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Mittel gegen Auswanderung.

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„Ich Hab ihn rufen lasten, Gemeinde-
Vorsteher, weil er ein vernünftiger Mann
ist, der die Leute kennt — sag' er mal, fällt
denn ihm nichts ein, wie man unfern
Bauern die Lust zum Auswandern ver-
treiben könnte?" —

„ Dafür könnt man grad schon sorgen
■— thät's denn so schwer halten, wenn
unsre Regierungen das Nordamerika an
sich bringen wollten? — Wenn das gieng
Eur Gnaden, unv das Land war erst mal
teutsch — ich kann's Eur Gnaden schon
ganz gewiß sagen, nachher hat die Gschicht
mit dem Auswandern ihr End auf alle
Zeiten."


Schreiben des alten Barons Beisele

an srinrn Sohn drn jungrn Baron Beisel r.

Schloß Beiselingen, am 6. November 1847.

Aon clrer Herr Sohn!

Sondern man kommt mir sehr courios für — wasmassen
cs sich für einen jungen Cavalier nicht zichmen will, mit seinem
Hoffmeister heute in Bremen, morgen in Insbruck, übermorgen
in Stuttgart herumzufahren; mais comment? Zu meiner Zeit
hat man die grande tour nicht also unbedachtsam und leicht-
sinnig vorgenommen, sondern man hat mit mehr Fürsicht zu
Werke gegangen. Wie kann man also sich Bildung und
Dressur bcibringen ? — Zu meiner Zeit hat man freilich und
l Gott sei Dank, von den detestablen Erfindungen und Inven-
tionen der Neuzeit noch nichts gewußt, von denen Eilwagcn
und Eisenbahnen, diesem neuen babylonischen Thurmbau, der
nicht nur, sondern auch bald, gewißlich einstürzen wird, wie
unserm Pachter sein Heustadel — ä propos bei tieferCalamität
ist die schwarze Juno mit erschlagen worden — so einen für-
trcfflichen Hühnerhund krieg ich all mein Lebtag nimmer
wieder. — Sintemal will ich durchaus nicht mehr leiden, daß
Ihr hinfüro auf Eisenbahnen fahrt, alldieweilen es viel agreabler
und sicherer ist mit dem Lohnkutscher. — Zu meines seligen
Herrn Batters Zeiten bin ich auch in der Welt gewesen und
gereiset, da haben wir von Kaufbeuren nach Augsburg fünf
Tage gebraucht — das hat man in der guten alten Zeit
Reisen geuennet, und hat in seinen Kutschen alles, was man
will, mitnchmen können — anitzo muß man sogar für seinen
Hühnerhund zahlen, wenn man mit der Logomotivc fahren
will — ja für einen gut und par force drefsirten Hühnerhund
zu zahlen, das wäre mir das Wahre! — £>ein Stylus will mir
gar nicht mehr gefallen. Was geht dich der Fortschritt an?
Du brauchst nicht fortzuschreiten, du wirst einmaleü Erb-Leheu-
und Gcrichtshcrr auf, von und zu Beisclingen und damit basta.

Ich solle, wie Du mir schreibst, die Gasbeleuchtung ein-
führen.? Das käme mir gerade recht! Seitdem Wir in Besitz
von Beisclingen feind, hat man sich im Schlöffe wie im Dorfe
um 9 Uhr zu Bett gelegt, aber dafür haben wir nichts gewußt
von der verfluchten Kartoffelkrankheit, die kein Mensch kuriren
kann, weder der Bader noch der Wasenmcister, welchersonstens

doch eine ziemliche Praxin bei Mensch und Bich exerciren—und
in puncto der Spitzbuben — wofür hätte ich Venn meine zween
Fanghunde und meinen Stutzen? Die leuchten schon Einem
heim, der Einbruch oder sonst eine Lumperei intentirte!—Und
wenn Du mir gar mit der Preßfreiheit kommst, va feind wir
schon fertig auch. Ich ärgere mich jedesmal, vaß ich schwarz
werde, wenn ich von dem dummen Schnickschnack lese, und
posito, daß das ganze heilige Römische Reich die Preßfreiheit
kriegt — so lange ich Erb, Lehn und Gerichtsherr auf, von
und zu Beiselingen bin, werde ich die Censuram exerciren und
zwar mit der Hetzpeitschen! Oder schämst Du Dich nicht, Du
Talk, daß sie Dich aller Orten abkonterfeien sammt dem Eisele,
mit welchem ich in specie sehr rigoureux zu verfahren gedenke,
wenn Ihr wieder aufs Gut kommt! Potz Bomben und Kar-
thauuen! wen» ich nur ein halb Duzend von denen Feder-
fuchsern und Bilderschmierern einfangen könnte und im ersten
Treibjagen erschießen! — Und was die Oeffentlichkeit und Münd-
lichkeit betrifft, da soll einer nur nach Beiselingen kommen, da
habe ich seit unfürdenklichen Zeiten schon das öffentliche und
mündliche Verfahren in praxi! Hat erst gestern der.Hiesele den
Ziesele bei mir verklagt, da Hab' ich erst vor der ganzen Ge-
meinde dem Ziesele etliche tüchtige aus dem ff hinter die Löffel
geschlagen, unv sonach dem Ziesele mit meiner HundSpeitschen
quantum satis durchgewalken, damit sich keiner wegen erlittenen
Unrechts beklagen kann und schließlich Beede zurThüre hinaus-
geworfen, demzufolge am Nachmittag Kläger und Beklagter in
aller Friedfertigkeit mit einander Kegel geschoben haben! Das
ist die einzige Justiz für das Baurenvolk das begreifen sie,
denn: Kustica gens, optima flens, pessima ridens, zu deutsch,
wenn der Bauer mehr hat, als Kartoffeln und Salz, so mag
der Teufel Gutsherr sein; — das bringet mich justement auf
den Räuschle — der Hallunk untersteht sich aus purem Ueber-
muth, mit mir wegen Wildschaden zu prozeffiren! Nur zu so
— aber es müßte keine Justiz mehr im Lande sein, wenn der
Kerl nicht den Prozeß verliert, von dem Crimine laesae , der
Auflehnung des Unterthan gegen die Gutsherrschaft gar nicht
zu reden! Na — ich erlebs wohl nimmer, vaß der Prozeß
ausgeht, aber Du kannst einmal, wenn Du in meine Jahre
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Mittel gegen Auswanderung"
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Serientitel
Fliegende Blätter
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Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Auswanderung <Motiv>
Gespräch <Motiv>
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

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Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 6.1847, Nr. 121, S. 7
 
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