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Die Ochsen-Bärbel.
Aber, Herr Sprandler, ich habe doch keine so schwarze
„O Lämmlein, Deine Unschuld ist groß!" entgcgncte
Jener lachend. „Die rothen Backen und all' das klebrige
kommt noch, ohne Sorgen, Barbara! Sagen Sie mir ein-
mal, aber ganz aufrichtig: waren Sic hübsch in Ihrer Jugend?"
„Geht so an!" sagte Bärbel nicht im mindesten be-
leidigt durch die indiscrete Frage. „Einer hat's wenigstens ge-
i meint, wenn ihm nachher auch eine Andere besser gefallen hat."
„Sie meinen den Christian, den treulosen, schlechten
j Menschen — nicht?"
„O reden Sie nicht so von ihm, ich Hab' ihm lang'
' verziehen," versetzte Bärbel und hob die eine Hand, ließ sie
aber sogleich, eingedenk der Ermahnung, ruhig zu sitzen, fast
erschrocken wieder auf den Schoost zurücksinken.
„Sie sind eine gute Seele, Barbara! — aber seh'n
■ Cie mich noch einmal an. So — so isl's recht!"
„Was sagen Sie denn zu meinem Halstuch? Ich Hab'
noch ein seidenes, gelb und grün und mit einer schönen rothen
Bordir rings herum," ließ sich Bärbel nach einer kleinen
Pause hören, während der sie vermuthlich Betrachtungen an-
gestellt, welche Farben ihr am besten stünden. Aber Herr
Sprandler entgegnete, das, was sic anhabe, sei ganz gut.
Die verschiedenen Theile ihres Anzuges harmoniren überhaupt
vortrefflich mit einander — meinte er — indem das Kleid
theegrün, die Schürze kaffeebraun und das Halstuch, welches
sich über der Brust kreuzend mehr kräftige als anmuth ge
Formen ahnen liest, chokoladfarben sei. Ein schmaler weißer
Streifen, der sich oberhalb des Tuches eher zu verbergen als
zeigen zu wollen schien, könne den Milchrahm vorstellen, der
ja stets in Gesellschaft von Kaffee, Thee und Chokoladc erscheine.
Ter Umrist war nun ootlenbef, und der Maler griff zu
Pinsel und Palette. Wir haben für diesmal genug gesehen
und gehört und ziehet! uns bescheiden zurück.
* *
*
Der rothe Ochse ist wie ausgestorben, die Laden im
ersten und zweiten Stock sind geschlossen und von all' den
hier eingezogenen Gästen blieb nur Einer zurück: Frünzchen,
das Seiltänzerkind.
Der Hofrath und seine jugendliche Freundin waren die
Ersten aus dem uns bekannten Kreise, denen Bärbel die
schwielige Hand zum Abschied reichte, und zivar nicht ohne
etliche Thränlein und mit dem Wunsche: die Herrschaften
möchten den rothen Ochsen, ihren Herrn, den Ochsenwirth,
und die alte Ochsen-Bärbel in gutem Andenken behalten!
Der Hofrath hatte seinem Versprechen gemäß nicht er-
mangelt, dem jungen Maler sich zu nähern, und dieser müßte
nicht das offene, treuherzige Gemüth geivesen sein, das er in
Wirklichkeit war, wenn er dein herzlichen Entgegenkommen
des liebenswürdigen alten Herrn hätte widerstehen können.
Das Ergebnist dieser Annäherung mar ein für alle Theile
höchst befriedigendes; der gute Hosrath schwärmte nun nicht
weniger für diese anspruchslose, fast kindliche und doch jo
tüchtige Künstlernatur, als Miß Lucic selbst, und lud den
jungen Maler beim Abschied ein, während seines Aufenthalts
in der Residenz bei ihm zu wohnen, was derselbe mit ge-
rührtem Herzen annahm. Auch das Scheiden zwischen Mist
Brown und ihrem Schützling ivar ein sehr bewegtes; Beide
fühlten, sie könnten sich in diesem Leben vielleicht nimmer wie-
der sehen, denn Jene war längst abgereist, wenn der Maler in
die Residenz kam. Lange noch, nachdem der Zug. welcher die
glänzende Erscheinung entführte, dahin brauste, stand er auf
demselben Fleck, wo sie ihm zuletzt die meiste Hand gereicht,
die ihm so viele Theilnahme, so reiche Huld bewiesen, und
ein feuchter Schleier umwölkte für einen Augenblick das früh- j
liche Auge, als jener hinter den Bergen verschwand.
Einige Tage darauf flössen Bärbels Thräncn auf's Nene.
Isabelle und ihre Mutter schieden, um die Rundreise bei den
schwäbischeil Verwandten anzutreten. Zivei Wochen später —
und auch Herr Sprandler schnürte sein Bündel.
Die zur Ausstellung bestimmten Bilder lagen vollendet
in der Mappe, und auch Bärbels Bildnist war fertig bis auf
einige Lichter und Schatten, die ihm erst unter dem Gold-
rahmen noch gegeben werden sollten. Die Aehnlichkeit mit dem
Original war bewundernswürdig, die ganze Ausführung so
meisterhaft, daß der Hofrath, obschon er es nicht vollendet
gesehen, darauf bestanden, das Porträt müsse ebenfalls eine
Stelle in dem Gemüldesaal erhalten. Herr Sprandler fühlte
sich sehr befriedigt über diesen Ausspruch eines wahren Kenners,
aber wer beschreibt Bärbels stolzes Entzücken: richtig, in dem
Bildcrsaal soll sie aufgehängt werden, und dazu in einem
prächtigen Goldrahmen, just, wie's der Traum ihr verheißen.
Und die Leute alle werden davor hinslehcn, sie bewundern,
Die Ochsen-Bärbel.
Aber, Herr Sprandler, ich habe doch keine so schwarze
„O Lämmlein, Deine Unschuld ist groß!" entgcgncte
Jener lachend. „Die rothen Backen und all' das klebrige
kommt noch, ohne Sorgen, Barbara! Sagen Sie mir ein-
mal, aber ganz aufrichtig: waren Sic hübsch in Ihrer Jugend?"
„Geht so an!" sagte Bärbel nicht im mindesten be-
leidigt durch die indiscrete Frage. „Einer hat's wenigstens ge-
i meint, wenn ihm nachher auch eine Andere besser gefallen hat."
„Sie meinen den Christian, den treulosen, schlechten
j Menschen — nicht?"
„O reden Sie nicht so von ihm, ich Hab' ihm lang'
' verziehen," versetzte Bärbel und hob die eine Hand, ließ sie
aber sogleich, eingedenk der Ermahnung, ruhig zu sitzen, fast
erschrocken wieder auf den Schoost zurücksinken.
„Sie sind eine gute Seele, Barbara! — aber seh'n
■ Cie mich noch einmal an. So — so isl's recht!"
„Was sagen Sie denn zu meinem Halstuch? Ich Hab'
noch ein seidenes, gelb und grün und mit einer schönen rothen
Bordir rings herum," ließ sich Bärbel nach einer kleinen
Pause hören, während der sie vermuthlich Betrachtungen an-
gestellt, welche Farben ihr am besten stünden. Aber Herr
Sprandler entgegnete, das, was sic anhabe, sei ganz gut.
Die verschiedenen Theile ihres Anzuges harmoniren überhaupt
vortrefflich mit einander — meinte er — indem das Kleid
theegrün, die Schürze kaffeebraun und das Halstuch, welches
sich über der Brust kreuzend mehr kräftige als anmuth ge
Formen ahnen liest, chokoladfarben sei. Ein schmaler weißer
Streifen, der sich oberhalb des Tuches eher zu verbergen als
zeigen zu wollen schien, könne den Milchrahm vorstellen, der
ja stets in Gesellschaft von Kaffee, Thee und Chokoladc erscheine.
Ter Umrist war nun ootlenbef, und der Maler griff zu
Pinsel und Palette. Wir haben für diesmal genug gesehen
und gehört und ziehet! uns bescheiden zurück.
* *
*
Der rothe Ochse ist wie ausgestorben, die Laden im
ersten und zweiten Stock sind geschlossen und von all' den
hier eingezogenen Gästen blieb nur Einer zurück: Frünzchen,
das Seiltänzerkind.
Der Hofrath und seine jugendliche Freundin waren die
Ersten aus dem uns bekannten Kreise, denen Bärbel die
schwielige Hand zum Abschied reichte, und zivar nicht ohne
etliche Thränlein und mit dem Wunsche: die Herrschaften
möchten den rothen Ochsen, ihren Herrn, den Ochsenwirth,
und die alte Ochsen-Bärbel in gutem Andenken behalten!
Der Hofrath hatte seinem Versprechen gemäß nicht er-
mangelt, dem jungen Maler sich zu nähern, und dieser müßte
nicht das offene, treuherzige Gemüth geivesen sein, das er in
Wirklichkeit war, wenn er dein herzlichen Entgegenkommen
des liebenswürdigen alten Herrn hätte widerstehen können.
Das Ergebnist dieser Annäherung mar ein für alle Theile
höchst befriedigendes; der gute Hosrath schwärmte nun nicht
weniger für diese anspruchslose, fast kindliche und doch jo
tüchtige Künstlernatur, als Miß Lucic selbst, und lud den
jungen Maler beim Abschied ein, während seines Aufenthalts
in der Residenz bei ihm zu wohnen, was derselbe mit ge-
rührtem Herzen annahm. Auch das Scheiden zwischen Mist
Brown und ihrem Schützling ivar ein sehr bewegtes; Beide
fühlten, sie könnten sich in diesem Leben vielleicht nimmer wie-
der sehen, denn Jene war längst abgereist, wenn der Maler in
die Residenz kam. Lange noch, nachdem der Zug. welcher die
glänzende Erscheinung entführte, dahin brauste, stand er auf
demselben Fleck, wo sie ihm zuletzt die meiste Hand gereicht,
die ihm so viele Theilnahme, so reiche Huld bewiesen, und
ein feuchter Schleier umwölkte für einen Augenblick das früh- j
liche Auge, als jener hinter den Bergen verschwand.
Einige Tage darauf flössen Bärbels Thräncn auf's Nene.
Isabelle und ihre Mutter schieden, um die Rundreise bei den
schwäbischeil Verwandten anzutreten. Zivei Wochen später —
und auch Herr Sprandler schnürte sein Bündel.
Die zur Ausstellung bestimmten Bilder lagen vollendet
in der Mappe, und auch Bärbels Bildnist war fertig bis auf
einige Lichter und Schatten, die ihm erst unter dem Gold-
rahmen noch gegeben werden sollten. Die Aehnlichkeit mit dem
Original war bewundernswürdig, die ganze Ausführung so
meisterhaft, daß der Hofrath, obschon er es nicht vollendet
gesehen, darauf bestanden, das Porträt müsse ebenfalls eine
Stelle in dem Gemüldesaal erhalten. Herr Sprandler fühlte
sich sehr befriedigt über diesen Ausspruch eines wahren Kenners,
aber wer beschreibt Bärbels stolzes Entzücken: richtig, in dem
Bildcrsaal soll sie aufgehängt werden, und dazu in einem
prächtigen Goldrahmen, just, wie's der Traum ihr verheißen.
Und die Leute alle werden davor hinslehcn, sie bewundern,
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Die Ochsen-Bärbel"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 51.1869, Nr. 1270, S. 154
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg