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Soldatenstücklein.

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Ungewißheit über unser Loos preisgeben." — „Wie recht doch
har das Fräulein daran gerha»," platzte Eckbrechl heraus:
„wir wären vor Angst gestorben." Ein zärtlicher Druck, der
erste von Romanas Hand, belohnte das kecke Wort. Gertrud
lächelte in sich hinein. Das Murterherz freute sich, der
Tochter zurückhaltenden Anbeter wieder einen Schritt vorwärts
kommen zu sehen. Doch sprach sie nicht wie sie dachte, son-
dern sagte verweisend: „Ihr Männer seid ein eigensüchtiges
Volk; um euch ein Bischen Herzensangst zu ersparen, dürfen
wir von euch aus uns immerhin jedweder Gefahr aussetzen_"

Die Zugbrücke rasselte in ihren Ketten und klappte nieder,
Eckbrechr sprang zum Kutscher aus den Vordersitz und hieß ihn
zufahren. Zm Schloß fanden sie statt nächtlicher Ruhe Leben
und Bewegung, hin und herlaufende Leute, brennende Laternen
aus den Treppen und in den Gängen. Zm Hof stampften
zwei gesattelte Rosse. Den Oberstwachtmeister trafen sie voll-
ständig angekleidet, gestiefelt und gespornt, umgeben von Offi-
zieren. „Gut, daß ihr gekommen und da seid," sagte Wernher
zu den Seinen, umarmte sie und hieß sie zur Ruhe gehen.
Die Frau fragte: „Willst du nicht erst vernehmen, wie's uns
ergangen?" — Wernher stampfte mit dem Fuß, und von Romana
fortgezogen, ging Gertrud still davon.

Der Oberstwachimeister wandte sich zu Eckbrecht: „Ein Eil-
bote des Markgrafen bringt mir diesen Brief. Seine fürstliche
Gnade» bestehlt mir, Angesichts des Schreibens mich aufzu-
machen. Den Befehl soll ich einstweilen dem Hauptmann Eck-
brecht übergeben." — „Mir?" stammelte Eckbrecht: „mir, dem
jüngsten seiner Haupkleute?" — „Es handelt sich hier nicht
um Zugend oder Alter," rief Wernher aus: „sondern wer
Schloß u»v Stadl dem Kaiser am Besten behaupten kann.
Daraus, Schatz, kommr s an. Der Herr merke stch's also wohl:
der Platz ist bis zum letzten Faden zu vertheidigen. Der Franzos
mag die Veste nehme», wenn er kann, doch übergeben tvird sie

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ihm nicht. Zm übrigen empfehl' ich dem Herrn mein Weib
und mein Kind, und euch alle der Obhut des himmlischen
Vaters." Im nächsten Augenblick saß Wernher im Sattel
und trabte, von seinem Reitknecht begleitet, in die Nacht hinaus.

So war denn Eckbrecht urplötzlich wohlbestallter Befehls-
haber eines schlechtverwahrten, nicht überflüßig versehenen Platzes,
und wahrlich nicht zum Spaß. Schon am nächsten Tag zeigten
sich auf allen Seiten französische Streifer, ringsumher loderte,
was von Gebäuden verbrennbar war. Den Streifern rückte
bald die Heeresmasse nach. Ein Trompeter erschien mit weißem
Fähnlein aus der äußersten Abdachung vor dem bedeckten Weg, j
Einlaß begehrend. Mit verbundenen Augen zum Befehlshaber
geführt, brachte er die Aufforderung seines Kriegsherrn: die !
Veste vurch Vergleich zu überantwonen. „Gegen die Ueber- j
macht könnt ihr den Platz nicht behaupten," sagte er: „mit
unfern hundert Feuerschlünden schießen wir die Festung mit
Mann und Maus in Grund und Boden." Der zuverstchtigen
Aufforderung ward ein trutziger Bescheid. Noch am selbigen
Tag eröffnete der Feind die Laufgräben. Mit unheildrohender
Schnelligkeit näherten sich im Zickzack die Vertiefungen hinter
gefüllten Schanzkörben. Bald standen aus Schußweite die
Stückschanzen, von wo aus nächtlicher Weile Bomben, Granaten
und Stinktöpfe auf die Stadt hagelten. Nicht lange, und den
Wursgeschützen gesellte sich der Donner der Karrenbüchsen, die ,
mit Kernschüssen gegen die Schanzen spielten. Furchtbar war
die Verwüstung, welche die einen, wie die andern anrichteten. '
Auf der Burg stog der Pulverthurm auf, brannte das Korn-
haus ab. In der Stadt ging alle Augenblick Feuer auf, das
nur mir größter Mühe gelöscht ward; welche Mühe bald ganz
vergeblich zu werden drohte, weil der Einwohner immer mehr
sich in die Keller verkrochen, und, matt bis zum Tode, alles über
sich ergehen ließen. Es war ihnen zu Muth, als ob Himmel und
Erde bebten und zusammenstürzten; der jüngste Tag brach herein
und das schwache Menschenkind konnte nichts Besseres thun, als
anbelend sich fügen. So der Bürgersmann mit Kind und Kegel;
doch weit anders der Soldat. Die Burschen auf den Wällen
hielten wacker Stand, schossen hinaus, so lange Kraut und
Loch reichten, und thaten ihre Schuldigkeit bei Tag und Nacht,
vom Befehlshaber an bis zum kleinen Trommelschläger.

Die Sonne zeigte Mittag, als nach achtundvierzig Stunden
ununterbrochenen Feuerns der Höllenlärm verstummte. Tie
plötzliche Stille erschreckte die geängstigte Stadl beinahe mehr
noch, als kurz zuvor das Donnern und Krachen es gethan.
Betäubt krochen die Einwohner aus ihren Kellerlöchern, wäh-
rend Eckbrecht die angerichtete Verwüstung befichtigte und nach
den feindlichen Veranstaltungen ausspähte. An zwei Stellen
war Wallbruch geschossen. Auf der Burg hatte der eingestürzte
Pulverihurm eine Bastei zusammengeschlagen, und sie mitsammt
ihrem Unkerwall in den Graben geworfen. Draußen aber
rührte und regte sich nichts. Vom Feind war kaum etwas
anderes zu erblicken, als hie und da eines Wächters Pike,
welche, den Schanzkorb überragend, im Sonnenschein glitzerte,
und dann der Trompeter, welcher abennals mit dem weißen
Fähnlein kam. Er bot der Besatzung freien Abzug mit allen !

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Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Soldatenstücklein"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Kommentar
fehlerhafte Seitenzahl 111, eigentlich 107

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Dietz, Feodor
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Reiter <Motiv>
Stadt <Motiv>
Soldat <Motiv>
Fahne <Motiv>
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 6.1847, Nr. 134, S. 107
 
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