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Ein Honvsd.
spannte ein Pferd aus, um in daS uächstgelcgene Dorf zu
reiten, einen der vielen Zigeuner, die in Siebeubürge» ge-
wöhnlich als Schiniede funktioniren, herauszutreiben. Meine
Last wurde endlich so unerträglich, daß ich vorzog, das Un-
wetter lieber über mich ergehen zu lassen und kletterte mit
vieler Ruhe aus dem Coups, so daß ich bald ganz durchnäßt
mit Ergebung den ferneren Ereignissen entgegensehen konnte.
Da fuhr uns ein Wagen vor und hielt au. Ein Herr er-
kundigte sich bei dem Condukteur nach der Ursache unseres
Verweilens, und war so freundlich, uns Plätze in seinem
Wagen anzutragen; mein Reisegefährte, ungeduldig, Groß-
wardein zu erreichen, dankte für den liebenswürdigen Antrag,
ich nahm ihn aber mit wahrem Dankgefühl an, beauftragte
den Condukteur, meinen Koffer auf der Post in Großwardein
abzugeben, und sprang in den Wagen meines unbekannten,
großmüthigen Erretters.
Wir flogen mit Windeseile fort, einige banale Phrasen
wechselnd, ich konnte von meinem Führer nichts als die glim-
mende Cigarre sehen. Bald darauf schlugen wir einen schlech-
ten Feldweg ein und kamen nach beiläufig 2 Stunden in
den Hof eines wie mir schien sehr freundlichen Wohnhauses,
wo wir absticgeu, ich, »och ganz durchnäßt, meinem freund-
lichen Führer für das propouirte Souper dankte, mein an-
gewiesenes Zimmer bezog, und bald in Schlummer sank.
Nächsten Tages, als ich meine Toilette beendet hatte,
und über das Sonderbare meiner Lage — die Gastfreundschaft
in einem mir gänzlich unbekannten Hause genießend, uach-
dachte, trat die Magd ein, mich zum Frühstücke einzuladen.
Ich beeilte mich, meiner Führerin zu folgen und trat in
einen hübschen Salon, in welchem ich den Hausherrn traf,
von dem mir nichts als die Stimme bekannt war; jetzt erst
konnte ich mich vorstellen. Wir plauderten einige Minuten,
als eine allerliebste, elegante, junge Frau freundlich grü-
ßend eintrat und ungemein graziös das Frühstück arrangirte.
Bald fühlte ich mich so heimisch als ob wir jahrelange Be-
kannte gewesen wären, und wie so oft, hatte ich auch jetzt alle
Ursache dem Zufall für seine Intervention herzlichen Dank
zu sagen.
„Sie scheinen nicht zu wissen, daß Sie unser Gefangener
sind," sagte die liebenswürdige Hausfrau, als ich endlich
einige Worte vom Wegfahren murmelte — „ja unser Ge-
fangener, vor 8 Tagen dürfen Sie auf keine Befreiung rech-
nen, wir rathen Ihnen, ja keinen Fluchtversuch zu mache»,
der Ihnen ohnedies wenig nützen dürfte, da Sie sich in
diesen Gebirgslabyriuthcn wohl nicht zurecht finden würden
— doch beruhigen Sie sich — Ihre Haft wird nicht zu
strenge ausfallen. — Sie sind eigentlich blos internirt, Sie
können jagen, fischen, wir haben prächtige Forelleubäche, ich
hoffe, Sie lieben die Musik" — ,,Uud wenn es schlechtes
Wetter ist," fuhr ihr Gatte fort, ,,so müssen Sie mit uns
Tarok spielen, Sie glauben nicht, mit welcher Kühnheit meine
Irma „Pa.gat ultimo“ anuoncirt." Meine Schiffe waren ver-
brannt — ich mußte auf Gnade und Ungnade mich ergeben,
that eS aber wahrlich gern; ich blieb also, jagte, fischte, fand
in der schönen, jungen Frau eine wirklich ganz crcellente
Virtuosin und eine prächtige Tarokspielerin, meine achttägige
Gefangenschaft verfloß so schnell, daß ich nur zögernd das
Wort, meine Abreise betreffend, aussprach. „Es sei denn,"
rief mein liebenswürdiger Hausherr aus, „Sie haben genug
in unserer Einsamkeit ausgestanden, morgen sind Sie frei,
ich werde Sie bis zur nächsten Poftstation fahren."
Wir blieben recht lange auf, der Punsch - Bowle wurde
wacker zugesprochen, ich sagte dem liebenswürdigen Paar noch
einmal meinen Dank für die mir zu Theil gewordene Herz- f
liche Aufnahme. Da reichte der Hausherr mit freundlichem
Lächeln mir die Hand. „Es giebt," sprach er, „wer wollte
es leugnen, Sympathien und Antipathien im menschlichen
Leben. Ohne Schmeichelei kann ich cs sagen, daß vom
ersten Augenblicke unserer Bekanntschaft ein unbekanntes Etwas
mich zu Ihnen zog. Sie scheiden morgen, wer weiß, ob wir j
uns, so sehr ich es auch wünsche, je Wiedersehen werden.
Gewiß haben Sie manchmal gedacht, welch' ein Verhängniß
diesen Winkel der Erde uns angewiesen hat. Sie ahnen !
wohl nicht, welch' bewegtes Leben mir zu Theil wurde, bis !
ich die Einsamkeit gefunden habe, die meine Irma freundlich
mit mir theilt! —
I». dem unglücklichen Kriege, der mein schönes Vater-
land verwüstete, spielte ich — jung, feurig mit einem Na-
men von gutem Klang — ich habe ihn jetzt vergessen —
keine untergeordnete Rolle. An der Spitze einer von mir kom-
mandirten Honvsd - Escadro» in der Gegend von Szaß-
Regen scheute mein Pferd, an der Straße lag ein kleines
Mädchen in Thräueu aufgelöst, halb erstarrt vor Kälte. Auf
meine Frage erhielt ich die Antwort, daß die Wallachen das
Schloß ihres Vaters überfallen, ihre Eltern ermordet, Alles
geplündert hätten, es hätte sich versteckt, sei daun fortgelaufen, '■
und ermüdet niedergesunken. Es war nur allzu wahr. Der
schrecklichste Vandalismus hatte im Schlosse geherrscht, Alles
war geraubt, geplündert, der alte Edelmann mit seiner Gattin
ermordet. Ich ließ die Kleine im Schlosse zurück und er-
reichte bald mit meinen tapfer», wuthschäumenden Huszaren
die Elenden, die bei unserer Ankunft ihren Raub von sich
warfen und um Gnade baten. Gnade! das Wort klang wie >
Hohn in unsere Ohren — Gnade — hatten sie Gnade mit !
den Schloßbcwohuern? Nein, das Bild der Ermordeten trat
vor unsere Auge», und auch nicht Einer der Räuber entging
seiner gerechten Strafe!
Wir kehrten wahrlich bluttriefend zurück, ich nahm die
Kleine auf's Pferd, bis ich einen Wage» fand, der sie zu
meiner Schwester brachte, die sich ihrer mütterlich annahm.
Mein Verhängniß trieb mich fort; bald Sieger, bald besiegt
traf auch mich die unglückliche Katastrophe bei Vilägos; vom
Kriegsgerichte zum Tode verurtheilt, rettete eine tödtliche
Krankheit mein Leben Man sah nach meiner Genesung,
daß genug gemordet worden war und hatte die Gnade, mich
zu 20jähriger schwerer Kerkerhaft zu verurtheilen, die ich auf
der Festung zubringen sollte, doch nach 8 Jahren amnestirt
wurde. In die Heimath als Bettler zurückgekehrt, — meine
Ein Honvsd.
spannte ein Pferd aus, um in daS uächstgelcgene Dorf zu
reiten, einen der vielen Zigeuner, die in Siebeubürge» ge-
wöhnlich als Schiniede funktioniren, herauszutreiben. Meine
Last wurde endlich so unerträglich, daß ich vorzog, das Un-
wetter lieber über mich ergehen zu lassen und kletterte mit
vieler Ruhe aus dem Coups, so daß ich bald ganz durchnäßt
mit Ergebung den ferneren Ereignissen entgegensehen konnte.
Da fuhr uns ein Wagen vor und hielt au. Ein Herr er-
kundigte sich bei dem Condukteur nach der Ursache unseres
Verweilens, und war so freundlich, uns Plätze in seinem
Wagen anzutragen; mein Reisegefährte, ungeduldig, Groß-
wardein zu erreichen, dankte für den liebenswürdigen Antrag,
ich nahm ihn aber mit wahrem Dankgefühl an, beauftragte
den Condukteur, meinen Koffer auf der Post in Großwardein
abzugeben, und sprang in den Wagen meines unbekannten,
großmüthigen Erretters.
Wir flogen mit Windeseile fort, einige banale Phrasen
wechselnd, ich konnte von meinem Führer nichts als die glim-
mende Cigarre sehen. Bald darauf schlugen wir einen schlech-
ten Feldweg ein und kamen nach beiläufig 2 Stunden in
den Hof eines wie mir schien sehr freundlichen Wohnhauses,
wo wir absticgeu, ich, »och ganz durchnäßt, meinem freund-
lichen Führer für das propouirte Souper dankte, mein an-
gewiesenes Zimmer bezog, und bald in Schlummer sank.
Nächsten Tages, als ich meine Toilette beendet hatte,
und über das Sonderbare meiner Lage — die Gastfreundschaft
in einem mir gänzlich unbekannten Hause genießend, uach-
dachte, trat die Magd ein, mich zum Frühstücke einzuladen.
Ich beeilte mich, meiner Führerin zu folgen und trat in
einen hübschen Salon, in welchem ich den Hausherrn traf,
von dem mir nichts als die Stimme bekannt war; jetzt erst
konnte ich mich vorstellen. Wir plauderten einige Minuten,
als eine allerliebste, elegante, junge Frau freundlich grü-
ßend eintrat und ungemein graziös das Frühstück arrangirte.
Bald fühlte ich mich so heimisch als ob wir jahrelange Be-
kannte gewesen wären, und wie so oft, hatte ich auch jetzt alle
Ursache dem Zufall für seine Intervention herzlichen Dank
zu sagen.
„Sie scheinen nicht zu wissen, daß Sie unser Gefangener
sind," sagte die liebenswürdige Hausfrau, als ich endlich
einige Worte vom Wegfahren murmelte — „ja unser Ge-
fangener, vor 8 Tagen dürfen Sie auf keine Befreiung rech-
nen, wir rathen Ihnen, ja keinen Fluchtversuch zu mache»,
der Ihnen ohnedies wenig nützen dürfte, da Sie sich in
diesen Gebirgslabyriuthcn wohl nicht zurecht finden würden
— doch beruhigen Sie sich — Ihre Haft wird nicht zu
strenge ausfallen. — Sie sind eigentlich blos internirt, Sie
können jagen, fischen, wir haben prächtige Forelleubäche, ich
hoffe, Sie lieben die Musik" — ,,Uud wenn es schlechtes
Wetter ist," fuhr ihr Gatte fort, ,,so müssen Sie mit uns
Tarok spielen, Sie glauben nicht, mit welcher Kühnheit meine
Irma „Pa.gat ultimo“ anuoncirt." Meine Schiffe waren ver-
brannt — ich mußte auf Gnade und Ungnade mich ergeben,
that eS aber wahrlich gern; ich blieb also, jagte, fischte, fand
in der schönen, jungen Frau eine wirklich ganz crcellente
Virtuosin und eine prächtige Tarokspielerin, meine achttägige
Gefangenschaft verfloß so schnell, daß ich nur zögernd das
Wort, meine Abreise betreffend, aussprach. „Es sei denn,"
rief mein liebenswürdiger Hausherr aus, „Sie haben genug
in unserer Einsamkeit ausgestanden, morgen sind Sie frei,
ich werde Sie bis zur nächsten Poftstation fahren."
Wir blieben recht lange auf, der Punsch - Bowle wurde
wacker zugesprochen, ich sagte dem liebenswürdigen Paar noch
einmal meinen Dank für die mir zu Theil gewordene Herz- f
liche Aufnahme. Da reichte der Hausherr mit freundlichem
Lächeln mir die Hand. „Es giebt," sprach er, „wer wollte
es leugnen, Sympathien und Antipathien im menschlichen
Leben. Ohne Schmeichelei kann ich cs sagen, daß vom
ersten Augenblicke unserer Bekanntschaft ein unbekanntes Etwas
mich zu Ihnen zog. Sie scheiden morgen, wer weiß, ob wir j
uns, so sehr ich es auch wünsche, je Wiedersehen werden.
Gewiß haben Sie manchmal gedacht, welch' ein Verhängniß
diesen Winkel der Erde uns angewiesen hat. Sie ahnen !
wohl nicht, welch' bewegtes Leben mir zu Theil wurde, bis !
ich die Einsamkeit gefunden habe, die meine Irma freundlich
mit mir theilt! —
I». dem unglücklichen Kriege, der mein schönes Vater-
land verwüstete, spielte ich — jung, feurig mit einem Na-
men von gutem Klang — ich habe ihn jetzt vergessen —
keine untergeordnete Rolle. An der Spitze einer von mir kom-
mandirten Honvsd - Escadro» in der Gegend von Szaß-
Regen scheute mein Pferd, an der Straße lag ein kleines
Mädchen in Thräueu aufgelöst, halb erstarrt vor Kälte. Auf
meine Frage erhielt ich die Antwort, daß die Wallachen das
Schloß ihres Vaters überfallen, ihre Eltern ermordet, Alles
geplündert hätten, es hätte sich versteckt, sei daun fortgelaufen, '■
und ermüdet niedergesunken. Es war nur allzu wahr. Der
schrecklichste Vandalismus hatte im Schlosse geherrscht, Alles
war geraubt, geplündert, der alte Edelmann mit seiner Gattin
ermordet. Ich ließ die Kleine im Schlosse zurück und er-
reichte bald mit meinen tapfer», wuthschäumenden Huszaren
die Elenden, die bei unserer Ankunft ihren Raub von sich
warfen und um Gnade baten. Gnade! das Wort klang wie >
Hohn in unsere Ohren — Gnade — hatten sie Gnade mit !
den Schloßbcwohuern? Nein, das Bild der Ermordeten trat
vor unsere Auge», und auch nicht Einer der Räuber entging
seiner gerechten Strafe!
Wir kehrten wahrlich bluttriefend zurück, ich nahm die
Kleine auf's Pferd, bis ich einen Wage» fand, der sie zu
meiner Schwester brachte, die sich ihrer mütterlich annahm.
Mein Verhängniß trieb mich fort; bald Sieger, bald besiegt
traf auch mich die unglückliche Katastrophe bei Vilägos; vom
Kriegsgerichte zum Tode verurtheilt, rettete eine tödtliche
Krankheit mein Leben Man sah nach meiner Genesung,
daß genug gemordet worden war und hatte die Gnade, mich
zu 20jähriger schwerer Kerkerhaft zu verurtheilen, die ich auf
der Festung zubringen sollte, doch nach 8 Jahren amnestirt
wurde. In die Heimath als Bettler zurückgekehrt, — meine