Ein Gespräch über den Kuß.
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Der Philosoph. Der Kuß ist das Sichfortbewegen des
Begriffs der Lippen, wodurch eine quantitative Differenz des
Seins sich in der quantitativen Differenz des andern Seins so
setzt, daß daraus die Identität des Subject - Objektes und
Ideal-Realen entsteht.
Der Witzling. Der Kuß ist der Guß einer Seele in
eine andere. Das Zusammenpressen der Lippen ist das Pressen
der Citrone in die fade Limonade des Lebens. Dieser Druck
ist der Ausdruck des Eindrucks, den das Herz erhalten; er ist
der einzige Druck, der nachher keiner Censur unterworfen wird
und hier haben wir Preßfreiheit.
Der Jurist. Der Kuß ist gar Nichts, denn er läßt fich
weder als dingliches Recht, noch als Obligatio auffassen. Einige
haben ihn zum Familienrecht gerechnet und ihn nach Analogie
der Dos behandeln wollen; allein die L. 74. D. de dote constit.
läßt sich durchaus nicht auf den Kuß anwenden. Am ehesten
könnte man das Küssen als eine donatio inter vivos auffaffen.
Der Liebende: Der Kuß ist — der Himmel!
H. Radein.
Der Naturforscher. Der Kuß ist das Ver-
einigen zweier entgegengesetzter Pole, aus welchen
derselbe gleichsam als elektrischer Funke hervorspringt.
Der Moralist. Der Kuß ist das Zeichen der
Gemeinschaft des Leibes, und kann daher rechtmäßig
nur in der Ehe stattfinden.
Der Arzt. Der Kuß ist diejenige Art der
Bewegung der Labialmuskeln, durch welche die
Lippen erst gepreßt, dann plötzlich losgelaffen wer-
den ; der Kuß ist daher eigentlich eine Art von
Krampf.
Der Sprachenkundige,
onomalopoeisekes Wort, da
Schnelle der Handlung durch den kurzen Vocal
treffend nachgeahmt wird.
Der Alterthumsforscher. Der Kuß ist eine
von den Griechen und Römern aus uns überkom-
mene Sitte, über deren wahre Bedeutung man nicht
im Reinen ist. Wahrscheinlich ist er ein Sinnbild
der die Erde treffenden Sonnenstrahlen, und als
solches mit dem ganzen Sonnencultus aus dem
Orient stammend.
Der Geistliche (der Schwärnrer). Der Kuß
ist eine symbolische Handlung, in welcher das Herab-
neigen des Himmels zur Erde dargestellt wird.
Der Kuß ist ein
in demselben das
Contumaz.
Contumaz meine Herrn? Das will ich Ihnen gleich sagen, was das
ist. Herr Wirth, wollen Sie gefälligst Kreide bringen. Sehen Sie,
meine Herrn! dieses ist der Donaufluß, hier liegt türkisch Orschia, da
sein die Türken; hier liegt kaiserlich Orschia, da sein die Kaiserlichen,
oder wie man auch sagt, die Oestrcicher; die Türken möcbten herüber, sie
könnten wohl auch herüber, aber — sie dürfen nicht herüber; sehen Sie,
meine Herren! das ist Contumaz.
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Der Philosoph. Der Kuß ist das Sichfortbewegen des
Begriffs der Lippen, wodurch eine quantitative Differenz des
Seins sich in der quantitativen Differenz des andern Seins so
setzt, daß daraus die Identität des Subject - Objektes und
Ideal-Realen entsteht.
Der Witzling. Der Kuß ist der Guß einer Seele in
eine andere. Das Zusammenpressen der Lippen ist das Pressen
der Citrone in die fade Limonade des Lebens. Dieser Druck
ist der Ausdruck des Eindrucks, den das Herz erhalten; er ist
der einzige Druck, der nachher keiner Censur unterworfen wird
und hier haben wir Preßfreiheit.
Der Jurist. Der Kuß ist gar Nichts, denn er läßt fich
weder als dingliches Recht, noch als Obligatio auffassen. Einige
haben ihn zum Familienrecht gerechnet und ihn nach Analogie
der Dos behandeln wollen; allein die L. 74. D. de dote constit.
läßt sich durchaus nicht auf den Kuß anwenden. Am ehesten
könnte man das Küssen als eine donatio inter vivos auffaffen.
Der Liebende: Der Kuß ist — der Himmel!
H. Radein.
Der Naturforscher. Der Kuß ist das Ver-
einigen zweier entgegengesetzter Pole, aus welchen
derselbe gleichsam als elektrischer Funke hervorspringt.
Der Moralist. Der Kuß ist das Zeichen der
Gemeinschaft des Leibes, und kann daher rechtmäßig
nur in der Ehe stattfinden.
Der Arzt. Der Kuß ist diejenige Art der
Bewegung der Labialmuskeln, durch welche die
Lippen erst gepreßt, dann plötzlich losgelaffen wer-
den ; der Kuß ist daher eigentlich eine Art von
Krampf.
Der Sprachenkundige,
onomalopoeisekes Wort, da
Schnelle der Handlung durch den kurzen Vocal
treffend nachgeahmt wird.
Der Alterthumsforscher. Der Kuß ist eine
von den Griechen und Römern aus uns überkom-
mene Sitte, über deren wahre Bedeutung man nicht
im Reinen ist. Wahrscheinlich ist er ein Sinnbild
der die Erde treffenden Sonnenstrahlen, und als
solches mit dem ganzen Sonnencultus aus dem
Orient stammend.
Der Geistliche (der Schwärnrer). Der Kuß
ist eine symbolische Handlung, in welcher das Herab-
neigen des Himmels zur Erde dargestellt wird.
Der Kuß ist ein
in demselben das
Contumaz.
Contumaz meine Herrn? Das will ich Ihnen gleich sagen, was das
ist. Herr Wirth, wollen Sie gefälligst Kreide bringen. Sehen Sie,
meine Herrn! dieses ist der Donaufluß, hier liegt türkisch Orschia, da
sein die Türken; hier liegt kaiserlich Orschia, da sein die Kaiserlichen,
oder wie man auch sagt, die Oestrcicher; die Türken möcbten herüber, sie
könnten wohl auch herüber, aber — sie dürfen nicht herüber; sehen Sie,
meine Herren! das ist Contumaz.
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Ein Gespräch über den Kuß" "Contumaz"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Thema/Bildinhalt (normiert)
Contumaz <Motiv>
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 6.1847, Nr. 129, S. 71
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg