk-
ung," fuhr Jene lächelnd fort, „allein sagen Sie mir, junger
Herr, was würde wohl mehr Ihr Erstaunen erregen: ein
Frauenzimmer mit der Cigarre im Mund, oder ein Mann
— ein junger Mann, wie Sie etwa — mit einem Wickel-
kind in den Armen, das er in den Schlaf singt?"

Die Dame hatte, während sie so sprach, die schönen,
braunen Augen fest auf das Angesicht ihres Nachbars ge-
heftet, das jetzt im tiefsten Purpur erglühte.

„Ich habe mich nicht getäuscht," fing sie nach einer
kleinen Pause in heiterem Tone wieder an, „ich sah Sie
schon früher und zwar in der sonderbarsten Gesellschaft der
Welt. Vor einigen Wochen besuchte ich Wildbad und machte,
wie das so meine Gewohnheit ist, eines Tages meine ein-
same Promenade im Wald. Da höre ich das Weinen eines
Kindes, ich gehe den Tönen nach und sehe in einiger Ent-
fernung ein kleines, schreiendes Bündel im Moose liegen,
neben welchem ein kaum dreijähriges Bübchen kauert, ver-
gebens bemüht, wie mir schien, den kleinen Schreier zu be-
ruhigen. Mutter! Mutter! Kommst Du denn noch nicht?
ruft es dann, indem es aufsteht und mit ängstlichen Geber-
deu umhersieht; allein statt der erwarteten Mutter sehe ich
einen jungen, schlanken Mann, mit einer Mappe unter dem
Arm unter den Bäumen hervortreten. Ich blieb stehen und
lauschte. Der Fremde sprach mit dem Knäblein, dieses mochte
ihm seine Noth klagen, wies nach den Bäumen hin und sprang
plötzlich munter davon. Der junge Mann aber warf alsbald
> seine Mappe in's Gras, beugte sich zu dem schreienden Ge-
Image description

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Die Ochsen-Bärbel"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Mann <Motiv>
Maler <Motiv>
Turm <Motiv>
Hut <Motiv>
Karikatur
Rasen
Landschaft <Motiv>
Junge Frau <Motiv>
Zigarre <Motiv>
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 51.1869, Nr. 1266, S. 122

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Erschließung

Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
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