Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
42

Sultan.

i

steigen, vorerst aber beim Herzog ansangen. Er gedachte ihn
geschickt hinzuhalten, hie und da mit einem Kunststücklein zu
vertrösten, dann es bei den Anderen eben so zu treiben und
draus plötzlich von dannen zu reiten, als ob ihn wichtige
Ursach' dazu bestimmte. So hart' er schon oft Geld cinge-
sammelt, gar viele Vorschriften und Lehren gegeben, und glaub-
ten dann die Anderen, fie hätten des Meisters Lehren nicht
recht befolgt, oder was immer. Kurz Alles wollten fie, war s
noch so toll gewesen, nur nicht gestehen, fie seien gesoppt worden.

So waren die Menschen dazumal und find's auch noch heur
zu Tage in guter Meng' und an vielen Orten.

Kaum hatte fich nun Herr Talamont im Thal unten ein
Quartier gesucht und eines gesunden, wie er's brauchte, so
dachte er: Jetzt gehst du gleich ans Geschäft. Dein Rößlein
ist versorgt, ein und aus kannst geh'n bei der Vorderlhür'
oder beim Hinterpsörtlein, darf dir also nit bang sein, wenn
du verborgen von und zu willst oder gar von dannen reiten.
Jetzt versuch' dein Glück in der lobesamen Stadt! Müßt' es
doch recht über Quer kommen, wenn's allhie sehlscklüg'!"
Nahm alsbald auch sein rothsammtenes Mäntelein um, wandte
fich der Hosburg zu und ließ dem Herzog Alberms in Ehr-
furcht vermelden, daß er da sei, was er Alles vermöge und
daß er um die Gnad' bitte, vortreten zu dürfen.

Herzog Alberws war aber ein wenig unpäßlich. Er ließ
ihm also sagen, es kön»' jetzt nichts werden mit solcher Kurz-
weil, er sei nicht in bester Gesundheit, und wenn er einmal
Lust hätte, ließ er's ihm schon vermelden.

Alberws hatte jedoch mehr anderen Grund, den fahrenden
Meister nicht vorzulaffen. Recht sehr lag ihm eines jungen
Grasen Schicksal am Herzen, der so viel Böses an ihm verübt,
daß ihn vor sechs Monden viele Reifige gefangen bei unsers
Herren Thor hereingebracht hatten, daraus er nach kurzem
■ Gericht in den Thurm am Thiergarten gesetzt ward — gerade
als die Maiblumen erstanden und die Bäume in schönster Blüh'
prangten. Mag's dem Grafen Ladislaw von Haag wohl zwiefach
hart angekommen sein! Denn im Lenz ist's gerad' am besten
im Freien, und kann's nichts Schlimmeres geben, als wenn
Einer gerad' um diese Zeit wo hineingesperrt wird und kann
die längste Weil' nimmer heraus.

Wie sehr nun dem Grasen auch recht geschehen war, so
' hatten doch Viele Erbarmen mit ihm, das Frauenvolk schon
gar, weil er ein überaus schöner Herr war, und dachte sich
manche Maid im Stillen: „jetzt wär' er lang genug im Thurm
1 gesessen, mein' ich."

Einer solchen zu Lieb' hätte Albertus wohl seinen Sinn
j nicht geändert, denn er war sehr beharrlich. Er dachte viel-
mehr selbst mehrmals daran, fürchtete aber stets, der Gras
möchte seine Freiheit gleich wieder mißbrauchen. War also zu
keinem Entschlüsse gekommen, und wie Viele auch für den
> Gefangenen baten, die Sache blieb stets beim Alten.

Eben war aber der Pater Canifius wieder einmal von
i Ingolstadt gekommen.

Der hatte beim Albertus schon mehrmals dringend für den
Grasen gefleht, und kein Zweifel waltete da, daß er sogleich
wieder aus das Kapitel käm', sobald er nur den Mund aufthu'.
Albertus war ihm aber sehr geneigt, wollt' ihm nicht ferner
abschlägige Antwort geben, wenn's anders möglich schiene und
hatte Alles, was die Richter hin und her über den Grasen
geschrieben, vorgenommen, um Gründe für oder gegen zu finden.
Da war nun, wie Jeder fleht, keine Zeit da, sich mit Herrn
Talamont abzugeben, und konnte der zusehen, wie er sich seine
Zeit vertreibe.

Wen» aber Herr Talamont warten mußte, ließ er sich
deßhalb nicht viel Gram erwachsen und dachte: Ich will die
Frist schon verwarten. Hie in der Stadt sind gar schöne
Jungfrauen, da kannst vu ein Abentheuer erleben oder das
andere; Talamont! sicher bist du auch; denn ist gleich der
Graf von Haag in der Stadt, so liegt er doch im Thurm am
Thiergarten, wie ich sicher vernommen — also kann er dir
nichts wehren, wie er an mehr Orten gerhan, wenn du einen
Frevel verüben wolltest! Und Rache könnt' er auch nit neh-
men, wüßt' er gleich, was du ihm zu Heidelberg angethan —
er ist allzugur verwahrt.

Da nun Herr Talamont so schlimm gesinnt war, so machte
er fich bald hinter Alles her, was er Holdes erlauschen konnte,
dachte, sein hübscher Wuchs und lustiges Antlitz sei ein
köstlicher Geleitsbries in jedwedes Herz und versah sich des
Allerbesten. Dock das kam zusehends ganz anders.

Der junge Herr kam den Jungfrauen gar nicht geheuer
vor, und von der Ersten an bis so weit er sein Glück versuchte,
erlitt er eine Niederlage nach der anderen. Am zweiten Tag
aber waren die Gesellen schon in Abrede, dem kecken Unbe-
kannten das Gewerb zu legen, wollt' er noch mehr Schabernack
spielen mit Schwestern oder Liebsten und ihnen selber Unruh'
im Herzen machen beim Ambos oder der Hobelbank.

Doch gerade, da sie dem Herrn Talamont ein recht blaues
Gewitter zurecht gerichtet hatten, war er plötzlich aus rer
weiten Stadt verschwunden — und dachten sich Jene, er Hab'
was vernommen und sein Heil in der Flucht gesucht.

So war's gleichwohl nicht. Herr Talamont hatte nur im
Burghose was erblickt, dem gar nichts gleich kam von aller
Zier und Schönheit, so viel er auch zu München in Augen-
schein genommen. Die Maid aber, die ihn so entzückte, war
Afra, des Löwenwärters Anselm Schwesterlei». Kaum da erste
gesehen, galt ihm auch sie für das Allerhöchste, unv dact'te
er fich: Was Schöneres hat's nie gegeben, jetzt brächten dich
keine zehn Pferde aus München hinaus, und da mußt du einen
Kuß erhaschen, wo nit mehr, das mag geh'n, wie's will!

Wer sich nun die Zeit genommen, der hätte Herrn Tala-
mont gar oft im Burghof sehen können. Wenn er meinte, cs
falle aus, so wußt' er fich stets Hülse, fragte dies und jenes,
zumeist, wie s mit des Herzogs Gesundheit stehe, und harre in
Kurzem kein Mensch mehr Antheil genommen an Albertus,
als der Herr Talamont aus dem Lothring'schen herüber. Er
verrieth fich aber nie weiter, gab fich keineswegs zu erkennen.
Bildbeschreibung
Für diese Seite sind hier keine Informationen vorhanden.

Spalte temporär ausblenden
 
Annotationen