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Der verschlafene Hans.

jagte mit wildem Ungestüm den feinen Schneestaub vor sich
her, und schien Berg und Thal in eisige Flocken vergraben zu
wollen,' der Hans hörte und sah aber nichts als die schöne
Jungfrau, die vor ihm saß, schön und begehrenswerth, wie sie
ihm noch gar nie so vorgekommen war. — „Wenn's heute

nicht ist, ist's nie mehr!" dachte er sich, indem er die Hand
der Dirne ergriff, und heftig an sich zog. „Schau Leni!'/
sagte er, und schaute ihr dabei recht treuherzig in die Augen,
„ich geh' jetzt über's Jahr zu dir in den Haimgarten, und weiß
noch nicht, wie ich mit dir d'ran bin; der beste Stutzen im
ganzen Dorf muß feiern, und die Gamseln sind so zahm ge-
worden, daß sie den Leuten fast aus der Hand fressen, und
das macht Alles, weil der Jägerhaus nimmer der Alte ist,
und keine Freud' mehr hat aus der Welt, wenn er dich, du
herzig's Diernl nit bald heimführen kann als die seine!"

Die Leni erwiederie kein Sterbenswörtl, tändelte mit dem
Band an ihrem Fürtuch, und schaute gedankenvoll hinaus in
das Schneegestöber, das der Wind in dichten Wolken Herum-
trieb; der Hans aber wurde immer dringender, und sagte am
Ende geradezu: „Willst du mich, Leni, oder willst du mich
nicht? gibst du mir heute keinen Bescheid, so geh' ich so weit
mich die Füß' tragen, und du stehst mich nimmer!"

Da lachte die Leni still und schalkhaft vor sich hin, und
gab ihm zur Antwort: „So lauf', wenn's dich freut, du wilder,
ungestümer Bue, wenn du aber bleiben willst, so werd' ich
dich wohl haben müssen, vielleicht für mein Lebetag!" Bei
diesen Worten sprang der Hans jubelnd empor, die Freude
blitzte aus seinen Augen, und die Hand der Dirne heftig an
sein Herz drückend, ries er hochvergnügt aus: „Also gilt's,
Leni! Hab' ich dich recht verstanden, darf ich zur Mutter gehn?"
Leni meinte aber: „Dazu hat's wohl noch Zeit, erst mußt du
mir einen kleinen Dienst thun, und zeigen, daß du mich recht
gern hast." — „Sprich Leni!" drängte Hans, „soll ich dir's
Best' vom nächsten Kaiserschießen bringen?" Sie schüttelte
aber lächelnd mit dem Kopse, und indem sie ihn bei der Hand
an's Fenster zog und hinauszeigle nach den winterlichen Bergen,

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scherzte sie: „Hans! siehst du dort über jenen Schneewolken
den Schlern, wie er herausluegt mit seiner weißen Kappen,
da oben blühen jetzt die prächtigen, blutfarb'nen Rosn im
wunderbaren Gartel vom König Lorein; du kennst jedes
Steigerl, dir kann's gar nicht fehlen, bring' mir bis Morgen
früh nur eine von den Rosn herab, so will ich glauben, daß !
deine Lieb treu und auftichtig ist, und will aus die nächste
Fastnacht dein Weib werden."

Wie vom Donner gerührt stand der Hans da und kämpfte
mit dem Grimm, der bei dieser neuen Bosheit aus der Tiefe
seiner schmerzgequälten Brust hervorbrechen wollte. — „War
das dein Ernst, Leni?" fragte er mit unterdrückter, zitternder
Stimme. — „Wie du's nehmen willst," schäckerte fie, „aber
ohne das Rosl komm' mir nicht mehr vor die Augen!"

Da schien dem Hans der Boden und die Stubendecke zu
wanken, Fiebersrost schüttelte seine Glieder, und mit einem
gräßlich herausgestoßenen: „So hels mir Gott!" stürzte er
zur Thüre hinaus, und verschwand im schaurigen Dunkel der
stürmischen Herbstnacht. — Die leichtfertige Leni stand aber
halb erstaunt, halb lachend da und meinte: „Da schaut's ihn
an, den ttutzigen Bueben, da rennt er hin, als wollt' er
schnurgerad ins Wasser springen, und Morgen kommt er wieder
und ist so fein und zahm, wie a Lampl; so find fie alle die
Männer, aber der verdient's schon gar nicht, daß ich ihn so
gern Hab'!" Mit diesen Worten stellte fie das Spinnrad bei
Seite, und eilte, ein Lied trillernd, unbekümmert in ihre Schlaf-
kammer hinauf — sie dachte im Traum nicht daran, daß sie
den Hans nicht mehr sehen sollte! —

Eine pechschwarze, grausig wilde Rächt war hereingebrochen;
der Sturmwind heulte draußen und rüttelte an den Häusern,
als wollte er sie von Grund aus verttagen. —

Die Leni wälzte sich unter beängstigenden Träumen in ihrem
Bette hin und her; schreckliche Bilder zogen an ihrer schuld-
bewußten Seele vorüber, und zeigten ihr in schwärzester Farbe
die Folgen ihres unverantwortlichen MuthwillenS; fie sah den
Hans, wie er bis zum Tode erschöpft mit der lehren verzwei-
felten Anstrengung sich Bahn zu brechen suchte durch das
fürchterliche Schneegestöber, das ihn zu begraben drohte; dann
erschien ihr wieder in lockendem Schimmer mitten im beschnei-
ten Alpenfelde das wunderbare Gärtl mit seinen tausend und
tausend purpurnen Röslein, und mitten d'rein der Hans, sanft
schlummernd auf grüner Moosdeckc, und ein hohes Königs-
paar mit funkelnden Kronen neigte sich über ihn, und legte
einen Kranz der schönsten Rosen auf seine Stirn, während
bunt gefiederte Bögelein aus blühenden Büschen gar schöne,
seltsame Liedlein Pfiffen. — Bald verschwand aber das lieb-
liche Bild, schwarzes Gewölk zog sich zusammen, Grabgeläute
klang an ihr Ohr, und ein Leichenzug wallte vorüber, — der
Hans im Sterbekleide, bleich, mit gebrochenem Blick trat vor
fie hin, und reichte ihr ein Rösl, aus dem die hellen Bluts-
ttopfen hervorrannen: „Leni!" sagte er mit leiser, hohler
Stimme, „da ist das Rös'l, und aus die nächste Faßnacht
hol' ich dich ab, die Brautkammer steht schon bereit!" —
eine kalte Hand ergriff fie — fie schrie laut auf im Traum,
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Der verschlafene Hans"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Schmolze, Carl Hermann
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Küche <Motiv>
Gespräch <Motiv>
Karikatur
Satirische Zeitschrift
Tiroler

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 6.1847, Nr. 125, S. 35
 
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